Kommentar
15:10 Uhr, 29.12.2021

Gibt es immer noch Marktverzerrungen im Zuge der Pandemie?

Die Pandemie hat zu weitreichenden Marktverzerrungen geführt. Wie sehr, das ist vielen gar nicht bewusst. Die eine oder andere böse Überraschung wartet auf Anleger.

Jeder weiß, dass die Pandemie jede Branche unterschiedlich stark getroffen hat. Wie groß diese Unterschiede sind, wird selten diskutiert. Zwei Jahre nach Pandemiebeginn kann immer noch nicht von einer Normalisierung gesprochen werden. Die Schere zwischen Pandemiegewinnern und Verlierern geht weiter auf.

Wie weit diese Schere aufgeht, zeigt Grafik 1 anhand der Konsumveränderung in den USA. Gezeigt wird die Veränderung der Konsumausgaben seit Pandemiebeginn. Die größten Verlierer sind Kinos. Ticketverkäufe lagen im November 2021 noch immer fast 80 % unter dem Vorkrisenniveau. Auf der anderen Seite der Skala befinden sich Ausgaben für Freizeitboote. Die Umsätze liegen fast 80 % über dem Vorkrisenniveau.

Gibt-es-immer-noch-Marktverzerrungen-im-Zuge-der-Pandemie-Chartanalyse-Clemens-Schmale-GodmodeTrader.de-1

Bei einer so großen Spreizung und Marktverzerrung wird es für Anleger in den kommenden Jahren die eine oder andere böse Überraschung geben. Keiner weiß, wie nachhaltig die Veränderung der Konsumgewohnheiten ist. Daher weiß auch niemand, ob Aktien fair bewertet sind, die besonders stark von der Pandemie betroffen wurden oder von ihr profitierten.

Gibt-es-immer-noch-Marktverzerrungen-im-Zuge-der-Pandemie-Chartanalyse-Clemens-Schmale-GodmodeTrader.de-2

Der Markt bleibt verzerrt. Das kann zu bösen Überraschungen führen. Um bei den Extremen zu bleiben: Der Bootshersteller MarineMax konnte im ersten Krisenjahr 2020 einen Umsatzanstieg von 30 % vermelden. 2021 dürfte wieder ein kräftiges Plus erreicht werden. Der Gewinn verdoppelte sich. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass der Aktienkurse heute 180 % höher steht als vor der Pandemie.

Früher oder später beginnt die Zeit nach der Pandemie. Keiner kann mit Sicherheit vorhersagen, ob Konsumenten ihre Freude an Booten beibehalten oder ob plötzlich die Umsätze einbrechen oder sogar die Insolvenz droht. Wer ein Boot wollte, hat es nun gekauft. Um die Nachfrage nach Booten zu bedienen, wurde investiert. Bleibt die Nachfrage plötzlich weg, stehen höhere Fixkosten immer geringeren Umsätzen gegenüber.

So geht es vielen Branchen. Marktverzerrungen können kurzfristig für sensationelle Gewinne sorgen. Langfristig kann die hohe Nachfragevolatilität mehr schaden als nützen. Umgekehrt sieht es in den Branchen aus, die stark gelitten haben. Beste Beispiele sind der internationale Tourismus, Live-Entertainment wie Konzerte oder Kinos.

Die Aktienkurse haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Die Aktie von Live Nation Entertainment steht fast 60 % höher als vor der Krise, obwohl es nicht viele Konzerte zu organisieren und durchzuführen gab. 2020 lag der Umsatz 80 % unter 2019. Der Verlust lag bei fast 2 Mrd. Dollar. Mit Glück wird 2021 kein Verlust mehr geschrieben. Trotzdem notiert der Kurs in der Nähe eines Allzeithochs.

Bei Kinobetreibern ist es anders. Von AMC abgesehen, welches als Hype-Aktie wenig Bezug zur Realität hat, notieren die Kurse deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Die Aktien von Cinemark liegen über 50 % tiefer. Schnäppchen sind hier trotzdem nicht zu finden. Bereits vor der Krise waren Kinos keine Gewinnmaschinen. Jetzt sind die Schulden höher und die Nachfrage ungewiss.

Zwischen den Extremen gibt es sehr viele Branchen, die vergessen werden. Hier fällt insbesondere der weit gefasste Gesundheitssektor auf. Verbraucher haben ungewöhnlich wenig für Brillen und Kontaktlinsen ausgegeben, ebenso wurde auf die Zahnpflege und den Zahnarzt verzichtet.

Manche Unternehmen wie Optiker National Vision Holdings konnten sich glücklich schätzen, dass die Umsätze stagnierten. Zahntechnik Ausrüster Dentsply Sirona konnte das nicht. Der Rebound läuft allerdings. Hier gibt es viel nachzuholen. Wer Kapital aus der Marktverzerrung schlagen will, sucht in den Branchen, die nicht unbedingt zu den Extremen gehören.

Hier ist der Gesundheitssektor im weitesten Sinne besonders interessant. Es gibt viel nachzuholen. Die Aktienkurse reflektieren den Rebound nicht. Etwas Kapital lässt sich aus der Marktverzerrung schlagen, auch wenn man suchen muss. Der Gesundheitssektor ist ein willkommener Fund, denn es handelt sich um größtenteils notwendige Dienstleistungen und Güter. Wer schlecht sieht, kann nicht ewig auf eine neue Brille warten…

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten