Kommentar
08:30 Uhr, 12.07.2019

Gold - Wenn nicht jetzt, wann dann?

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Wenn nicht jetzt, wann dann?

„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“ lässt Goethe Margarethe in Faust I feststellen. Gilt diese Erkenntnis auch aus Investorensicht im 2. Halbjahr 2019? Ohne zu viel vorwegzunehmen: Aufgrund der Masse an konstruktiven Charts im gesamten Edelmetallsektor kann diese Frage, durch die Brille des Technischen Analysten betrachtet, eindeutig mit ja beantwortet werden. Doch der Reihe nach: Unseren Halbjahresausblick starten wir mit dem Blick auf den Quartalschart des Goldpreises. Der Boden, welchen das Edelmetall seit fast sechs Jahren ausbildete, wurde zuletzt immer stabiler und tragfähiger. Mit dem Sprung über das Widerstandsbündel aus der Glättungslinie der letzten 38 Quartale (akt. bei 1.341 USD), der 38,2 %-Korrektur des gesamten Baisseimpulses von 2011 bis 2015 (1.380 USD) sowie den Hochs der letzten Jahre liegt inzwischen eine abgeschlossene Schulter-Kopf-Schulter-Umkehr vor (siehe Chart 1). Zur Erinnerung: Im Jahresausblick hatten wir auf die nahezu deckungsgleichen Hochs der letzten fünf Jahre hingewiesen, die jeweils in diesem Dunstkreis ausgebildet wurden. Diese Konstellation verleiht dem Ausbruch auf der Oberseite zusätzlichen Nachdruck.

Gold (Quarterly)

Inverse Schulter-Kopf-Schulter-Formation

Im zweiten Schritt möchten wir die Zeitebene herunterbrechen, um anhand des Monatscharts das Kursziel der erfolgreichen Bodenbildung zu bestimmen. Doch zunächst verdeutlicht auch dieser Zeithorizont nochmals die Bedeutung des Katalysators bei rund 1.370 USD. Selbst der Point & Figure-Chart untermauert diesen Signalgeber. Schließlich entsteht bei dieser, in Europa etwas in Vergessenheit geratenen, Chartdarstellungsform ebenfalls ein großes Investmentkaufsignal! Aus der Höhe der multiplen Schulter-Kopf-Schulter-Formation ergibt sich nun ein kalkulatorisches Anschlusspotential von rund 300 USD (siehe Chart 2). Auf dem Weg zum Ausschöpfen des diskutierten Kurspotentials definieren die verschiedenen Tiefs bei rund 1.520 USD bzw. die Parallele zum Aufwärtstrend seit Ende 2015 (akt. bei 1.556 USD) wichtige Etappenziele. Zusätzlicher Rückenwind kommt aktuell vom trendfolgenden MACD, welcher gerade ein neues Kaufsignal geliefert hat. Um die Gefahr eines Fehlausbruchs auf der Oberseite gar nicht erst aufkommen zu lassen, sollte der Goldpreis in Zukunft nicht mehr unter das Hoch von September 2017 bei 1.358 USD zurückfallen.

Gold (Monthly)

Saisonalität als Sahnehäubchen?

Der langfristige Chartverlauf des Edelmetalls besitzt allerdings noch eine weitere Dimension. So müssen sich Anleger die Frage stellen, ob neben dem erfolgreichen Trendwendemuster nicht auch noch eine lehrbuchmäßig zurückgetestete Konsolidierungsformation vorliegt? So stellt die gesamte Verschnaufpause seit dem Rekordhoch von 2011 bei 1.920 USD im langfristigen Kontext letztlich nichts anderes als eine trendbestätigende Flagge dar (siehe erneut Chart 2). Anleger, die dieser Interpretation folgen, können auf Sicht der nächsten zwei bis drei Jahre sogar auf „mehr“ als das diskutierte Anschlusspotential von 300 USD hoffen. Für einen validen Ausbruch sprechen derzeit auch zyklische bzw. saisonale Argumente. Angelehnt an den US-Präsidentschaftszyklus untersuchen wir auf Basis der Daten seit 1971, wie sich der Goldpreis typischerweise in Vorwahljahren der USA entwickelt. Im Durchschnitt beschert das Vorwahljahr Goldinvestoren ein zweistelliges Kursplus bei einer Trefferquote von 67 %. D. h., acht der zwölf Vorwahljahre seit 1971 konnte der Goldpreis mit Kursgewinnen beenden. Im Ergebnis stellt das Vorwahljahr unter saisonalen Gesichtspunkten den zweitbesten Teilabschnitt im vier Jahre umspannenden US-Wahlzyklus dar. Innerhalb dieses guten Zeitraumes sticht die 2. Jahreshälfte sogar nochmals positiv hervor (siehe Chart 3).

