Kommentar
09:30 Uhr, 26.09.2016

Globale Bodenbildung bei den Zinsen!

Die EZB steht vor einem großen Dilemma. Einerseits gehen ihr die Anleihen aus, die sie aufgrund ihrer Regeln kaufen kann, andererseits könnte die Ausweitung von QE durch eine Aufweichung der Regeln zu steigenden Zinsen führen.

Zentralbankpolitik wird immer surrealer. Bereits in Japan hat sich gezeigt, dass mehr gelpolitische Lockerung keineswegs den gewünschten Effekt haben muss. In Japan sind die Zinsen zwar weiter gesunken, doch der Yen wertete auf. In der Eurozone wertete der Euro trotz der zusätzlichen Maßnahmen, die im März angekündigt wurden, nicht weiter ab, dafür aber immerhin auch nicht auf.

Ein Ende von QE dürfte wohl oder übel zu einer Aufwertung führen. Hört die EZB auf Anleihen zu kaufen, dürften auch die Zinsen steigen, weil die Nachfrage nach Anleihen abnimmt. Steigende Zinsen bedingen fast schon zwangsläufig eine Aufwertung der Währung. Grafik 1 zeigt den Euro/Dollar Kurs sowie die Renditedifferenz zwischen 10-jährigen Bundes- und US-Anleihen. Steigt die Renditedifferenz (Zinsen steigen in der Eurozone stärker als in den USA), wertet der Euro auf.

Der Zusammenhang gilt praktisch ausnahmslos. Teilweise kommt es zu zeitlichen Verzögerungen. So sanken die Zinsen bereits lange vor QE, als die EZB den Einlagensatz zunächst auf 0 % und dann in den negativen Bereich senkte. Der Wechselkurs reagierte erst, als QE als gesichert angesehen wurde. Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass die Zinsen in Europa deutlich tiefer und auch für einen längeren Zeitraum tiefer sein würden als in den USA.

Ein Ende von QE bedeutet höchstwahrscheinlich eine Aufwertung des Euro. Eine Fortführung von QE bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht zwangsläufig, dass der Euro nicht aufwertet.

Derzeit muss die EZB ihre selbst auferlegten Regeln überarbeiten, um QE überhaupt fortführen zu können. Grafik 2 zeigt das Fälligkeitsprofil deutscher Bundesanleihen und die dazugehörige Rendite. Die EZB darf nur Anleihen kaufen, die eine Rendite ausweisen, die oberhalb des Einlagensatzes von -0,4 % liegt. Derzeit sind somit nur noch 400 Mrd. an deutschen Anleihen potentielle Kandidaten, die gekauft werden dürfen.

Die EZB darf allerdings nicht all diese Anleihen aufkaufen, sondern begrenzt ihren Anteil derzeit auf ein Drittel. Theoretisch stehen der EZB mit diesen Beschränkungen noch 130 Mrd. an deutschen Anleihen zur Verfügung – selbst nach dem Zinsanstieg der letzten Wochen. Nun wird die EZB zweifelsohne schon einen Teil dieser Anleihen halten. Keiner weiß genau, wie viel von den 130 Mrd. faktisch noch zur Verfügung stehen. Es könnten 100 Mrd. sein, aber auch nur noch 50 Mrd.

Nach dem Kapitalschlüssel der EZB müsste die Notenbank ca. 20 Mrd. an deutschen Anleihen pro Monat kaufen. Es wird schnell offensichtlich, dass deutsche Anleihen extrem knapp sind. Selbst wenn sich die Zinskurve weiter nach oben schieben kann, gewinnt die EZB vielleicht 2-3 Monate an Zeit.

Damit QE durch diesen Umstand kein erzwungenes Ende findet, wird spekuliert, dass die Mindestrenditeanforderung von -0,4 % aufgehoben wird. Ein solcher Schritt wird nicht einfach werden, denn eigentlich darf die EZB kein Geschäft eingehen, bei dem sie einen garantierten Verlust macht. Genau das wäre dann aber der Fall.

Ein anderer Effekt dürfte ebenfalls nicht willkommen sein. Fällt die Mindestrenditeanforderung bzw. sinkt diese, dürften die kurzfristigen Zinsen weiter fallen, weil die EZB zwangsweise mehr kurzfristige Anleihen kaufen muss. Langfristanleihen gehen ihr aus, selbst wenn sie die Regeln anpasst, nur halt wenige Monate später. Die Zinskurve würde dadurch steiler werden und weil die EZB kaum noch Langfristanleihen kaufen kann, könnte das lange Ende der Zinskurve ansteigen. Das lange Ende scheint jedoch ein wesentlicher Treiber des Wechselkurses zu sein.

Was die EZB auch tut (QE auslaufen lassen, Regeln anpassen), es spricht viel für eine Euroaufwertung. Genau das soll QE eigentlich verhindern. Der Wechselkurs kann nur „gerettet“ werden, wenn die US-Notenbank ihre Zinsen anhebt und so ein Gegengewicht zum Zinsanstieg in der Eurozone herstellt.

Die US-Notenbank hat die Zinsen in dieser Woche erst einmal nicht angehoben. Trotzdem stehen die Zeichen auf Zinswende – und zwar global. Die Bank of Japan hat in dieser Woche die Zinskontrolle eingeführt. Durch diese Zinskontrolle (10-jährige Anleihe bei 0 %) hat sie effektiv einer weiteren Zinssenkung eine Absage erteilt. Im Gegenteil sogar, die BoJ befürwortet durch ihre neue Politik höhere Zinsen am langen Ende der Zinskurve.

Die EZB wird praktisch dazu gezwungen, die Politik zu ändern. Sie ist gezwungen relativ „bald“ ihr QE Programm auslaufen zu lassen. Eine Laufzeit von 4 Jahren und mehr wie in Japan ist einfach nicht möglich. Die US Notenbank elaboriert ohnehin an der Zinswende.

Es wird einige Zeit dauern, bis sich diese Erkenntnis im Markt setzt, doch es sieht so aus, als würde ich global jetzt gerade ein Boden bei den Zinsen ausbilden. Die Zinswende bedeutet nicht, dass wir bald wieder 5 % bei Staatsanleihen sehen. Der Illusion darf man sich nicht hingeben. Ein Anstieg um 1 bis 2 Prozentpunkte auf Sicht mehrerer Jahre ist allerdings realistisch.

Clemens Schmale

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Was wüden sie tun, Herr Schmale, wenn Sie den Finanzminister beraten müssten? Soll er der EZB entgegen kommen und Papiere zu negativen Renditen raushauen, bis der Arzt kommt?

    15:16 Uhr, 26.09. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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