Kommentar
11:28 Uhr, 17.02.2005

Greenspan sieht stabiles Wachstum bei Preisniveaustabilität

1. Bei seiner turnusmäßigen halbjährlichen Anhörung vor dem US-Kongress im Rahmen der Vorstellung des Monetary Policy Reports nutzte US-Notenbankchef Alan Greenspan die Gelegenheit, Sorgen über eine mögliche Eintrübung des Konjunktur- und Inflationsklimas zu zerstreuen. Er malte das Bild eines stabilen realwirtschaftlichen Wachstums bei Preisniveaustabilität, das aber durch langfristige binnen- und internationale Herausforderungen (die niedrige US-Ersparnis, Budget- und Leistungsbilanzdefizite, eine alternde Bevölkerung und höheren Anforderungen an die Kenntnisse der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt) eingetrübt werden könnte.

FOMC Prognosen

2. Der Offenmarktausschuss (FOMC) hat seine Prognosen für das reale BIP vom Juli 2004 für 2005 (yoy-Rate im vierten Quartal) von 3,50-4,00 % auf 3,75-4,00 % leicht angepasst (DekaBank: 3,50 %). 2006 erwartet das FOMC ein Wachstum von 3,50 % (DekaBank: 3,50 %). Die Arbeitslosenquote sollte in Q4 2005 bei 5,25 % (DekaBank: 5,20 %) und in Q4 2006 bei 5,00-5,25 % liegen (DekaBank: 5,00 %). Die Kerninflationsrate des Preisindex der persönlichen Konsumausgaben sollte in Q4 2005 und in Q4 2006 bei 1,50-1,75 % liegen. Dies entspricht einer Kerninflationsrate des CPI von rund 2,00-2,25 %. Wir erwarten für die durchschnittliche Kerninflationsrate des CPI für 2005 einen Wert von 2,50 % und für 2006 von 2,40 %. Die Prognosen zeigen, dass die Federal Reserve von einem robusten Wirtschaftswachstum leicht oberhalb des Potenzialpfads bei gleichzeitiger Preisniveaustabilität ausgeht.

Drei Themen der Greenspan-Rede:

3. Greenspan fokussierte in seiner Rede drei Themen: die Inflationsaussichten, das Paradoxon der gefallenen langfristigen Renditen, und die Möglichkeit einer exzessiven Risikoaufnahme der Investoren.

4. Inflation: Das von der Fed diagnostizierte stabile realwirtschaftliche Wachstum wirft natürlich die Frage auf, ob dies zu Inflationsdruck führen wird. Für Greenspan spielen in diesem Zusammenhang vier Faktoren eine maßgebliche Rolle: die Entwicklung des Produktivitätswachstums, der Importgüterpreisinflation, der Energiepreise und der Inflationserwartungen.

Was das Produktivitätswachstum angeht, so zeigte sich der Notenbankchef recht optimistisch, dass das hohe Trendproduktivitätswachstum der letzten Jahre weiter anhält. Ob eine zyklische Verlangsamung des Produktivitätswachstums sich in höheren Inflationsraten niederschlägt, hängt ganz wesentlich von den Preisüberwälzungsspielräumen ab. Da die Gewinnspannen momentan schon sehr hoch sind, sei von dieser Seite nicht zu erwarten, dass höherer Lohnkostendruck sich auch in signifikant höheren Inflationsraten widerspiegelt.

Auch was die Importgüterpreisinflation, die Energiepreise und die Inflationserwartungen angeht, zeigte sich Greenspan entspannt. Allerdings merkte er an, dass sich die ausländischen Anbieter zunehmend weniger gewillt zeigten, den abwertungsbedingten Verfall ihrer Gewinnmargen zu tragen. Dagegen hätte die geringere Energieintensität der US-Volkswirtschaft nur relativ moderate Effekte hoher Energiepreise auf die Gesamtinflationsrate zur Folge. Alles in allem zeigen sich Inflation und Inflationserwartungen wohlverankert.

5. Das Zinsrätsel: Ein „Conundrum“ (deutsch: Rätsel) stellt für Greenspan die Entwicklung der langfristigen Zinsen in den letzten Wochen dar. Denn trotz der bislang erfolgten und angekündigten weiteren Leitzinserhöhungen der Federal Reserve sind die langfristigen Zinsen wider Erwarten gefallen. Hierfür stellen die Ankäufe langfristiger Bonds durch ausländische Zentralbanken und Investoren am Hypothekenmarkt einen Grund dar. Wichtiger noch scheint ihm aber die hohe Liquidität auf den Weltkapitalmärkten zu sein, die nach Rendite sucht. Letztendlich gebe es aber noch keine wirklich befriedigende Antwort auf das Rätsel der gefallenen langfristigen Renditen.

6. Exzessive Risikoaufnahme: Wie schon die Sitzungsprotokolle der Fed vom Dezember-Meeting zeigten, besteht die Möglichkeit, dass das momentan sehr niedrige Realzinsniveau die Investoren („the real federal funds rate ... remains fairly low“) auf der Suche nach Rendite zu einer exzessiven Risikoaufnahme verleitet. Darauf deuten die extrem zusammengelaufenen Spreads zwischen der Rendite sicherer Staatsanleihen und den Renditen für Emerging Market Bonds und Corporate Bonds hin.

Implikationen für die Geldpolitik

7. Greenspan gab keinen Hinweis darauf, wann das Wort „measured“ aus dem Statement zum Zinsentscheid entfernt wird, mit einer Ausnahme in der Questions-and-Answers-Session: „we’ re not going to have the same phrase in perpetuity.“ Das robuste Wachstum auf Potenzialpfad bei gleichzeitiger Preisstabilität und der Hinweis von Greenspan, dass das Realzinsniveau am kurzen Ende äußerst niedrig sei, deutet aber darauf hin, dass die Fed ihren „maßvollen“ Zinserhöhungszyklus weiter fortsetzen wird. Das relativ günstige Inflationsklima gibt ihr hierfür Spielraum. Allerdings wies Greenspan deutlich auf die Risiken für die Inflationsprognosen hin. Dies und die Gefahr einer möglichen exzessiven Risikoaufnahme der Investoren zeigen die Notwendigkeit für weitere Leitzinserhöhungen an: „participants in financial markets seem very confident about the future and quite willing to bear risk....History cautions that people experiencing long periods of relative stability are prone to excess. We must thus remain vigilant against complacency.“

FOMC Call

8. Aufgrund der Inflationsprognosen und der beschriebenen Risiken sollte die Fed die Leitzinsen am 22. März um 25 BP auf ein Niveau von dann 2,75 % anheben. Wir erwarten für Ende 2005 ein Leitzinsniveau von 3,75 %. Eine Pause im Zinserhöhungszyklus erwarten wir für August, wenn das Leitzinsniveau mit 3,25 % am unteren Ende des Schätzbereichs für den geldpolitisch neutralen gleichgewichtigen Leitzins liegt.

Die Questions & Answers-Session

9. Die Questions & Answers-Session war weniger durch geldpolitische als durch fiskalpolitische Fragen bestimmt. Greenspan befürwortete zwar prinzipiell die Stärkung der privatwirtschaftlich organisierten Altersvorsorge, ließ aber implizit kein gutes Haar an den Plänen der Bush-Administration zur Reform der Rentenversicherung (Social Security). Denn diese würden die Budgetdefizite eher erhöhen denn senken. Zu befürworten wären die Pläne nur, wenn sie durch Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen gedeckt seien.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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