Kommentar
09:34 Uhr, 17.05.2012

Fixed Income: Langeweile oder Goldgrube?

Wenn ich gefragt werde, wie ich meine jährliche Performance erreiche, verblüfft die Antwort die meisten. Ein Drittel der Rendite kommt inzwischen aus dem Fixed Income Bereich. Unweigerlich folgt dann die Frage, wie es möglich ist, mit (vor allem) Anleihen überhaupt eine sinnvolle Performance zu erreichen. Trotz des Schuldenschnitts in Griechenland werden Anleihen immer noch mit renditearmen Staatspapieren assoziiert. Dieser Markt ist zwar mit Abstand der größte, allerdings bieten vor allem exotische Länderanleihen hohe Renditechancen.

Mit Anleihen kann auf zwei Arten Geld verdient werden. Entweder konzentriert man sich auf Anleihen, die einen hohen Kupon zahlen oder eine relativ kurze Restlaufzeit haben und einigermaßen stabil sind (buy and hold) oder man tradet Anleihen aktiv. Vor allem die zweite Möglichkeit stößt oft auf Verwunderung, da Anleihen nicht gerade als Trading Vehikel bekannt sind. Schuldverschreibungen können aber genauso risikoreich und volatil sein wie Aktien. Im Zuge der Finanzkrise 2008 und 2009 sind viele exotische Papiere deutlicher gefallen als die Aktienmärkte. Das Investieren und Traden von Anleihen ist also keinesfalls ein Selbstläufer. Mit der richtigen Auswahl hingegen lassen sich anständige Renditen erwirtschaften.

Wer z.B. auf der Seite der Börse Stuttgart, Düsseldorf oder Berlin nach Anleihen sucht, findet schnell Papiere mit sagenhaften Jahresrenditen von 50% oder mehr. Für eine buy and hold Strategie sollte man alle Titel mit mehr als 20% Jahresrendite sofort ignorieren. Die Grenze von Investment Grade und Junk Bonds verläuft sogar noch einmal deutlich tiefer bei ca. 12-13% p.a. In der Renditerange von 10-20% gibt es aber deutliche Differenzierungen. Ein Blick auf die Credit Ratings lohnt sich also. Die erste Grafik zeigt den Zusammenhang von Rating, Kreditausfallwahrscheinlichkeit und Rendite. Die Renditekurve ist eine grobe Approximation an das, was derzeit bei Laufzeiten von 3-5 Jahren an Rendite erzielt werden kann. Die noch als Investment Grade bezeichneten Anleihen haben bei einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,37% eine Rendite von ca. 4% zu bieten. Der Bereich ist allerdings stark untergliedert. Einige Anleihen im BBB Bereich rentieren bei 1,5% andere bei 12%.

Abb.1 : Zusammenhang von Rating, Kreditausfallwahrscheinlichkeit und Rendite

Diese enormen Ertragsunterschiede sind schon bemerkenswert, bedenkt man, dass bei gleichem Rating die Kreditausfallwahrscheinlichkeit dieselbe sein sollte. Die hohen Differentiale lassen sich vor allem auf Ratingausblick und Laufzeit zurückführen. Wenn etwa eine Unternehmensanleihe noch ein Jahr Restlaufzeit bei positivem Ausblick hat, rentiert sie natürlich unter Anleihen von Unternehmen mit negativem Ausblick und 5 Jahren Restlaufzeit. Mit der Beziehung von Rating und Ausfallwahrscheinlichkeit lassen sich interessante Zahlenspiele veranstalten. Diese Zahlenspiele suggerieren die höchsten Gewinne bei maximalem Risiko. Der Gedanke dahinter ist einfach. Kaufe ich nur CC Anleihen muss ich damit rechnen, dass jede sechste Anleihe ein Totalverlust wird. Da ich aber 26% p.a. pro Anleihe generieren kann, macht der Ausfall nichts, wenn ich mindestens 6 Anleihen halte. Fällt tatsächliche eine aus bleibt mir immer noch ein Ertrag von 9%. Natürlich gibt es einen Haken an der Sache. Die Finanzkrise hat das eindrucksvoll bewiesen. Viele Investoren haben genau diese Rechnung angestellt, die in der Tabelle zu sehen ist. Durch die Krise erhöhte sich einerseits die Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Rechnung stimmte also nicht mehr. Die Konsequenz war, dass aus theoretisch +9% schnell eine negative Rendite werden konnte. Andererseits ist man als Investor dem Risiko ausgesetzt, dass nicht nur statt jeder sechsten jede fünfte Anleihe ausfällt, sondern auch, dass man in seinem Portfolio überproportional viele Anleihen hat, die ausfallen werden. Den Prozentsatz an Anleihen im Portfolio, die ausfallen werden, kennt der Investor im Voraus nicht. Wer in den USA etwa eines der strukturierten Portfolios kaufte, welches in einer besonders von Kreditausfällen betroffenen Region exponiert war, hat schnell sehr viel Geld verlieren können.

