Fundamentale Nachricht
08:20 Uhr, 15.07.2019

Gift, Unterwerfung, Waffenstillstand

Kommt es zu einer globalen Rezession, wovon aktuell nicht auszugehen sei, muss nach Einschätzung von StarCapital-Experte Manfred Schlumberger realistischerweise von heftigen Einbrüchen an den Aktienmärkten ausgegangen werden.

Oberursel (GodmodeTrader.de) - Die Auswirkungen des Handelskriegs zwischen den USA und China lesen sich wie die Zutaten für einen Krimi: „Gift für die Konjunktur, eine voraussichtlich notwendige Unterwerfung Europas und Waffenstillstand zwischen den Parteien als bestmögliches Ergebnis, das man derzeit erwarten kann“, beschreibt Manfred Schlumberger, Vorstand und Leiter Portfoliomanagement der StarCapital AG, die weltwirtschaftspolitische Situation in einem aktuellen Kommentar. Und weiter: „Obwohl der Handel zwischen den USA und China weniger als ein Prozent des globalen BIP ausmacht, sind die ökonomischen Folgen des Handelskriegs bereits spürbar.“

Der Experte sieht vier Belege dafür:

  1. Die gestiegenen Zölle für chinesische Importe schlügen sich in den USA bereits in anziehenden Einfuhrpreisen nieder und belasteten die amerikanischen Konsumenten.
  2. Unsicherheit und schlechte Stimmung seien Gift für die Konjunktur – das zarte Pflänzchen des Aufschwungs drohe weltweit zertreten zu werden. Der Welthandel breche weiter ein, die Investitionstätigkeit lasse global wieder nach. Die Frühindikatoren für das verarbeitende Gewerbe zeigten in Europa, Japan und China eine Fortsetzung des Abschwungs an. Damit steige die globale Rezessionsgefahr.
  3. Um die negativen Effekte der Zölle abzumildern, lasse die chinesische Führung ihre Währung geordnet abwerten. Das habe den US-Dollar in den letzten Wochen gestärkt und viele Schwellenländerwährungen geschwächt.
  4. Die Zölle zwängen multinationale Unternehmen, ihre globalen Lieferketten neu aufzusetzen und viele Investitionen abzuschreiben.

Unterwerfung Europas nur eine Frage der Zeit?

Schlumberger ist überzeugt: „Der globale Wettkampf lässt sich nicht mit einem ‚Deal‘ beenden, sondern wird uns über die nächsten Jahrzehnte erhalten bleiben.“ Ein anhaltender „kalter Wirtschaftskrieg“ werde die Weltwirtschaft in Blöcke spalten, vermutlich in eine asiatische und eine westliche Zone mit jeweils eigenen Wertschöpfungsketten. Und weiter: „Europa ist zu schwach, um sich eigenständig behaupten zu können, und muss sich den USA unterwerfen, um nicht zerrieben zu werden. Das bisherige Exportmodell Deutschlands, das sehr stark auf den Chinahandel ausgerichtet ist, wird sich kaum behaupten können. Europa insgesamt droht eine ‚ökonomische Disruption‘.“

Waffenstillstand: eine erstrebenswerte Atempause für Europa?

Kurzfristig dürfte der wirtschaftliche Schaden des Handelskriegs für China größer sein als für die USA. Langfristig sieht Schlumberger die autokratische Führung Chinas im Vorteil: „Sie kann ihrer Bevölkerung unter dem Deckmantel patriotischer Propaganda leichter ökonomische Opfer abverlangen. Trump muss seine Wiederwahl im Herbst 2020 im Auge haben, die ihm in einem rezessiven Umfeld nicht gelingen wird.“ Deshalb steige gegen Ende des Jahres der Druck auf den US-amerikanischen Präsidenten.

Aktienmarkt ohne Alternative?

Die Leitzinssenkungen in den USA sollten den US-Dollar etwas abschwächen und so die Kapitalmärkte der Schwellenländer stützen. Europa könnte von seinem aktuellen Schattendasein im Handelskrieg relativ weiter profitieren. „Die US-Zinsen bleiben im Abwärtstrend, sodass uns die Alternativlosigkeit von Aktieninvestments erhalten bleibt. Im Spannungsfeld schwacher Unternehmensgewinne und extrem niedriger Zinsen sollten die Aktienmärkte ihre breite Seitwärtsbewegung der letzten zweieinhalb Jahre fortsetzen“, erwartet der StarCapital-Experte. Das Rezessionsrisiko habe jedoch vor dem Hintergrund des Handelskriegs deutlich zugenommen: „Kommt es zu einer globalen Rezession, wovon wir aktuell nicht ausgehen, muss realistischerweise von heftigen Einbrüchen an den Aktienmärkten ausgegangen werden“, so Schlumberger.

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  • wizardmw
    wizardmw

    Daumen hoch "muss sich den USA unterwerfen" ohne weitere Worte

    17:41 Uhr, 15.07. 2019

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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