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12:14 Uhr, 22.06.2016

Bei einem "Brexit" droht ein "Schwarzer Freitag"

An den Finanzmärkten wird überwiegend mit einem Verbleib Großbritanniens in der EU gerechnet. Der Ausgang des Referendums ist jedoch ungewiss. Bei einem "Brexit" dürfte es zu heftigen Turbulenzen kommen.

Die Briten entscheiden heute über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Aktuelle Wählerumfragen zeigen, dass sich EU-Befürworter und -Gegner ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Eine "eindeutige" Tendenz ist nicht auszumachen - auch wenn das Lager der EU-Anhänger in den letzten Tagen scheinbar leicht die Oberhand gewonnen hat. Bei Wettanbietern ist die Tendenz klarer, sie sehen eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Verbleib in der EU. Auch an den Finanzmärkten wird der "Bremain", also der Verbleib Großbritanniens in der EU, gespielt. Der Ausgang des Referendums ist dennoch ungewiss.

Sollte es zum sogenannten "Brexit" kommen, dürfte es an den Finanzmärkten zu heftigen Turbulenzen kommen, insbesondere weil das viele Investoren auf dem falschen Fuß erwischen würde. Zudem ließen sich die Folgen nicht vollumfänglich abschätzen. Diese Unsicherheit würde die Märkte belasten.

Welche Auswirkungen hätte ein Brexit auf Großbritannien und die Europäische Union?

