Kommentar
20:26 Uhr, 20.05.2015

Geldtransfers: Next Generation

Wer an Geldtransfer denkt, dem kommen vor allem Banken in den Sinn. Banken machen zweifelsohne einen Großteil des Geschäfts aus. 600 Mrd. USD an Transfers finden jedoch ohne Banken statt.

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Die meisten Banken klammern sich an hohe Gebühren, wenn es zu Überweisungen ins Ausland kommt. Innerhalb des europäischen Währungsraumes ist das kein Problem, sobald es jedoch über die Währungsräume hinweg geht, wird es richtig teuer. Dort verdienen Banken noch viel Geld. Sie verdienen allerdings nicht an den 600 Mrd. USD, die ohne sie von einem ins andere Land transferiert werden.

600 Mrd. ist eine ganze Menge Geld. Es wird vor allem von Immigranten in ihre Heimatländer transferiert, wo sie ihre Familien und Verwandten unterstützen. Dieser Markt wächst seit über 20 Jahren mit durchschnittlich 10% pro Jahr. Die Transfers sind zudem relativ unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung. Solange Geld vorhanden ist, welches nach Hause geschickt werden kann, wird das auch getan. Davon profitierten bisher vor allem die etablierten Unternehmen Western Union und MoneyGram. Doch nach enormem Umsatzwachstum in den 90ern bis 2007 ist davon nicht mehr viel geblieben. Der Umsatz wächst nur noch sehr langsam, der Gewinn geht zurück.

Die Probleme der etablierten Unternehmen sind nicht darauf zurückzuführen, dass der Mark nicht mehr vorhanden wäre bzw. schrumpft. Es liegt vielmehr daran, dass sich das Produkt geändert hat. Western Union ist vor allem für den Transfer von Bargeld bekannt. Man stellt sich an, übergibt Bargeld hier in Deutschland und der Empfänger kann es an einer entsprechenden Stelle auf den Philippinen abholen, gegen eine hohe Gebühr, versteht sich. Die Kosten liegen je nach Empfängerland zwischen 4 und 10% des Transferbetrages. Das ist schon fast Wucher.

Die Unternehmen konnten sich so hohe Gebühren leisten, weil es kaum Alternativen gab. Bankgebühren sind nicht niedriger und nicht jeder hat auch unbedingt ein Konto. Ein illegaler Einwanderer wird ja kaum zur Bank gehen und ein Konto eröffnen können. Einschränkend muss man allerdings sagen, dass der Geldtransfermarkt von legalen Einwanderern sehr viel größer ist als von illegalen. Diese können problemlos Konten eröffnen.

Ein Konto in dem Land zu haben, in dem das Einkommen anfällt, reicht nicht. Diejenigen, die das Geld bekommen sollen, haben häufig kein Konto. Ohne die Möglichkeit Geld ohne Konto transferieren zu können muss man in dem Markt gar nicht erst anfangen. Das war bisher das (einzige) Erfolgsrezept von Western Union und MoneyGram. Der Markt wird nun aber seit einigen Jahren mächtig aufgemischt. Junge Tech Start-Ups revolutionieren den Markt. Das sorgt für stagnierende Umsätze bei den bekannten Playern.

Die Unternehmen, die den Markt revolutionieren, sogenannte Disruptors, kehren dem Bargeld den Rücken. Sie setzen vor allem auf Einwanderer mit Konten. Das Geld kann immer noch im Empfängerland als Bargeld ausgezahlt werden, aber in den meisten Fällen ist das gar nicht notwendig. Geld wird immer mehr in anderer Form transferiert, z.B. als Guthaben für Handys. Bargeld ist nicht mehr notwendig. Das digitale Geld kann digital bleiben.

Der komplett digitale Geldtransfer ermöglicht es die Kosten dramatisch zu senken. Die Anbieter der neuen Generation verlangen für gewöhnlich nur die Hälfte der Gebühren, die bei etablierten Anbietern bezahlt werden müssen. Das ist ein Geschäftsmodell mit Zukunft. Das britische Start-Up WorldRemit hat sich vor kurzem 100 Mio. von Venture Capitalists besorgt. Vergangenes Jahr konnten bereits 40 Mio. eingesammelt werden.
WorldRemit ist im Prinzip eine App. Die meisten Anbieter gehen in diese Richtung. TransferWise, Azimo und Xoom bieten auch den Transfer ganz normal über das Internet am PC an.

Der Vorteil dieser vier jungen Unternehmen ist, dass sie so gut wie keine physische Präsenz mehr haben müssen. Dort, wo es doch noch notwendig ist, wird es über Kooperationspartner gemacht. Die Kosten sind schon allein deswegen sehr viel niedriger. Ebenso ist der Transfer schnell, sicher und muss nicht als Bargeld abgeholt werden. Viel schneller und flexibler geht es gar nicht.

