Kommentar
12:52 Uhr, 28.06.2016

Geheimdokument: "Europäischer Superstaat" in Planung

Eine echte Schuldenunion, eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik und eine gemeinsame EU-Armee: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Amtskollege ziehen ihre ganz eigenen Schlüsse aus dem Brexit-Referendum.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein französischer Amtskollege Jean-Marc Ayrault haben in einem neunseitigen Positionspapier Forderungen nach einer "politischen Union" in Europa vorgelegt. Die Vorschläge scheinen dabei mit Bundeskanzlerin Merkel abgestimmt zu sein. Merkel sagte in einer Regierungserklärung am Vormittag vor dem Bundestag, dass sie sich mit dem französischen Präsidenten François Hollande und dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi auf eine Vertiefung der EU geeinigt habe.

Das Dokument von Steinmeier und Ayrault macht konkrete Vorschläge für eine solche Vertiefung. Zwar heißt es in der Einleitung, dass ein "einfacher Ruf nach mehr Europa" nicht die Lösung der Probleme nach dem Brexit-Referendum sein könne. Doch in ihren konkreten Vorschlägen fordern Steinmeier und Ayrault dann genau das: Weniger nationale Kompetenzen und mehr Entscheidungshoheit für die EU-Bürokratie.

Konkret schlagen Steinmeier und Ayrault eine engere Kooperation in drei Bereichen vor:

  • eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Außenpolitik
  • eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik
  • eine "Vollendung" der Wirtschafts- und Währungsunion

Im Folgenden einige der Kernforderungen aus dem Dokument:

"Vollendung" der Wirtschafts- und Währungsunion

  • Einführung einer dauerhaften Schulden- oder Transferunion (im Dokument umschrieben als "fiskalische Lastenteilung"), wobei zur Erreichung des Ziels "viele kleine Schritte" unternommen werden sollen.
  • Bis 2018 die Schaffung einer gemeinsamen Behörde der Eurozone, die selbst Geld zur Stabilisierung der Wirtschaft in den Krisenstaaten ausgeben darf ("gemeinsame Fiskalkapazität"), wodurch dauerhafte einseitige Transferzahlungen vermieden werden sollen.
  • Ausbau des Euro-Rettungsfonds ESM zu einem "vollwertigen Europäischen Währungsfonds".
  • Längerfristig eine eigene Parlamentskammer für die Länder der Eurozone beim Europäischen Parlament. Entscheidungen über Rettungspakete könnten dann von den nationalen Parlamenten in die neue Kammer verlagert werden.
  • Neue Phase der "wirtschaftlichen Konvergenz", mit einer gemeinsamen europäischen Wirtschafspolitik, die Deutschland und Frankreich gemeinsam voranbringen wollen. Dabei müssten sich sowohl "Überschussländer" als auch "Defizitländer" bewegen.
  • Bei künftigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen sollen die unterschiedlichen Traditionen in den verschiedenen Ländern berücksichtigt werden. Bei jedem Ausbauschritt der Währungsunion sollen regelbasierte, politische und durch Marktkräfte bestimmte Entscheidungen eine Rolle spielen.
  • Harmonisierung der Regulierung und der Unternehmenssteuern, zunächst zwischen Frankreich und Deutschland.
  • Erhöhung der öffentlichen und privaten Investitionen.
  • Mehr Zusammenarbeit in spezifischen Sektoren wie Energie und Digitales.

Gemeinsame europäische Sicherheitspolitik

  • Eine gemeinsame EU-Strategie, um "europäische Interessen" weltweit durchzusetzen.
  • Mehr gemeinsame EU-Maßnahmen, um Krisen zu bekämpfen.
  • EU-Armee (durch die Hintertür): Eine gemeinsame zivil-militärische Kommandokette und eine gemeinsame Finanzierung von Truppen, die der EU zur Verfügung stehen.
  • Eine Erhöhung und engere Koordinierung der Rüstungsausgaben.
  • Mehr gemeinsame Investitionen in "Konfliktvermeidung" und "Terrorbekämpfung".
  • Längerfristig mehr Kompetenzen für den europäischen Generalanwalt bei der Bekämpfung von organisiertem Verbrechen und Terror.

