Kommentar
07:40 Uhr, 24.11.2015

Geht China den Weg Japans?

China und Japan sind nicht die besten Freunde. Wirtschaftlich sind die beiden Länder stark miteinander verflochten. Und sie teilen noch etwas: das gleiche Schicksal.

Wenn China vor etwas Angst haben sollte, dann ist es Japan. Japan ist ein Beispiel dafür, wie es China in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ergehen könnte. Beide Länder teilen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung so viele Gemeinsamkeiten, dass man die großen Parallelen einfach nicht ignorieren kann.

Die Gemeinsamkeiten beginnen bereits mit der demographischen Entwicklung. Grafik 1 zeigt die Entwicklung der japanischen Gesamtbevölkerung seit 1960. Parallel dazu ist die Entwicklung in China dargestellt. Die Datenreihe wurde 20 Jahre nach hinten verschoben und beginnt somit zeitgleich zu der Datenreihe Japans. Die Entwicklung verläuft erschreckend parallel. Das gilt nicht nur für die vergangenen Jahre, sondern auch für die kommenden Jahre oder Jahrzehnte.

Trotz Aufhebung der Ein-Kind-Politik wird sich das Wachstum der Bevölkerung in China so schnell nicht wieder beschleunigen. Der demographische Trend ist kaum aufzuhalten. Alle Prognosen zum zukünftigen Bevölkerungswachstum sind sich in ihrer Tendenz ziemlich einig. Mitte der 20er Jahre dürfte die chinesische Bevölkerungszahl ihr Hoch erreichen und danach langsam schrumpfen.

Die Überalterung der Bevölkerung löst mehrere Probleme aus. Zu allererst gibt es ein Versorgungsproblem. Das staatliche Sozialsystem ist nur sehr begrenzt auf die demographische Entwicklung eingestellt. Soll die ältere Bevölkerung nicht vollkommen verarmen, dann muss der Staat einspringen. Die Schulden würden so stark steigen wie in Japan. Gleichzeitig ist es schwierig die Bevölkerung zu mehr Konsum zu motivieren, wenn sie weiß, dass sie für die Zukunft selbst vorsorgen und sparen muss.

Wirtschaftliches Wachstum wird langfristig zum Erliegen kommen. Wenn die arbeitsfähige Bevölkerung schrumpft, weniger Menschen arbeiten und der Konsum tendenziell in älteren Bevölkerungsschichten rückläufig ist, dann ist hohes Wachstum unmöglich. Der demographische Trend und das daraus resultierende, niedrige Wachstum kann auch nicht durch Exporte umgangen werden. Japan versucht dies seit Jahren und scheitert. Zudem ist Chinas Wirtschaft einfach zu groß, um allein über Exporte wachsen zu können. Es gibt weltweit nicht genug Abnehmer, die ein Wachstum der Exporte von 5 bis 10% pro Jahr tragen können.
Der Außenhandel wird einen ähnlichen Verlauf wie in Japan nehmen. Grafik 2 zeigt die Exporte der beiden Länder im Vergleich. Die Datenreihe beginnt 1955 für Japan. Die Daten für China sind 24 Jahre zeitversetzt. Die Parallelen sind auch hier kaum zu verkennen. Die Daten für dieses Jahr muss man abwarten, doch wie es aussieht könnten Chinas Exporte seit langem entweder stagnieren oder fallen.

Der Wachstumsmotor Export ist am Ende. Gleichzeitig leidet die chinesische Wirtschaft an Überkapazitäten. Die Industrieproduktion ist rückläufig, weil die Produkte in der Welt nicht mehr abgenommen werden können und auch die inländische Bevölkerung nicht ausreichend konsumiert, um den Überkapazitäten entgegenzuwirken. Die Folge sind sinkende Produktionspreise.
Grafik 3 zeigt die Produktionspreisindizes von Japan und China im Vergleich. Die Daten für China sind 22 Jahre zeitversetzt. Die Entwicklung divergierte zwischen den beiden Ländern eine Zeit lang. Die Phase des Booms verlief sehr ähnlich und die Entwicklung der letzten Jahre lässt vermuten, dass auch die zukünftige Entwicklung ähnlich sein wird. China wird in den kommenden Jahren unter hohem Deflationsdruck leiden.