Als Anleger sollte man mit solchen Rechnungen, die zugegebenermaßen sehr verlockend sind, sehr vorsichtig sein. Die Rechnung stimmt nämlich nur kurzfristig. Die Gegebenheiten können sich so schnell ändern, dass man ganz plötzlich auf riesigen Verlusten sitzt. Bei der Auswahl von Anleihen für buy and hold Strategien ist es daher besonders wichtig, auf die Perspektiven von Unternehmen oder Staaten zu achten. Eine grobe Analyse sollte man über das einfache Betrachten der Kreditratings also unbedingt durchführen. Eine Möglichkeit, das Risiko zu begrenzen, ist die Auswahl von Anleihen mit kurzer Laufzeit. Damit umgehe ich langfristige Risiken wie Finanzkrisen usw. Laufzeiten von ein bis zwei Jahren beseitigen viele Probleme. Der Verzicht auf zusätzliche Rendite aufgrund kürzerer Laufzeiten sollte unbedingt gemacht werden. Griechische Anleihen standen bis kurz vor dem beginnenden Kollaps 2010 bei 100% der Nominale. Danach ging es für zehnjährige Papiere zunächst rasch auf 60%, dann 40% und zuletzt auf 20% vor dem Schuldenschnitt - und das alles in zwei Jahren!

Für Laufzeiten über einem Jahr finde ich persönlich einen anständigen Kupon ganz hilfreich, da so bei längerer Kapitalbindung zumindest ein gewisser Cash Flow entsteht. Fast schon ein Klassiker unter den Anleihen ist die Petroleos de Venezuela Anleihe XS0460546525mit einem Kupon von 5% und einer Rendite von 13% p.a. bis Laufzeitende im Oktober 2015. Diese Anleihe, wie viele andere auch, notieren in USD. Anleger müssen daher auf Wechselkursrisiken achten. Ein anderer interessanter Kandidat ist eine pakistanische Staatsanleihe mit 7,125% Zinsen und 13,5% Rendite bei einer Laufzeit bis Ende März 2016 (USY8793YAK83). Anhand der Beispiele merken Sie bereits, dass man als Anleger abseits der großen, bekannten Märkte unterwegs sein muss. Es gibt allerdings auch deutsche Unternehmensanleihen mit hohem Kupon und Rendite, wie etwa eineAnleihe von Air Berlin mit einem Kupon von 11,5% und einer Rendite von 12% p.a. bis 1.11.2014 (DE000AB100C2). Spannend ist auch ein Papier der griechischen Telekomgesellschaft OTE mit einem Kupon von 5% und einer Rendite von 30% (XS0173549659). Das Rating beträgt hier lediglich B. Dabei dürfte die generelle Lage des Landes eine große Rolle spielen. Bei einer Laufzeit bis August 2013 stehen die Chancen allerdings nicht schlecht, dass das Unternehmen „durchhält“, zumal die Deutsche Telekom mit 40% an der Gesellschaft beteiligt ist. Hier kann darauf spekuliert werden, dass die Telekom im Notfall einspringt, indem sie ihren Anteil erhöht. Trotz der lukrativen Daten zur OTE und Air Berlin Anleihe sind diese Papiere wohl eher ein Kandidat für die Watchlist und für die zweite Kategorie: dem Anleihen Trading.

