Kommentar
16:13 Uhr, 24.04.2020

Gelddruckdiskussionsorgien: Haben Sie auch ein ungutes Gefühl?

Unbegrenzte Interventionen der Notenbanken sind derzeit notwendig. Bei den Größenordnungen, um die es geht, wird einem allerdings schon etwas mulmig.

Jede Woche, wenn bestimmte Notenbanken die neuesten Daten veröffentlichen, kann man nur staunen. Die US-Notenbank hat seit Krisenbeginn Staatsanleihen im Wert von 1,4 Billionen Dollar gekauft. In der bisher stärksten Woche saugte sie gleich 362 Mrd. aus dem Markt (Grafik 1). Wie unglaublich diese Dimension ist zeigt der Vergleich zu den vorherigen QE Programmen. Eigentlich ist es überhaupt kein Vergleich. Es liegen Welten dazwischen. Das neue QE ist eine Klasse für sich.


Das braucht es natürlich auch. Staaten müssen so viel Geld ausgeben wie noch nie, um die Krise zu bewältigen. In den USA dürfte das Defizit im laufenden Jahr bei 10-13 % der Wirtschaftsleistung liegen und damit höher als zur Zeit der Finanzkrise. Die Regierung muss sich keine Sorgen darüber machen wie das finanziert werden soll.

Dank der Käufe der Notenbank werden mehr Anleihen vom Markt abgezogen als neue nachkommen (Grafik 2). Die effektive Verschuldung bei Investoren geht zurück. Das wurde in den bisherigen QE Programmen nicht erreicht.


Das erklärt auch, weshalb die Überschussreserven der Banken so stark ansteigen (Grafik 3). Noch im September 2019 musste die Notenbank intervenieren, damit die Reserven nicht zu knapp werden. Heute weiß keiner mehr, wohin mit all dem Geld. Selbst der Staat kann das Geld nicht so schnell ausgeben wie es gedruckt wird. So sind die Überschussreserven um über 1,1 Billionen angestiegen, in wenigen Wochen.

Das geschieht nicht nur in den USA. Auch die EZB kauft fleißig Anleihen. Die Krone darf sich aber wohl derzeit Kanada aufsetzen. Die Bilanzsumme stieg von 120 Mrd. auf 320 Mrd. in nur vier Wochen (Grafik 4). Fast eine Verdreifachung der Bilanzsumme in wenigen Wochen ist so dermaßen rasant, dass einem die Worte fehlen.

Einerseits ist die Geldflut notwendig. Hätte es diese nicht gegeben, wäre die Welt heute ein ganz andere als wir sie kennen. Der Virus hat das Leben stark verändert, aber das ist nichts gemessen an dem, was ohne die Interventionen geschehen wäre. Wir sind gerade so dem Kollaps unseres Geld- und Wirtschaftssystems entgangen, zum zweiten Mal in 12 Jahren.

So notwendig die Interventionen auch waren, so schwer sind die Folgen abschätzbar. Notenbanken sitzen nicht mehr nur auf Staatsanleihen, sondern inzwischen auch auf Unternehmensanleihen der Ramschkategorie, Kommunalanleihen von Kommunen, deren Bonität fragwürdig ist, Krediten an Unternehmen usw.

Keiner weiß, wo das hinführt. Notenbanken können zwar nicht bankrottgehen, doch wenn Notenbanken plötzlich hunderte Milliarden an negativem Eigenkapital ausweisen, hilft das dem Vertrauen nicht. Ebenso unklar ist wie die Überschussliquidität wieder eingefangen werden soll. Wie schwierig der QE Ausstieg beim ersten Mal war, haben wir noch in guter Erinnerung.

Es gibt sehr viele offene Fragen. In der Krise stellt die erst einmal niemand. Es muss erst gehandelt werden. Über die Folgen macht man sich später Gedanken. Folgen wird es jedenfalls geben. Am Ende kann alles gutgehen. Hoffentlich. Bis dahin bleibt ein mulmiges Gefühl.

Clemens Schmale


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36 Kommentare

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  • Bigdogg0806
    Bigdogg0806

    keiner weiss wohin das führt?? Ich bitte sie Herr Schmale - einfach mal nachlesen wie ein Schuldensystem endet -) so schwer ist das nicht.

    15:48 Uhr, 27.04. 2020
  • mariahellwig
    mariahellwig

    Kurzfristig ist das alles kein Problem. Für wenige Monate kann man so verfahren. Je länger die Krise dauert und je mehr über alles nachgedacht wird, desto wird alles in Frage gestellt. Geld ist, dass sollte man sich immer vor Augen halten, ledig bedrucktes Papier. Es funktioniert nur, weil alle daran glauben. Wenn sich Notenbanken auf Dauer auf das Niveau einer Bananenrepublik begeben, wird dieses Vertrauen irgendwann schwinden.

    Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden, so viel ist jetzt schon klar, viel länger dauern als die Finanzkrise 2008. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Regierungen und Notenbanken das über 2 Jahre durchhalten. Man verschießt nun sein Pulver und suggeriert den Menschen eine heile Welt, die man auf Dauer nicht garantieren kann. Das Problem liegt nicht in dem rekordverdächtigen Einbruch der Wirtschaftsindizies, sondern in der zu erwartenenden Dauer

    11:26 Uhr, 25.04. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • mkronen
    mkronen

    Eigentlich klar:

    1. Crash

    2. Bären Rally

    3. nervtötender langsamer Abwärts/Seitwärtstrend <- wir sind hier

    -> aufpassen: sollte der Corona Nebel sich kurzfristig liften, könnte es mit dem Notenbankgeld zu einer erstaunlichen kurzfristigen Rally kommen. Und wenn dann alle wieder long sind, rauschen wir zwei Jahre lang tief in den Süden.

    10:43 Uhr, 25.04. 2020
    2 Antworten anzeigen
  • Data75
    Data75

    Kaufdruck pur heute bei den Amis. Gab es neben den schlechten Nachrichten auch noch gute Nachrichten?

    23:48 Uhr, 24.04. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • katzenfreund
    katzenfreund

    Ein eindeutigeres Deflationsscenario als das gegenwärtige ist eher nicht vorstellbar Deflation ist wesntlich gefährlicher als das von perma Goldbulls immer wieder herbeigeredete Inflationssecenario

    17:54 Uhr, 24.04. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • Tüskendör
    Tüskendör

    Eskalierender Anlagenotstand.

    Aktien, die zu teuer sind.

    Anleihen, die außer Risiko nix abwerfen.

    Minuszins auf Geldvermögen, während massiv das Saatgut der Inflation ausgebracht wird.

    Immos, deren Blase platzen dürfte.

    Gold, welches zwar augenscheinlich noch funktioniert, jedoch manipulierbar ist....

    😎

    Doof.

    16:58 Uhr, 24.04. 2020
    2 Antworten anzeigen
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Es gibt noch einen Unterschied zwischen 2007/2008 und heute. Wie geschrieben, finanzieren die Notenbanken AUSGABENPROGRAMME der Staaten. Ob notwendig oder nicht ist egal, aber damit kommt das Geld dieses Mal auch in den Wirtschaftskreislauf, eben durch den Staat. Ergo wird es dieses Mal auch zu Inflation kommen.

    16:58 Uhr, 24.04. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • katzenfreund
    katzenfreund

    deshalb sind unfassbar viele Aktien bulls unterwegs ....in US foren sind immer dieselben Trump -und Gold permabulls sehr aktiv...die bezahlten cheerleader sollten eher Sorgen machen

    16:20 Uhr, 24.04. 2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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