  • US-Milliardär George Soros hält einen Einbruch des Pfunds um möglicherweise mehr als 20 Prozent für möglich, sollte sich die Briten für einen Austritt aus der EU entscheiden. Es könnte für die britische Währung schlimmer kommen als 1992, als das Pfund um 15 Prozent abgewertet worden sei, schreibt der US-Milliardär in einem Gastbeitrag für die Zeitung "The Guardian". Ein "Schwarzer Freitag" mit ernsthaften Konsequenzen für die einfachen Menschen wäre die Folge. Lediglich einige Spekulanten, die auf einen Brexit gesetzt hätten, würden "sehr reich werden". "Ein Brexit-Crash macht euch alle ärmer - seid gewarnt", schreibt Soros.
  • Societe Generale erwartet einen Ausverkauf an den Märkten, sollten sich die Briten für ein Verlassen der EU entscheiden. Die Experten der französischen Großbank gehen davon aus, dass der britische Leitindex FTSE 100 in den folgenden Handelstagen um 15 Prozent und der EuroStoxx 50 um 20 Prozent verlieren würde. Diese Verluste dürften aber nicht von Dauer sein, heißt es in einer aktuellen Studie. Der FTSE 100 dürfte den Großteil seiner Verluste wieder aufholen. Rückenwind dürfte dem britischen Leitindex ein dann schwächeres britisches Pfund liefern. Der EuroStoxx 50 dürfte sich zumindest ein Stück weit erholen.
  • GAM-Fondsmanager Gregoire Mivelaz geht davon aus, "dass die Bank of England im Falle eines Brexit die Zinsen umgehend - also noch am 24. Juni - senken und zudem eine umfassende geldpolitische Lockerung ankündigen wird". Teilweise sei am britischen Rentenmarkt das Risiko eines Brexit bereits eingepreist, am kurzen Ende der Zinskurve könnten die Kurse allerdings noch steigen.
  • Viktor Nossek, Director of Research beim ETF-Anbieter WisdomTree Europe: "Vor allem an den Währungsmärkten könnte es zu starken Kursbewegungen kommen. Englische Aktien dagegen träfe ein möglicher Austritt weniger, als man vielleicht erwarten würde. Large Caps sind in England oftmals große Exporteure, die von einem schwachen Pfund profitieren. Englische Staatsanleihen dagegen werden Kursverluste verkraften müssen."
  • US-Starinvestor Bill Gross: Es wäre ein großes Risiko für die Märkte, wenn sich die Briten mehrheitlich gegen die EU entscheiden. Nicht zwingend aufgrund des Austritts, sondern weil andere Nationen folgen könnten. Frankreich oder Italien könnten auf die Idee kommen, dass es besser wäre die nationalen Regeln zu bevorzugen.
  • Nach Ansicht von James Butterfill, Head of Research bei ETF Securities, ist EUR/GBP das vorteilhafteste Währungspaar wenn man auf einen Verbleib von Großbritannien in der EU setzt, da erwartet werde, dass die Fed den Leitzins 2016 weiter erhöhen und die EZB den Euro mit einer aggressiven Politik weiter schwach halten werde.
  • Nach Ansicht von Darren Williams, Senior Economist Europe bei der Investmentgesellschaft AB, könnte ein Brexit Großbritannien in eine Rezession stürzen. Schon im Vorfeld habe die Unsicherheit über den Ausgang des Referendums eine konjunkturelle Bremswirkung entfaltet. Zudem könnten negativen Szenarien von der britischen Regierung, der Bank of England und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Ein Brexit könnte darüber hinaus zum Versiegen der benötigten Kapitalflüsse führen. Für das britische Pfund rechnet Williams im Falle eines Brexit mit herben Verlusten. Für Europa erwartet der Fondsmanager vor allem im politischen Bereich Auswirkungen. Ein Ausscheiden des Landes wäre der bislang größte Rückschlag für das europäische "Projekt". Und es wäre ein gefundenes Fressen für radikale und separatistische Parteien europaweit. Auch die Zukunft der Einheitswährung würde infrage gestellt. Ein Brexit könnte daher den Zusammenhalt der Europäischen Union noch brüchiger machen, als er ohnehin schon ist.
  • Die Menschen in Europa glauben, dass ein Brexit einen Dominoeffekt auslösen wird. Wie eine Untersuchung von YouGov in sieben Ländern zeigt, hält es eine Mehrheit der Befragten für wahrscheinlich, dass sich im Fall eines britischen Austritts auch andere Länder aus der EU verabschieden werden. In Deutschland sagen insgesamt 54 Prozent der Befragten, dass ein "Dominoeffekt" wahrscheinlich wäre, jeder Dritte hält dies für unwahrscheinlich.
  • Experten der HSH Nordbank rechnen bei einem Brexit mit Turbulenzen an den Kapitalmärkten. Vermutlich werde sich die Lage dann aber relativ bald wieder beruhigen, in der Hoffnung, dass Großbritannien und die EU-Partner konstruktiv miteinander verhandeln. "Im Laufe des Jahres 2017 könnte sich diese Hoffnung als Illusion erweisen, da beispielsweise Deutschland kein Interesse daran hat, den Briten eine Lösung anzubieten, die nur geringfügige Nachteile für das Vereinigte Königreich hätte. Denn in diesem Fall liefe man Gefahr, dass das Vorgehen Großbritanniens Nachahmer findet. Vor diesem Hintergrund rechnen wir insbesondere in 2017 mit größeren Turbulenzen und Investitionszurückhaltung, wenngleich man am Ende des Verhandlungsprozesses eine Einigung finden sollte". Das Abwertungspotential für den Euro sei nach dem Referendum groß. "Ein Rückgang von EUR/USD in Richtung Parität ist wahrscheinlich. Zum Jahresende erwarten wir für den Fall eines Votums zugunsten eines Brexit EUR/USD bei 1,05. In 2017 dürfte EUR/USD unter der Angst vor einem Auseinanderbrechen der EU weiter leiden." Mit Abstand am kritischsten sei dabei Frankreich zu sehen, wo in 2017 Präsidentschaftswahlen stattfinden und die rechtspopulistische und eurokritische Marine le Pen keineswegs chancenlos sei, die Wahl zu gewinnen. Bei einer Abspaltung weiterer EU-Länder würde automatisch auch die Währungsunion in Frage gestellt und die Eurokrise der Jahre 2010 bis 2012 würde sich in verschärfter Form wiederholen.
  • Nach Ansicht des DIW Berlin würde ein Brexit hierzulande vor allem die exportstarken Branchen wie die Automobil-, Chemie- und Pharmaindustrie sowie den Maschinenbau treffen. Berechnungen des DIW zufolge würde ein Brexit die deutschen Exporte im kommenden Jahr um knapp 15 Milliarden Euro dämpfen. Dies würde für sich genommen das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 Prozentpunkte senken.
  • Marc Craquelin, Leiter Vermögensverwaltung von La Financière de l’Echiquier: "Sollte sich Großbritannien für einen Austritt entscheiden, ist kurzfristig mit einem Rückgang des Pfunds, einem deutlichen Abschwung der britischen Wirtschaft (von 0,5 bis 2,5 Prozent des BIP), Auswirkungen auf die übrige Eurozone (das Vereinigte Königreich tätigt 55 Prozent seines Handels mit den anderen EU-Mitgliedstaaten) und einem Rückgang der Aktienmärkte zu rechnen. Von den britischen Unternehmen am stärksten betroffen wären wahrscheinlich Finanzdienstleister und Unternehmen aus den am meisten von der Binnenwirtschaft abhängigen Sektoren, wobei Exportunternehmen dank der Währungsabwertung noch am besten abschneiden dürften. In solch einem Fall sollte man zweifellos Aktien aus dem FTSE 100 Index kaufen und im Gegenzug einen Leerverkauf britischer Mid-Caps vornehmen."
  • Matthias Hoppe, Senior Vice President und Portfolio Manager bei Franklin Templeton Solutions: "Egal wie die Abstimmung ausgeht, ist es klar, dass es sich dabei um eine bedeutende Wählerentscheidung von großer Tragweite handelt, die langfristige und tiefgreifende Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Gesellschaftsstruktur und die geopolitische Einflusssphäre Großbritanniens haben wird."
  • Vermögensverwalter Bert Flossbach hält die Sorgen vor den Folgen eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU für übertrieben. Ein möglicher Brexit sei ein "Mini-Problem in Europa“. Kurzzeitig könnten die Börsen zwar unter Druck geraten. Die Handelsbeziehungen zwischen EU und Großbritannien würden dann aber nicht beendet. Sie würden nur neu geregelt.
  • Mark Burgess, Chief Investment Officer für die Region Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) sowie globaler Aktien-Chef bei Columbia Threadneedle, geht davon aus, dass die Auswirkungen eines Brexit auf den britischen Aktienmarkt nicht so gravierend sein werden wie einige befürchten, da die Unternehmen im britischen Aktienindex FTSE 100 ihre Gewinne zu 70 Prozent im Ausland erwirtschaften. Die Folgen für die globale Konjunktur und die Finanzmärkte wären dagegen gravierend. "Sicher sein können wir nur, dass ein Ausstiegsvotum eine sehr unerfreuliche Erfahrung für die britische und die europäische Wirtschaft wäre und dass wir uns für einen gewissen Zeitraum auf eine höhere Volatilität einstellen müssten". Neben höheren Inflationserwartungen und schwächeren Wachstumsaussichten in Großbritannien wäre wohl ein deutlicher Wertverlust des britischen Pfundes zu erwarten.

