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12:13 Uhr, 10.06.2010

Frische Brise für die Offshore-Windenergie

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Direkt nach der Inbetriebnahme von Deutschlands erstem Offshore-Windpark Alpha Ventus in der Nordsee ist Baubeginn für die erste Ostsee-Windfarm. Jeweils 50.000 Haushalte sollen versorgt werden. Nach langen Jahren von Trial & Error findet die deutsche Offshore-Windkraftindustrie in die Spur. Doch Anleger sollten mit Bedacht investieren: Die zunehmende Geldknappheit der öffentlichen Hand, die mit staatlichen Subventionen die Windkraft päppelt, hängt wie ein Wetterleuchten über dem Horizont.

Weit draußen vor der niedersächsischen Nordseeküste in der Deutschen Bucht, 45 Kilometer von der Insel Borkum entfernt, drehen sich seit Ende April 2010 zwölf gigantische Windräder der 5-Megawatt-Klasse. Sechs Aggregate haben eine Nabenhöhe von 85 m und einen Rotordurchmesser von 116 m. Die anderen sechs Windräder sind sogar noch größer: Sie beeindrucken mit einem Rotordurchmesser von 126 m in 92 m Höhe. Zwanzig Jahre sollen diese fest in der See verankerten Anlagen halten. Jährlich kann theoretisch eine Strommenge von 60 Megawatt (MW) produziert werden, die dem Verbrauch von 50.000 Haushalten entspricht. Gekostet hat die Windkraftanlage auf einer Fläche von knapp vier Quadratkilometern 250 Mio Euro. Gebaut von einem gemeinsamen Konsortium der Unternehmen EWE, E.ON und Vattenfall Europe, hat der Oldenburger Energieversorger EWE schon das nächste Projekt in der Nordsee auf den Weg gebracht. Der Meereswindpark Riffgat, ebenfalls vor Borkum, ist auf sechs Quadratkilometern für 260 MW ausgelegt – genügend Energie für mehr als 112.000 Haushalte. 2012 soll die Anlage in Betrieb gehen, die Kosten werden auf 480 Mio Euro geschätzt.

Alpha Ventus: Zwölf Windräder können bis zu 50.000 Haushalte versorgen

Und auch in der Ostsee wird ab Anfang Mai dieses Jahres gebaut: Der Offshore-Windpark Baltic 1, weit im Meer vor der Halbinsel Darß-Fischland, soll mit 21 Windenergieanlagen und einer installierten Gesamtleistung von 50 MW bis Ende 2010 rund 50.000 Haushalte versorgen. Die einzelnen Windräder werden den Meeresspiegel um 125 bis 163 Meter überragen. Bauherr und Betreiber ist der baden-württembergische Versorger EnBW.
Wie Alpha Ventus ist auch Baltic 1 ein Pionierprojekt, denen zahlreiche Großanlagen folgen sollen. Insgesamt fünf Ostseewindparks mit einer installierten Gesamtleistung von rund 2000 MW sind laut der Deutschen Energie-Agentur (dena) bereits genehmigt, acht Anfragen (insgesamt 1800 MW) werden derzeit bearbeitet. So ist die Baugenehmigung für Baltic 2 im Seegebiet Krieger Flak erteilt: Insgesamt sollen im Länderdreieck von Dänemark, Schweden und Deutschland 80 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 300 Megawatt ins Meer gebaut werden. Der Windpark wird 30 Kilometer vor Rügen eine Fläche von 27 Quadratkilometern umfassen. Gefördert wird das Gemeinschaftsprojekt der Länder Deutschland, Dänemark, Polen und Schweden von der EU. Bauherr ist wiederum der Energieversorger EnBW, der zusätzlich zwei weitere Windparks in der Nordsee mit jeweils ca. 400 MW plant. In den deutschen Hoheitsgewässern der Nordsee sind nach Angaben der dena insgesamt 20 Offshore-Windparks mit einer Gesamtleistung von 19.500 MW genehmigt, knapp 40 weitere (16.000 MW) durchlaufen derzeit das Genehmigungsverfahren.

Offshore-Windparks soll im Energiemix der Zukunft eine wichtige Bedeutung zukommen. Mit ihnen scheint die Vision einer umweltschonenden Energieversorgung mit geringerer Abhängigkeit von Kohle, Gas und Öl greifbar. „Ziel ist eine installierte Offshore-Leistung von 25.000 MW bis zum Jahr 2030“, hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen bei der Einweihung von Alpha Ventus den Kurs vorgegeben.