Ich bevorzuge das Trading von Anleihen, da es einerseits Kapital nicht allzu lange bindet und das Risiko durch kürzere Haltedauer reduziert. Wer nämlich eine Rendite von 10% oder mehr durch buy and hold generieren möchte, ist unweigerlich dem Trade-Off von Risiko und Ertrag ausgesetzt. Obwohl größere Unternehmen wie die griechische Telekom nicht einfach mal ebenso Pleite gehen, sollte die Möglichkeit nicht unterschätzt werden. Bei vielen anderen Anleihen kommt noch das Wechselkursrisiko hinzu. Lediglich Schuldverschreibungen von internationalen Institutionen wie der Weltbank oder Entwicklungsbanken können hier sehr interessant sein. Diese Institutionen verfügen häufig über ein AA Rating oder besser und bieten Kupons von 7-14%. Einziger Wermutstropfen sind die Währungen, in denen diese Anleihen notieren. Sehr beliebt ist die türkische Lira. Bei hoher Kreditsicherheit und Renditen von 8-10% und eindeutiger Haltedauer lässt sich das Risiko mit Optionsscheinen auf das jeweilige Währungspaar gut minimieren ohne zuviel an Rendite zu verlieren.

Die Auswahl von Anleihen für das Trading erfolgt genau konträr zur buy and hold Strategie. Hier geht es darum, Anleihen mit möglichst hohen Renditen zu analysieren. Zu diesem Zweck lässt man alles, was weniger als 20% p.a. Bringt, außen vor. Anleihen die im Bereich 20-100% p.a. rentieren gehören einer von zwei Kategorien an. Die hohe Rendite ist entweder darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen oder Staaten kurz vor dem Bankrott stehen oder ein externer Schock hat zu starken Kursverwerfungen geführt. Zu letzterem gehören vor allem Emerging Market Bonds. Was ein externer Schock ist, ist letztlich irrelevant. Zu erkennen ist er an einer generellen Liquidierung aller Assetklassen. Diese Schocks kommen regelmäßig vor. Der größte war sicherlich 2008 als nach der Lehman Pleite alles liquidiert wurde, was nicht bei 3 auf den Bäumen war. Es braucht aber nicht gleich solche Horrorszenarien. Ein einfacher Aktiencrash wie im August 2011 reicht schon aus. Anleihen des Emirats Dubai stürzten innerhalb von 2 Monaten um 20% ab, argentinische um 50%, pakistanische um 25% usw. 2008 lag der durchschnittliche Verlust solcher Anleihen zwischen 30 und 60%, in einigen Extremfällen sogar noch höher. Solche Kursstürze haben nichts mit Bonität zu tun. Wenn ein Markt in Panik ist, greift diese Panik fast automatisch auf andere Märkte über. Gewinne werden gesichert bzw. es wird versucht Verluste zu vermeiden und das, obwohl es keinen Grund gibt, am Investment selbst zu zweifeln. Wem Pakistan und Venezuela diesbezüglich zu heiß ist, kann auch auf relativ solide Staatsanleihen zurückgreifen wie etwa brasilianische. Hier betragen Kursabschläge zwar nur zwischen 5 und 10%, dafür kann man jedoch mit großer Gelassenheit innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens diese Abschläge wieder reinholen. Der Trick ist letztlich gute Anleihen zu kaufen, wenn sie keiner mehr haben möchte, weil gerade Panik herrscht. Emerging Market Bonds sind hier besonders geeignet, da das gehandelte Volumen meist sehr dünn und das Emissionsvolumen relativ klein ist. Wenn bei einem Emissionsvolumen von 200 Millionen USD innerhalb kurzer Zeit 10 oder 20 Millionen verkauft werden drückt das den Preis entsprechend.