Gemeinsame europäische Asyl- und Migrationspolitik

  • Ein dauerhafter und verpflichtender Mechanismus zur Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten, wobei Frankreich und Deutschland zusammen mit anderen "gleichgesinnten Staaten" vorangehen wollen.
  • Mehr Kooperation bei der Integration von Flüchtlingen.
  • Gemeinsame Regeln für die Einreise von "Wirtschaftsmigranten" in die EU.
  • Gemeinsame europäische Einreisegenehmigung für Menschen aus Nicht-Visa-pflichtigen Drittländern.
  • Gemeinsame Kontrolle über die EU-Außengrenzen durch die FRONTEX-Agentur.
  • Gemeinsame europäische Asylstandards, wobei Asylsuchende zwingend nach den Genfer Flüchtlingskonvention behandelt werden sollen, egal wo sie in die EU einreisen.
  • Zurückdrängung der "irregulären Migration" durch Verbesserung der Lage in Herkunfts- und Transitstaaten.

Da der Widerstand gegen die neuen EU-Pläne insbesondere in den osteuropäischen Ländern groß sein dürfte, schlagen Bundesaußenminister Steinmeier und sein französischer Amtskollege Ayrault ein "Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten" vor. Es sollen also jeweils die "willigen" EU-Staaten in einzelnen Bereichen kooperieren, wobei später weitere Staaten hinzukommen können.

Das Originaldokument, das der polnische Fernsehsender TVP Info veröffentlicht hat, finden Sie im Anschluss:

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234 Kommentare

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  • Marco Soda
    Marco Soda

    Ach was Sie entscheiden wer was darf ?? In habe nur das doppel gemobbel angesprochen, nicht mehr und nicht weniger . Diese Zurechtweisung kommt jenau vom richtigen

    15:31 Uhr, 29.06.2016
    2 Antworten anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • Rolli1001
    Rolli1001

    Leute die auf einer Insel leben und auch noch auf der falschen Seite Auto fahren

    kannst doch nicht wählen lassen :-)

    11:54 Uhr, 29.06.2016
  • ghuz
    ghuz

    Viel dank für eure Kommentare sehr lesenswert, weiter >zusammen< Diskutieren nicht streiten gefällt mir :)

    11:08 Uhr, 29.06.2016
  • PThompson
    PThompson
    00:45 Uhr, 29.06.2016
  • motörhead
    motörhead

    Leute, pumpt euch runter. Mannomann, die 80er, die waren schon okay, aber die 1970er fand ich noch besser. Ging alles irgendwie viel entspannter, lockerer über die Bühne. Gerade im Grenzgebiet zu Holland. Da hatten wir noch keine EU, dafür um so längere Haare. Da konnte man auch noch entspannt mit ner Kippe oder einer Tüte im Mundwinkel in der Kneipe, auf dem Balkon und sonstwo sitzen und ein Bierchen trinken. Amsterdam war nicht weit weg. Trotz Schlagbaum und Zoll. Selbst die Birkenstocksandalenträger haben voll mitgezogen -nicht nur an den Tüten, auch am Bierglas-, was man von deren Kindern ja nicht mehr sagen kann.Leider. Die trinken jetzt Karottensaft und wollen mir die Welt erklären. Egal, mir wäre es zwar lieber gewesen dass die Briten drinne geblieben wären, aber so ist nun mal Demokratie. Ich für meinen Teil glaube, dass es einige Jahre dauert, bis der Austritt vollzogen wird, trotz aller Fanfarenstösse aus Brüssel und Berlin. Das wird der Kapitalmarkt irgendwann kapieren. Sei gierig wenn Panik herrscht. Gute Unternehmen in die es zu investieren lohnt, gibt es auch trotz Brexit.

    23:10 Uhr, 28.06.2016
  • LAM
    LAM

    Sehr geehrter Herr Sudkamp,

    Sorry ich kenne Sie nicht aber alles was Sie hier schreiben klingt irgendwie relativ zusammenhangslos und jedesmal dieses "jetzt nochmal zum Abschluß" und das zum 50igen male macht Sie nicht glaubwürdiger sry. Das einzige was ich feststelle ist der plumpe Versuch permanent zu polarisieren.

    Aber nur in die Richtung die Ihnen zusagt... und was Ihrer persönlichen Weltanschauung enspricht (macht ja jeder) aber in Ihrer Vehemenz (sieht man schon an der Anzahl der Kommentare) ist das schon fanatisch.

    Beruhigen Sie sich niemand hier im Forum wird daran etwas ändern egL ob es Ihrer Sicht der Dinge oder doch der anderen entspricht.

    Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall eine geruhsame Nacht!

    22:41 Uhr, 28.06.2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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