9 Kommentare

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  • Bullen-Helga
    Bullen-Helga

    ..........der Markt läuft seit Tagen, Panikkäufe, und der Bubi hier erzählt was von schwarzen freitag..........die ganzen Godmodetrader-Schreiberlinge geben momentan ein ganz schwaches Bild ab............

    13:10 Uhr, 23.06.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Introspective
    Introspective

    Ist es nicht langsam langweilig immer das gleiche,und das schon seit Wochen,zu schreiben-"kommt der BREXIT,kommt der Crash"

    langsam hängt die Platte.

    09:24 Uhr, 23.06.2016
  • 1000Bagger
    1000Bagger

    Selbst wenn es zu keinem Brexit kommt sollte er das Klima zwischen Engländern,Schotten und EU-Ausländern sich massiv verschärfen. Am Ende zerfällt der Euro doch wertlos und die Menschen können Ihre Kaufkraft nur mit Gold, Silber und Goldaktien retten. Mit Goldaktien könnte man sogar ein Vermögen machen,weil sich einige bis zu 25 mal besser als Goldselbst entwickeln dürften! http://gebert-trade.weebly.com/potential-goldaktie...

    09:22 Uhr, 23.06.2016
    1 Antwort anzeigen
  • scully
    scully

    HSH Nordbank hat definitiv keine Experten!

    06:59 Uhr, 23.06.2016
  • Super-Hobel
    Super-Hobel

    Ich glaube, dass die Aussicht auf "Wandel" aber viele dazu treiben wird, vor allem die ungezügelte Einwanderung in das "Empire" treibt viele aus der EU. Und der Wunsch es den Brüsseler Technokraten, die bis in den eigenen Kühlschrank hinein regieren mal zu zeigen.

    04:52 Uhr, 23.06.2016