Als Anleger hat man zu diesen Unternehmen so gut wie keinen Zugang, weil sie noch nicht an der Börse notieren. Meines Wissens gibt es nur ein Unternehmen, welches an der Börse notiert und eine gute Position hat: Xoom.
Grafik 1 zeigt den bisherigen Geschäftsverlauf des Unternehmens und die Prognosen für die kommenden Jahre. Der Umsatz kletterte zwischen 2009 und 2014 von 25 Mio. USD auf 159 Mio. Das Unternehmen erreichte bereits 2013 die Gewinnschwelle, rutschte 2014 allerdings wieder ins Minus. Das passiert den meisten Unternehmen, die an die Börse gehen, da die Kosten des Börsengangs oft sehr hoch sind. Dafür hat Xoom nun eine gute Kapitalausstattung für die Expansion.

Nach Veröffentlichung der Zahlen für das erste Quartal erwartet das Unternehmen für das Gesamtjahr 2015 einen Umsatz von 191 bis 196 Mio. USD und einen Gewinn zwischen 0,34 bis 4 Mio. Anleger haben diese Aussichten überzeugt. Die Aktie legte zuletzt deutlich zu.
Die Fundamentaldaten stimmen. Das Unternehmen wächst sehr schnell und schreibt kleine Gewinne. Das können die meisten Wachstumsunternehmen nicht von sich behaupten. Die Kundenbasis wächst munter weiter. Grafik 2 zeigt die Entwicklung über die vergangenen und die Erwartung für die kommenden Jahre. Das Transaktionsvolumen von knapp 7 Mrd. USD dürfte auf knapp 10 Mrd. bis 2017 steigen.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden über Xoom bereits 12,76 Mio. Transaktionen getätigt. Damit hat Xoom eine Größe erreicht, die man nicht mehr übersehen kann. Xoom hat gegenüber anderen Start-Ups, die an der Börse ohnehin nicht handelbar sind, einige Vorteile. Xoom ermöglicht einen sofortigen Transfer von Geld. Grundsätzlich kann ein Transfer innerhalb von Minuten stattfinden. Das geht nur, indem Xoom den Transfer vorfinanziert, denn ein Transfer von Deutschland nach Guatemala braucht eine gewisse Zeit fürs Clearing. Um diese Zeit zu sparen kann Xoom den Betrag vorfinanzieren. Theoretisch hat Xoom damit ein Kreditrisiko, da Sender das Geld nicht als Bargeld einzahlen und dann transferieren, sondern alles rein digital läuft. Xoom hat dafür ein eigenes System entwickelt, um anhand von Daten festzustellen wie groß das Kreditrisiko ist. Wird das Kreditrisiko als hoch eingestuft, dann wird nicht vorfinanziert und Xoom zahlt das Geld erst in Guatemala aus, wenn es bei ihnen auch eingelangt ist.

Bisher hat sich das System gut bewährt. Die Ausfallquoten liegen zwischen 0,2 und 0,4%. Um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu bleiben wird Xoom in den kommenden Jahren viel investieren müssen. Die Nettomargen werden daher klein bleiben. Xoom hat ein gutes Produkt. Es ist unwahrscheinlich, dass sie verdrängt werden. Das, was Xoom am meisten Konkurrenz machen kann, das ist der Preis. Die drei oben genannten Start-Ups sind Konkurrenten. Jeder hat seine Nische, aber früher oder später werden sich die Geschäftsbereiche überkreuzen. Dann kommt es vor allem darauf an, wer den besseren Preis bietet. Eine Preisschlacht wäre für Xoom zu überstehen, würde aber Gewinne deutlich unwahrscheinlicher machen.
Xoom Corp
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Die Bewertung von Xoom ist für ein Wachstumsunternehmen anständig. Im Vergleich zu den noch nicht börsengehandelten Unternehmen ist die Bewertung relativ moderat. Die letzte Grafik zeigt die vier Unternehmen im Vergleich. Gezeigt werden der zuletzt gemeldete Umsatz, der Betrag, der an Geld von Investoren eingesammelt wurde und der Unternehmenswert. Vergleicht man nur Umsatz zur Bewertung (Valuation), dann fällt der Entschluss nicht schwer.

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    Xoom - alles schön und gut: Aber wie kommt die Mutti in Bombay, die von Vati aus Dubai per App Geld transferiert bekommt an Bargeld. Ihr Brot kann sie nicht mit elektronischem Xoom Money bezahlen.

    08:17 Uhr, 21.05.2015
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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