Eines der Kernprobleme, welches China beeinflussen kann, ist die Währung. Während es unmöglich ist die arbeitsfähige Bevölkerung per Beschluss um 100 Mio. zu steigern, kann die Währung durch Eingriffe gesteuert werden. Im Fall von China wären es vermutlich nicht mehr Eingriffe, sondern schlichtweg weniger. Die Währung ist de facto an den Dollar gekoppelt. Um die Kopplung aufrecht zu erhalten muss die Zentralbank regelmäßig eingreifen. Würde sie dies unterlassen, dann könnte der Yuan abwerten. Die Marktkräfte deuten einen deutlichen Abwertungsdruck an.
Grafik 4 zeigt den Yuan und Yen auf nominaler und realer Basis gegenüber einem Währungskorb. Die Entwicklung des Yuan ist bisher etwas weniger volatil als die des Yen. Das liegt vor allem daran, dass der Yen weniger gemanagt wurde als der Yuan. In der Tendenz ist der Trend sehr ähnlich.

Der Trend zeigt für den Yuan nach oben – er wertet auf. Die Aufwertung der vergangenen Jahre ist vor allem auf die Dollaraufwertung zurückzuführen, doch China selbst hat den Yuan kontrolliert zusätzlich aufwerten lassen. Dies geschah vor allem auf Druck der USA, die China seit vielen Jahren Währungsmanipulation vorwerfen. Im Raum standen immer wieder Strafzölle für chinesische Produkte.

Ein Handelskrieg konnte durch einen Kompromiss vermieden werden. China wertete den Yuan langsam auf. Den USA war das zwar zu langsam, aber immer noch genug, um nicht auf direkte Konfrontation zu gehen. Nun müsste der Yuan eigentlich abwerten, kann es aber nicht, weil die Dollarbindung besteht. Mit dem Dollar wertet der Yuan auf. Auch das sorgt für deflationären Druck.

Die Abwertung des Yuan im August ging schief. Die Notenbank musste innerhalb kurzer Zeit 200 Mrd. Dollar aufwenden, um die Währung wieder zu stabilisieren. Die Währung müsste eigentlich abwerten, doch eine kontrollierte Abwertung scheint nicht umsetzbar zu sein. Gleichzeitig bleibt der Druck der USA bestehen die Währung nicht abzuwerten. Das ist eine ähnliche Konstellation wie Anfang der 90er Jahre zwischen den USA und Japan. Es hat Japans Deflation nicht verursacht, aber zementiert und verschärft. Das gleiche Schicksal droht nun China. Ein Ausweg ist nicht in Sicht.

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6 Kommentare

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  • Ragazzo
    Ragazzo

    Und wie sieht das in Europa und in den USA aus? Da gibt es doch auch Statistiken.

    12:30 Uhr, 25.11. 2015
  • Investor
    Investor

    Ein weiteres Thema aus meiner Sicht ist der soziale Kontrakt in China. Die Bevölkerung akzeptiert das Primat der Partei und im Gegenzug sorgt die Partei für Beschäftigung.

    Sinkt das Wachstum, dann werden immer mehr Menschen benötigt, die Güter herzustellen. Dies wird den wirtschaftlichen und damit politischen Druck in China erhöhen.

    Aus meiner Sicht ist dies das Ziel von QE der EZB. Wettbewerber beim Export müssten eigentlich parallel abwerten aber die Kopplung an den USD macht dies China unmöglich. Wird die Kopplung aufgehoben, dann profitieren die USA, da China abwerten muß und damit seinen politischen Frieden gefährdet.

    10:41 Uhr, 24.11. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • realhowie
    realhowie

    guter, interessanter Artikel.

    Vielen Dank, Hr. Schmale

    08:33 Uhr, 24.11. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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