Gold (Daily)

Goldminen: Trendwende nimmt Form an

Die vielversprechende Ausgangslage des Goldpreises stellt eine Steilvorlage für den NYSE Arca Gold Bugs dar. Rein charttechnisch betrachtet haben die Goldminentitel den doppelten Pullback – einmal an die Kernunterstützung bei 150 Punkten und einmal an den Abwärtstrend seit Sommer 2016 – als Sprungbrett genutzt. Darüber hinaus wird das im Mai ausgeprägte „Hammer“-Umkehrmuster inzwischen durch ein Aufwärtsgap bei 158/160 Punkten sowie einen „weißen Block“ bestätigt. Aus charttechnischer Sicht liegt zudem ein nach oben aufgelöster „bullisher Keil“ vor. Diesem Kursmuster könnte nun die nächste wichtige Weichenstellung folgen. So arbeiten die Goldminentitel an einem nachhaltigen Sprung über die Kumulationszone aus dem langfristigen Abwärtstrend seit dem Jahr 2011 sowie dem gleitenden Durchschnitt der letzten 38 Monate bei 178/186 Punkten. Aufgrund der Tragweite der angeführten Hürden würde ein nachhaltiger Befreiungsschlag für ein deutliches Ausrufezeichen hinter dem Szenario einer langfristigen Bodenbildung sorgen (siehe Chart 4). Hilfestellung kommt dabei von Seiten der quantitativen Indikatoren (z. B. RSI, MACD), die jeweils freundlich zu interpretieren sind. Als Absicherung auf der Unterseite bietet sich – je nach Risikoneigung – der o. g. alte Baissetrend oder aber die untere Kante der angeführten Aufwärtskurslücke an.

NYSE Arca Gold BUGS (Monthly)

Auch relativ machen die Minen eine gute Figur

Der NYSE Arca Gold Bugs ist aber auch unter relativen Gesichtspunkten derzeit einen Blick wert. Schließlich zeigt sich im Ratio-Chart zwischen den Goldminen auf der einen und dem breiten US-Markt – gemessen an der Kursentwicklung des S&P 500® – auf der anderen Seite eine extrem spannende Entwicklung. Im mittleren Teil des Charts spielt die Musik, denn hier ist das Verhältnis zwischen beiden Indizes abgetragen. Die fallende Kursentwicklung im Verhältnis-Chart signalisiert, dass seit 2011 die amerikanischen Standardwerte eine deutliche Outperformance in Relation zu den Goldminentiteln aufweisen. Der Ratio-Chart bietet nun aber die Chance auf Ausprägung eines klassischen Doppelbodens (siehe Chart 5). Dazu passt, dass der RSI – berechnet auf das Verhältnis der beiden Aktienbarometer – eine positive Divergenz anzeigt. Eine Schlüsselrolle messen wir in diesem Zusammenhang dem Abwärtstrend der letzten Jahre bei. Den Trendbruch halten wir nicht zuletzt vor dem Hintergrund der bisherigen Aussagen in unserem Edelmetallspecial für nachhaltig. Deshalb sollte die Phase der Underperformance im Vergleich zum S&P 500® endgültig beendet sein und sich die Goldminen in Zukunft besser als der Gesamtmarkt entwickeln.

Ratio NYSE Arca Gold BUGS / S&P 500® (Monthly)

Silber: Zwei Schritte zurück

Der Silberpreis hinkt den konstruktiven Entwicklungen beim „großen Bruder“ mindestens zwei Schritte hinterher. Dennoch eröffnen die jüngsten beiden Verlaufstiefs bei rund 14 USD auch hier die Möglichkeit auf die Ausprägung eines kleinen Doppelbodens. In diesem Kontext hat das Edelmetall jüngst eine wichtige Schwelle getestet. Gemeint ist der seit Sommer 2017 bestehende Baissetrend (akt. bei 15,52 USD). Ein Bruch dieser Trendlinie würde die Ambitionen der Silberbullen unterstreichen. Um die eingangs beschriebene untere Umkehr abzuschließen, bedarf es allerdings eines Spurts über das Widerstandsbündel aus dem Februarhoch bei 16,21 USD sowie der langfristigen Glättung der letzten 200 Wochen (akt. bei 16,27 USD; siehe Chart 6). Aus der Höhe des Trendwendemusters ergibt sich im Erfolgsfall ein kalkulatorisches Anschlusspotential von gut 2 USD. D. h., die horizontalen Hürden bei rund 18,50 USD rücken dann wieder in Schlagdistanz. Der diskutierte Befreiungsschlag würde auch der Hoffnung auf eine große Bodenbildung neue Nahrung verleihen. Für deren Abschluss sind unverändert Notierungen oberhalb des Mehrjahreshochs vom Sommer 2016 bei 21,11 USD vonnöten.

