Gefährliche Realitätsverweigerung am Aktienmarkt?
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- S&P 500 - WKN: A0AET0 - ISIN: US78378X1072 - Kurs: 4.138,12 Pkt (S&P)
Auf der Pressekonferenz zum Fed-Zinsentscheid in der vergangenen Woche sagte Fed-Chef Jerome Powell ziemlich klar, dass es in diesem Jahr wohl nicht zu Zinssenkungen durch die US-Notenbank kommen dürfte. "Angesichts unseres Ausblicks sehe ich einfach nicht, dass wir dieses Jahr die Zinsen senken werden", meinte Powell. Der Notenbankchef begründete seine Erwartung mit der nach wie vor zu hohen Inflation, die wohl nicht schnell genug sinken werde, um Zinssenkungen noch in diesem Jahr zu rechtfertigen. Zugleich betonte Powell die Datenabhängigkeit der Fed-Geldpolitik. Sollte die Inflation schneller sinken, als man das aktuell erwarte, könnte sich an der Absage an Zinssenkungen etwas ändern, deutete Powell an. Das sei aber nicht das Basisszenario der Fed.
Die Finanzmärkte ignorieren seit Monaten beharrlich die Aussagen der Fed, dass Zinssenkungen so schnell nicht zu erwarten sein dürften. Bereits für den Zinsentscheid im September wird die erste Zinssenkung durch den Markt erwartet. Bis zum Jahresende preisen die Finanzmärkte sogar insgesamt drei Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte ein. Am vergangenen Donnerstag, nur einen Tag nach den Aussagen von Fed-Chef Powell, gingen die Märkte kurzzeitig sogar von einer ersten Zinssenkung bereits im Juni oder Juli aus, weil sich die Bankenkrise an diesem Tag zuspitzte. Nach der Erholung der Aktien vieler Regionalbanken änderte sich die Einschätzung am Freitag aber dahingehend, dass die erste Zinssenkung wieder für September erwartet wurde.
In der unterschiedlichen Sichtweise zwischen den Finanzmärkten und der Fed über den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung sieht Staranalyst Marko Kolanovic von JPMorgan eine gefährliche Realitätsverweigerung der Märkte. Konkret gebe es sogar eine Diskrepanz zwischen dem Anleihemarkt, dem Aktienmarkt und der Notenbank, meint der Leiter der globalen Marktstrategie bei JPMorgan. "Es besteht weiter eine Dissonanz zwischen dem Anleihemarkt, der für dieses Jahr Zinssenkungen erwartet, der Interpretation des Aktienmarkts, der diese möglichen Senkungen als positiv für Risiko(-assets) betrachtet, und der Rhetorik der Fed, die keine Zinssenkungen sieht", schrieb Kolanovic in einem Kommentar an die Kunden der Bank.
Die Interpretation, dass die Zinssenkungen dabei positiv für den Aktienmarkt sein könnten, will Kolanovic nicht gelten lassen: "Was Aktienmärkte (und allgemeiner Risikomärkte) nicht anerkennen wollen, ist die Tatsache, dass wenn Zinssenkungen in diesem Jahr stattfinden, es entweder aufgrund des Beginns einer Rezession oder einer bedeutenden Krise auf den Finanzmärkten sein wird", schreibt Kolanovic. Eine Rezession oder eine Finanzkrise wären aber alles andere als positiv für Aktien und andere Risikoanlagen.
"Die Diskrepanz zwischen dem Anleihemarkt, Aktienmarkt und der Fed wird sich wahrscheinlich zulasten des Aktienmarkts schließen", meint Kolanovic. Würde es tatsächlich zu Zinssenkungen kommen, wie das der Markt erwartet, wäre es höchstwahrscheinlich das Ergebnis eines Risk-off-Ereignisses mit einem Kursrutsch am Aktienmarkt. Die Aktienmärkte dürften sich für den Rest des Jahres wohl schwächer entwickeln, erwartet Kolanovic.
Kolanovic verwies auch darauf, dass die Marktbreite der jüngsten Kursrally möglicherweise die "schwächste jemals" sein könnte. Die Kursgewinne in den Indizes waren hauptsächlich auf wenige Mega-Cap-Namen zurückzuführen, während die Mehrzahl der Aktien weit schlechter performte.
Kritisch angemerkt werden muss allerdings, dass die Bilanz von Kolanovics Prognosen zur Marktentwicklung durchwachsen ist und er in der Vergangenheit wiederholt falsch lag mit seinen Prognosen.
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