Globale Trends: Neue Perspektiven aus Brüssel
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Erwähnte Instrumente
Die Beschlüsse des EU-Gipfels in diesem Monat brachten neue Perspektiven. Die Schaffung einer Bankenaufsicht, die von der EZB geleitet wird, sowie die direkte Rekapitalisierung von Banken durch den ESM (sobald er bewilligt ist) hat eine positive Reaktion an den Aktienmärkten erzeugt, jedoch kehrten die Renditen der italienischen und spanischen Anleihen wieder auf den Stand zurück, den sie vor dem Gipfelergebnis erlangten.
Das könnte daran liegen, dass Italien und Spanien große Kreditsummen refinanzieren müssen. Italien wird laut SG Research in der zweiten Jahreshälfte 218 Mrd EUR, Italien 75 Mrd EUR in Form von Altschulden in neue Schulden umwandeln müssen. Sollten die Beschlüsse des Gipfels aus irgendeinem Grund nicht umgesetzt werden können, könnte es die Refinanzierung dieser Schulden gefährden, glaubt SG Research. Außerdem könnte die Troika nach den bereits durch den EFSF zur Verfügung gestellten 107,9 Mrd EUR die Bereitstellung der zusätzlich noch notwendigen 71,7 Mrd EUR stoppen, wenn die neue griechische Regierung der Troika bis zum 24 Juli keine glaubhaften Fortschritte bei der Implementierung der Auflagen, die an diese Mittel geknüpft sind, vorlegen kann. Dann wäre der Austritt Griechenlands aus der Eurozone weiterhin eine Möglichkeit. In der Zwischenzeit sorgt aber die jüngste Zinssenkung der EZB dafür, dass die innerhalb des EFSF verliehenen Mittel günstiger werden.
Die Analysten von SG Research weisen außerdem darauf hin, dass die Lücke europäischer Aktien zu den neuen Perspektiven, die sich jetzt bieten könnten, noch nie so groß gewesen seien, wie heute. Die Aktienmärkte in Europa würden bereits eskomptieren, dass die europäische Konjunktur durch strukturelle Beeinträchtigungen an einer Erholung gehindert werde und dass sich das Wirtschaftswachstum weltweit verlangsame. Ungleich zu den amerikanischen Aktien haben die europäischen ihre Hochs des Jahres 2007 daher noch nicht wieder erreicht. „Diese betont bärische Haltung könnte das Ende der Underperformance europäischer Aktien gegenüber jenen in den USA und den Emerging Markets signalisieren, allerdings nur, wenn die EU-Gipfelergebnisse auch Früchte tragen“, schreiben SG Research in einer Studie heute.
Die Märkte fokussieren sich derzeit vorwiegend auf die Risiken. Das gilt auch für die chinesische Wirtschaft, wo Berichte über schwache Bilanzen von chinesischen Bauträgern die Angst vor einem unkontrollierten Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft schüren. Diese Furcht vor einer so genannten „harten Landung“ der chinesischen Volkswirtschaft könnte jedoch schon in dieser Woche aus dem Markt weichen, glauben Analysten von Goldman Sachs. Sie verweisen auf die am 13. Juli zur Veröffentlichung anstehenden Hausverkaufsstatistiken für den Monat Juni. Sie würden zeigen, dass es in Ostchina einen Anstieg um 50% bei den Hausverkäufen gegeben habe. Da der ostchinesische Immobilienmarkt zu 50% zum gesamtchinesischen Hausmarkt beitrage, könnte dies zu einer allgemeinen Aufhellung der Stimmung hinsichtlich der Entwicklung der chinesischen Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte beitragen und vor allem könnte es auch die Zweifel an der Wirksamkeit der chinesischen Geldpolitik entkräften. Die People’s Bank of China senkte in der vergangenen Woche das zweite Mal in einem Monat überraschend die Zinsen, während die Regierung in Peking mit wachstumsfreundlichen wirtschaftspolitischen Maßnahmen das Abwärtsmomentum der Konjunktur versucht zu verringern. Während mehrere Indikatoren bereits darauf hindeuten, dass das erfolgreich geschieht, etwa die jüngsten chinesischen Metallimportdaten, so wurde dies vom Markt zuletzt noch ignoriert.
Fazit
Die Aktienmärkte fokussieren sich aktuell auf die Risiken, die im Markt liegen, ohne die Chancen, die sich durch die Beschlüsse aus Brüssel ergeben, wahrzunehmen. Außerdem haben Zentralbanken die Bereitschaft signalisiert, ihre Geldpolitik zu lockern, während die Weltwirtschaft durch gefallene Rohstoffpreise gestützt wird. Der DAX preist laut Daniel Zindstein von der GECAM AG bei 6400 Punkten einen Gewinneinbruch um 20% bei allen 30-DAX-Unternehmen ein. Das bedeutet: Selbst wenn dieses von den Analysten, die sich die 30-DAX-Unternehmen einzeln betrachtet haben, nicht erwartete Szenario eintritt, würde der DAX auf dem aktuellen Niveau „richtig“ bewertet sein. Der am 24. Juli mit der Vorlage der SAP-Quartalszahlen beginnende Berichtssaison wird also eine hohe Bedeutung bekommen. Ungleich zu den beiden Vorjahren ist in diesem Jahr kaum etwas von einer möglichen Sommerrally zu hören – eine Sommerrally wäre also eine Entwicklung, die jeden überraschen würde (ein Interview mit Herrn Zindstein, der genau das erwartet, finden Sie in der nächsten Ausgabe des Gold- & Rohstoff-Reports, der am Donnerstag erscheinen wird. Den Report können Sie hier abonnieren). Und über alledem sollte man nicht vergessen, dass die US-Börsen, die sich bereits nahe der 2007er Hochs befinden, normalerweise immer 10-12 Wochen vor den Präsidentschaftswahlen beginnen, anzusteigen. Der August könnte also – ungleich der vergangenen beiden Jahre – statt eines Einbruchs eine Rally bringen. Ich bekräftige daher meine hier getätigte Einschätzung, dass der DAX sein Jahrestief bereits gesehen hat.
Autor: Jochen Stanzl, Rohstoffanalyse Godmode-Trader.de
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