Die zweite Kategorie an Trading Kandidaten sind Anleihen von Unternehmen, die derzeit unter hohem Druck stehen. Es geht hierbei tatsächlich um vom Bankrott bedrohte Unternehmen. Solche Anleihen zu handeln macht natürlich nur Sinn, wenn man davon überzeugt ist, dass das Unternehmen letztlich nicht in die Pleite geht bzw. die Schulden unter Wert gehandelt werden. Es geht also um den Kauf von Distressed Assets. Einige Investmentbanken und Investoren hatten den Mut, Assets aus der Konkursmasse von Lehman Brothers herauszukaufen, was überwiegend belohnt wurde, teils mit der Vervielfachung der Werte. Für Kleinanleger ist es schwierig solche Schnäppchen zu machen. Das Segment ist aber dennoch lukrativ. Momentan sollte man unbedingt die Solarbranche auf der Watchlist haben. Derzeit geht ein Unternehmen nach dem anderen Bankrott. Die Angst, dass auch noch existierende Solarfirmen folgen, ist berechtigt. Das zeigt sich nicht nur in den Aktienkurse mit Abschlägen von 80% auf die Höchststände sondern auch in den Anleihekursen. Die meisten rentieren derzeit über 50% p.a. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die ganze Branche verschwindet. Einige Unternehmen werden den derzeitigen Exodus überleben. Hier lohnt sich ein genauer Blick auf Unternehmenskennzahlen. Sobald sich eine Trendwende abzeichnet, ist das ein guter Zeitpunkt, um bei den Schulden zuzugreifen. Kursgewinne im Bereich von 30-50% sollten dann keine Seltenheit sein.

Sie sehen, Anleihen sind alles andere als langweilig. Eine simple buy and hold Strategie sollte nur bei Anleihen im Investment Grade mit begrenzter Laufzeit angewendet werden. Ausnahmen sind Anleihen von internationalen Institutionen, sofern Sie sich gegen Wechselkursrisiken absichern können. Investitionen in Distressed Assets sind hochspekulativ und können im Totalverlust enden. Ein Investment ist nur anzuraten, wenn alle Risikofaktoren analysiert wurden und ein entsprechendes Wissen über das Unternehmen und die Branche vorhanden ist. Am lukrativsten ist das Handeln von Anleihen in Ausnahmesituationen. Beim nächsten Aktiencrash lohnt es sich, auf solide Emerging Market Bonds zu schauen. Hier sind die Schuldverschreibungen gut und gerne mit 10-20% Abschlag zu haben. Kursgewinne in der gleichen Größenordnung lassen sich meist schon nach wenigen Wochen bis Monaten realisieren. Beachten Sie aber unbedingt, dass das Handeln von volatilen Papieren und dünnem Volumen im Detail recht komplex ist. Mit dem Thema kann man ganze Bücher füllen. Insbesondere sollen Sie die verschiedenen Anleihetypen gut kennen, bevor sie eine Investitionsentscheidung treffen. Oft sehen bestimmte Papiere auf den ersten Blick sehr gut aus, bis man dann feststellt, dass es sich um eine recht kompliziert strukturierte Anleihe handelt. Die in diesem Artikel genannten ISINs stellen entsprechend nur Beispiele dar. Sie können diese verwenden, um sich ein Bild von Anleihen zu machen und sie zu beobachten. Von einem „spontanen“ Investment ist dringend abzuraten. Der momentane Selloff an den Börsen rund um die Angst vor Neuwahlen in Griechenland könnte sich durchaus noch in eine generelle Liquidationspanik entwickeln. Für Staatsanleihen aus soliden Emerging Markets ist dann der richtige Zeitpunkt zum Kauf gekommen.

Viel Erfolg

Clemens Schmale

Technischer Analyst bei GodmodeTrader.de

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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