Vorangetrieben wurde die Entwicklung der Offshore-Windenergieerzeugung durch konsequente staatliche Förderung. Im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erhielt die Branche jahrelang milliardenschwere Zuschüsse. Die wurden gebraucht, denn Deutschland hat im Gegensatz zu seinen Nachbarländern besonders hohe Auflagen für Offshore-Anlagen erlassen. Weil der Mindestabstand zur Küste mindestens 30 Kilometer betragen muss, fällt der Logistikaufwand ungleich größer aus als in Nachbarländern, die ihre Windparks in Sichtweite der Strände zulassen. Weil beim Pilotprojekt Alpha Ventus 150 Meter hohe und 1000 Tonnen schwere Türme auf 40 Meter unter der Wasseroberfläche liegende Fundamente gehievt werden mussten, reichten konventionelle Kranschiffe nicht aus. So wurde für den Bau von Alpha Ventus das größte Hochsee-Arbeitsschiff der Welt ,„Thialf“, aus den Niederlanden gemietet.

Thialf: Der größte Schwimmkran der Welt kann Lasten bis 14.200 Tonnen heben

Aufgrund der Schwierigkeiten und Verzögerungen beim Anlagenbau im Verbund mit gestiegenen Anlagekosten besserte die Bundesregierung ihre Förderung auf: Während die Unternehmen anfänglich ursprünglich rund 9 Cent pro Kilowattstunde für Offshore-Strom erhalten sollten, wurden die Sätze im vergangenen Jahr auf 15 Cent für die ersten zwölf Jahre angehoben – etwa das Dreifache des Börsenpreises und deutlich mehr, als Windkraftbetreiber an Land erhalten. Kritiker des Offshore-Stroms monieren deshalb, dass die Energieerzeugung im Meer nicht konkurrenzfähig werden kann.

Zudem entspricht die installierte Leistung bei weitem nicht der tatsächlichen Stromproduktion: Ein einzelner Windpark in der Nordsee läuft laut dem – wohlwollenden - Greenpeace-Report „Die [R]Evolution des Stromnetzes in der Nordsee“ nur an 1.120 Stunden im Jahr (12,8 Prozent) auf Volllast. Weil im gesamten Nordseegebiet jedoch durchgängig Wind zur Stromerzeugung aus Offshore-Windparks zur Verfügung steht, könnte über alle geplanten Anlagen hinweg während 80 Prozent der Zeit die Stromproduktion bei rund 15,5 Prozent der installierten Leistung liegen. Erschwerend hinzu kommt die bislang noch offene Frage der Speicherung des Windstroms. Für eine stetig gleichbleibende Einspeisung der Windenergie ins Stromnetz müssen noch Mittel und Wege gefunden werden. Auch die Kosten für den erforderlichen Ausbau der Stromnetze im Meer und auf dem Festland könnten Energieversorger auf den allgemeinen Strompreis umlegen. Gewarnt wird vor der Federführung großer Energiekonzerne bei Offshore-Projekten. Weil die Betreiber der Testanlage „Alpha Ventus“ zugleich Betreiber von Kohle- und Atomkraftwerken sind, ist fraglich, ob diese Konzerne Wert auf eine rasche Energiewende legen, die mit ihren bisherigen Cashcows in Konkurrenz tritt. Experten fordern deshalb mehr staatlichen Einfluss, vor allem auf EU-Ebene, umdie europäischen Windparks an den Küsten der Nordsee zu vernetzen und dadurch die Windausbeute zu erhöhen. Doch in Zeiten knapper Kassen und zwischenstaatlicher Spannungen über die Frage, wie die Finanz- und Wirtschaftskrise und der Niedergang des Euro gemeistert werden sollen, könnte die gemeinsame europäische Abstimmung schwierig werden.

Dennoch werden der Branche im Allgemeinen gute Perspektiven bescheinigt. Windkraft gilt als die zukunftsträchtigste unter den erneuerbaren Energien. Offshore-Experten rechnen aufgrund der neuen 15-Cent-Vergütung mit Renditen von rund zehn Prozent. Damit werden die deutschen Windparks auch für Finanzinvestoren interessant. Wer bereits in der Vergangenheit zum richtigen Zeitpunkt Aktien kaufte, konnte richtig gut verdienen. Der Kurs des Windanlagenbauers Repower etwa verzehnfachte sich in den vergangenen fünf Jahren. Von einem drastischen Einbruch im Herbst 2008 haben sich die Titel allerdings bis heute nicht ganz erholt. Weniger Erfolg ist Nordex vergönnt. Die Aktie büßte seit einem Jahr ein Drittel ihres Wertes ein. Im Fünfjahres-Vergleich hat sich die Aktie aber immerhin vervierfacht.

Mehr über die Kursentwicklung von Offshore-Windanlagenherstellern lesen Sie in der kommenden Ausgabe unserer Newsletter-Publikation "Klimawandel & Investments", die am 15. Juni erscheint. Den Newsletter können Sie unter www.godmode-trader.de/service/newsletter/b2c kostenlos abonnieren.

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