Kommentar
15:02 Uhr, 16.04.2024

Für ein Soft Landing braucht es Zinssenkungen

Die Notenbank ist sich meiner Ansicht nach zu sicher, dass sie bei Zinssenkungen mehr Geduld haben kann.

Die Sicherheit der Notenbank spiegelt sich inzwischen auch in den Zinserwartungen der Anleger wider. Für Juni wird nicht mehr mit der ersten Zinssenkung gerechnet. Anleger erwarten im Juni einen Leitzins von 5,3 %. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung liegt bei weniger als 30 % (Grafik 1).

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Nun könnte die erste Zinssenkung auch einfach im Juli statt im Juni erfolgen, doch auch davon gehen Anleger nicht mehr aus. Für Dezember erwarten sie einen Leitzins von 4,9 %. Es gibt sogar eine Wahrscheinlichkeit von knapp 10 % dafür, dass der Leitzins bis Dezember überhaupt nicht gesenkt wird (Grafik 2).

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Mit diesen Erwartungen ist mehr eingepreist als die Notenbank selbst vorgibt. Die jedes Quartal veröffentlichte Prognose, die zuletzt drei Zinssenkungen in Aussicht stellte, gilt inzwischen zwar als überholt, doch wenn Anleger aktuell weniger als zwei Zinssenkungen bis Jahresende erwarten, dürfte dies mehr als ausreichend sein, um für positive Überraschungen zu sorgen.

Die positive Überraschung ist mit Vorsicht zu genießen. Zwei oder mehr Zinssenkungen sind zwar in Bezug auf die aktuellen Erwartungen als positiv zu werten, doch der Grund für zwei oder mehr Zinssenkungen ist nicht positiv. Darüber, dass der Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten wahrscheinlich Schwäche zeigen wird, hatte ich bereits berichtet.


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Erschwerend kommt hinzu, dass die Historie wenig ermunternd ist, was Zinsplateaus und eine steigende Arbeitslosenrate anbelangt. An hohen Zinsen festzuhalten, wenn die Arbeitslosenrate langsam zu steigen beginnt, endete zur Jahrtausendwende und 2007/08 im Desaster (Grafik 3).

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Man fragt sich inzwischen ohnehin, was an der jetzigen Situation so viel schlimmer ist als 1999 oder 2006/07. Die Inflationsrate war in diesen Jahren ähnlich hoch und volatil wie jetzt (Grafik 4). Die Notenbank entschloss sich im Jahr 2000 dennoch dazu, die Zinsen zu senken, obwohl die Inflationsrate noch nicht eindeutig einen Trend nach unten auswies. 2007 wurden die Zinsen gesenkt, obwohl die Inflationsrate gerade stark anstieg.

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Aktuell bewegt sich die Inflationsrate seitwärts und die Arbeitslosenrate ist bereits von 3,4 auf 3,8 % gestiegen. Dieser Anstieg dürfte sich fortsetzen. Ohne Zinssenkungen ist ein Anstieg auf 4,5 % bis Jahresende denkbar. Die Zinswende hinauszuzögern gibt mehr Gewissheit, dass eine zweite Inflationswelle ausbleibt. Eine weiche Landung wird dadurch unwahrscheinlicher. Schon jetzt ist klar, dass es für eine weiche Landung knapp wird. Selbst drei Zinssenkungen in diesem Jahr könnten dafür zu wenig sein.

Die Notenbank ist sich zu sicher, dass eine weiche Landung gelingt. Anleger sind sich inzwischen weniger sicher. Das ist gut so.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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