Kommentar
09:13 Uhr, 08.12.2015

Goldman Sachs ist beleidigt

Der EZB Entscheid in der vergangenen Woche hat viele auf dem falschen Fuß erwischt. Dazu gehörte auch Goldman Sachs, die jetzt abrechnen.

Goldman Sachs ist seit langem äußerst bärisch gegenüber EUR/USD. Der Politikwandel der EZB im vergangenen Jahr hat Goldman dazu gebracht EUR/USD Short zu einem von ganz wenigen ausgewählten Trades des Jahres 2015 zu machen. Es sollte auch einer der Trades des Jahres 2016 werden. Die EZB hat dazwischen gefunkt und viele Banken - eben auch Goldman Sachs - blamiert.

Noch kurz vor der EZB Sitzung war Goldman bärisch. Die Parität sollte bald erreicht werden. Daraus wird erst einmal nichts. Schon im Herbst musste Goldman die eigene Prognose revidieren. Die Parität hätte schon viel früher erreicht werden sollen. Die Revision der Revision der Kursziele von EUR/USD auf der Unterseite hat bereits stattgefunden. Die Parität soll nun erst in 12 Monaten erreicht werden - mehr als ein Jahr später als ursprünglich prognostiziert.

Für die Fehlprognose scheint die Investmentbank nun die EZB in die Haftung zu nehmen als sich einzugestehen, dass sie vielleicht einfach viel zu bärisch waren. Es wird nun gegen die EZB gewettert. Das geschieht natürlich in einem mehr oder minder sachlichen Ton. Goldman hält dabei an der Grundüberzeugung eines fallenden Euros fest, gibt aber zu, dass sie die Uneinigkeit des EZB Rats unterschätzt haben. Weil die EZB nicht lieferte, was alle glaubten, was sie versprochen hat, wird nun Uneinigkeit festgestellt.

Der Vorwurf der Uneinigkeit ist noch das netteste, was die Banker zu sagen haben. Der Vergleich mit dem früheren Notenbankpräsidenten der japanischen Zentralbank Shirakawa ist hingegen schon fast eine Beleidigung. Dieser blieb vielen als untätiger Notenbanker in Erinnerung, der sich dem unweigerlichen Schicksal der Deflation beugte.

Weiter führen die Banker sinngemäß aus: selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Enttäuschung des Marktes ein unbeabsichtigter Fehler war ist die Glaubwürdigkeit der EZB beschädigt und die Story des schwachen Euros ist angekratzt.

Man kann Goldman Sachs Äußerungen so zusammenfassen: die Bank lag falsch und nun ist die EZB auf einmal ohne Glaubwürdigkeit, zerstritten und auf dem japanischen Weg vor dem aktuellen Notenbankchef Kuroda, sprich, sie ist untätig. Persönlich sehe ich die Sache ganz anders. Im Gegensatz zu anderen Notenbanken hat die EZB nicht ihre Handlungsunfähigkeit bewiesen, sondern klar gemacht, dass es bei QE nicht darum geht die Taschen von Bankern und Spekulanten zu füllen. Die Enttäuschung des Marktes wurde in Kauf genommen. Das ist gut. Alle anderen Notenbanken haben eine so unglaubliche Angst vor dem Markt, dass sie sich die Politik diktieren lassen. Das nennt man dann Handlungsunfähigkeit.

Der EZB Rat funktioniert. Es gibt nicht nur Mario Draghi in der EZB. Das ist beruhigend. Es ist auch gut, dass der Rat die Alleingänge von Draghi nicht weiter toleriert, sondern auf unterschiedliche Interessen eingeht. Der Schock für den Markt war gewiss nicht schön, verhindert aber, dass ohne die EZB in Zukunft gar nichts mehr geht. Es dämmt die absolute Abhängigkeit des Marktes von immer mehr Lockerung ein, bevor sie zu stark wird.

Die Kritik der Investmentbank an der EZB, weil die Markterwartungen nicht erfüllt wurden, zeigt, woran es immer noch krankt. Anscheinend erwarten viele Banken tatsächlich, dass sich die Notenbanken ihre Politik diktieren lassen. Diese Überheblichkeit und Allmachtsphantasie, die in der Vergangenheit immer wieder hohe Verluste für die Allgemeinheit verursacht haben, scheint im Denken vieler noch immer vorzuherrschen. Gut zu wissen...

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6 Kommentare

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  • wuwei
    wuwei

    Nun ja H.W hat sich mit Draghi ebenfalls verzockt, und muss nun ebenfalls die rolle rückwärts praktizieren :-)

    16:03 Uhr, 08.12.2015
    1 Antwort anzeigen
  • baerentatze66
    baerentatze66

    Dass der EX-GS-Vorständler und Italienretter überstimmt worden ist, mag ich nicht glauben. Hat doch der Hauptzahler Deutschland per BuBa-Präsi Weidmann genauso nur eine Stimme wie Malta oder Zypern. Und die Druckerei ungedeckten Papiergeld geht ja ebenso weiter, wie die Entwertung der Lebensversicherungen und Sparvermögen der Unter- und Mittelschicht fürs Alter. Wie im Griechenlanddebakel werden primär die Banken samt Großfinanz trotz Minuszinsen bestens bedient. Bleibt zu hoffen, dass der Euro im Migrantenstrom nach Merkelart gen Deutschland untergeht. Nicht zuletzt deshalb, weil besonders die neu aufgenommenen, östlichen Euro-Länder lieber absahnen statt solidarisch die Not zumindest der Polit- und Kriegsflüchtlinge zu lindern.

    15:20 Uhr, 08.12.2015
  • Kaputtnick
    Kaputtnick

    Hi

    was GS an Meldungen und Einschätzungen verbreitet ist nicht so wichtig für mich.

    es würde mich viel mehr interesieren wie sie sich hinter den Kulissen positioniert haben.

    Traue diesen Fritzen nicht für 5 cent.....

    12:32 Uhr, 08.12.2015
  • HumphreyWeyden
    HumphreyWeyden

    So ganz von der Hand zu weisen, ist die Möglichkeit der Zerstrittenheit vielleicht dann doch nicht: http://www.reuters.com/article/us-ecb-policy-dragh...

    In jedem Fall war es unangebracht, die Gerüchte im Vorfeld nicht zu zerstreuen, bzw. der offensichtlichen Interpretation nicht entgegen zu treten. Ich vergleiche dieses Spiel vom Donnerstag / Freitag mit der Jordan-Bombe Anfang des Jahres. Das hätte der auch besser machen können.

    12:14 Uhr, 08.12.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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