Silber (Weekly)

Strategischer Buy-Trigger bei 16,21 USD

Das Halbjahresupdate möchten wir nutzen, um eine Lanze für die Analyse hoher Zeitebenen zu brechen. Oftmals sorgt eine Betrachtung auf Monats-, Quartals- oder Halbjahresbasis dafür, dass das Marktrauschen herausgefiltert wird und sich ein klareres Bild abzeichnet. Ein gutes Beispiel für unsere Vorgehensweise liefert aktuell der Silberpreis. Zunächst untermauert die 6-Monats-Betrachtung die Stabilisierungsansätze des Edelmetalls bei rund 14 USD. Auf Basis dieser Schlüsselunterstützung hat der Silberpreis im 2. Halbjahr 2018 ein klassisches „Hammer“-Umkehrmuster ausgebildet, ehe nun im 1. Halbjahr ein sog. „doji“ folgte (siehe Chart 7). Dabei stechen die Hochs der beiden jüngsten Halbjahreskerzen ins Auge, denn diese sind exakt deckungsgleich (16,21 USD)! In der Konsequenz stellt die jüngste 6-Monats-Kerze gleichzeitig einen klassischen Innenstab dar. Ein Anstieg über die Schlüsselmarke von 16,21 USD würde die beschriebenen Candlestickmuster allesamt nach oben auflösen. Deshalb definieren wir einen Anstieg über dieses Niveau als strategisches Investmentkaufsignal! Gelingt der Befreiungsschlag, gewinnt nicht nur der Bodenbildungsprozess der letzten Jahre deutlich an Konturen, sondern es winkt auch ein Anlauf auf das Hoch von 2016 bei 21,11 USD.

Silber (Semi-annually)

Schlägt die Stunde der Edelmetalle?

Silber ist aber aktuell auch unter relativen Gesichtspunkten im Vergleich zum Goldpreis einen Blick wert. Während der letzten acht Jahre hat sich Letzterer deutlich besser als der Silberpreis geschlagen. In der Konsequenz befindet sich das Gold/Silber-Ratio auf dem höchsten Stand seit Anfang der 1990er-Jahre (siehe Chart 8). Nur Anfang des Jahres 1991 notierte das Verhältnis zwischen beiden Edelmetallen kurzzeitig noch höher als derzeit. Sollte sich unsere konstruktive Edelmetallprognose tatsächlich bewahrheiten, besitzt der Silberpreis vor diesem Hintergrund überdurchschnittliche Erholungschancen. Fazit: Erfolgreiche Ausbrüche in unterschiedlichen Zeitebenen sowie verschiedenen Chartdarstellungsformen… dazu der Faktor „Saisonalität“, der im 2. Halbjahr des US-Vorwahljahres für zusätzlichen Rückenwind sorgt. Deshalb lautet das Motto für die Edelmetallmärkte derzeit: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Gleichzeitig erlaubt der erfolgte Ausbruch beim Goldpreis eine engmaschige Absicherung auf der Unterseite, wodurch sich wiederum ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis ergibt. Alles in allem stellen die Edelmetalle eine interessante Assetklasse für den weiteren Jahresverlauf und darüber hinaus dar.

Gold/Silber-Ratio (Monthly)

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Autor: Jörg Scherer

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Über den Experten

Jörg Scherer
Jörg Scherer
Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland

Jörg Scherer, Diplom-Kaufmann und Certified Financial Technician (CFTe), ist Gewinner des 2007er Awards der „Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands“ (VTAD) und der Verfasser des kostenfreien täglichen Newsletter HSBC Daily Trading, einem der meist gelesenen Trading-Newsletter Deutschlands. Ebenfalls analysiert Jörg Scherer auf mehreren Terminen im Jahr auf Seminaren in ganz Deutschland und in Webinaren für Privatanleger und institutionellen Investoren den nationalen und internationalen Aktienmarkt, die Rentenseite, Währungspaare und Rohstoffe.

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