Kommentar
12:58 Uhr, 20.07.2009

Finanzsektor und zyklische Sektoren im Aufwind

Das zweite Quartal stand im Zeichen einer kräftigen Erholung an den Aktienmärkten, die in der zweiten Märzwoche begann. Bei Investoren setzte sich die Überzeugung durch, dass eine Depression dank offensiver und unkonventioneller staatlicher Maßnahmenpakete abgewendet werden könne. Zudem mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Schrumpfungsprozess an Tempo verliert. In der Folge meldete sich der Risikoappetit in der Anlegerschaft zurück.

Vor allem die risikoreicheren und stärker zyklisch ausgerichteten Sektoren profitierten von der neu erwachten Risikobereitschaft. Bei den Regionen erwiesen sich mit einem Zuwachs von 27,6 Prozent (auf Euro-Basis) wiederum die Emerging Markets als Outperformer, dicht gefolgt von asiatischen Industrieländern (außer Japan) mit 24,9 Prozent. Am schlechtesten schnitten mit 9,7 Prozent die USA ab. Somit beträgt der Abstand zwischen der besten und der schlechtesten Region immerhin 17,9 Prozent.

Rollentausch bei Finanzwerten

Bei den Sektoren fand gegenüber dem ersten Quartal eine Trendwende statt. Nach Verlusten von über 25 Prozent im ersten Quartal legte der Finanzsektor mit Zuwächsen von 30,8 Prozent im zweiten Quartal wieder beträchtlich zu. Während das erste Quartal noch von der Angst vor einem Zusammenbruch des Finanzsystems geprägt war, rückte diese Furcht dank dezidierter wirtschaftspolitischer Maßnahmen in den Hintergrund. Inzwischen ist die Zuversicht in die Branche zurückgekehrt und Banken sind erneut in der Lage, frisches Kapital in Milliardenhöhe am Markt aufzunehmen.

In einigem Abstand zur Finanzbranche folgten vier zyklische Sektoren, wobei der Bereich Grund- und Bauststoffe (Materials) sich mit einer Steigerung von 18,6 Prozent für den zweiten Platz platzieren konnte. Historisch besteht eine starke positive Korrelation zwischen der Wertentwicklung an den Emerging Markets und im Grundstoffsektor. Dank der milliardenschweren Konjunkturpakete der chinesischen Regierung zeichnet sich in China bereits ganz klar ein Aufschwung ab. Entsprechend belebt sich auch wieder die Nachfrage nach Rohstoffen, die weitgehend aus anderen Schwellenländern stammen (vor allem Lateinamerika, z. B. Brasilien).

Deutliche Unterschiede zwischen den Sektoren

Ebenfalls positiv schnitten Industriewerte (17,2 Prozent), gehobener Konsumgüterbereich (15,3 Prozent) und Technologie (14,1 Prozent) ab. Technologiewerte führten bereits im ersten Quartal das Feld an, während Industriewerte hinterherhinkten. Im zweiten Quartal profitierte dieser ausgesprochen zyklische Sektor hingegen von den ersten Anzeichen einer konjunkturellen Erholung.

Im zweiten Quartal kam es zu einer deutlichen Divergenz zwischen den Sektoren: Während zyklische Sektoren beträchtlich an Boden gewannen, fielen defensive Branchen zurück. Dieses Muster lässt sich häufig bei (kräftigen) Kurserholungen an den Aktienmärkten beobachten. Mit nur 4 Prozent schnitt Health Care am schlechtesten ab. Die weiteren Nachzügler waren Telcos (6,5 Prozent), Versorger (7,4 Prozent) und Verbrauchsgüter (8 Prozent).

Die Divergenz zwischen bestem und schlechtestem Sektor betrug im zweiten Quartal 26,8 Prozent, das sind 9 Prozentpunkte mehr als die Differenz zwischen der besten und schlechtesten Region (17,9 Prozent). Dies entspricht weitgehend der Situation im ersten Quartal, wenn auch die Unterschiede nicht ganz so ausgeprägt waren. Seinerzeit betrug die Differenz zwischen bestem (Technologie) und schlechtestem (Finanz) Sektor 24,6 Prozent. Der Abstand zwischen bester und schlechtester Region betrug „nur“ 9,2 Prozent.

Sektorauswahl schafft Wert

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Investoren im zweiten Quartal noch mehr Gelegenheit hatten als im Vorquartal, den Wert ihrer Portfolios durch kluge Sektorauswahl zu heben. Die Länderauswahl war dabei eher zweitrangig, obwohl natürlich Investments in Emerging Markets-Titel erheblich zu einer positiven Performance beitrugen. Was die Sektorenauswahl betrifft, waren Anleger gut beraten, auf zyklische Sektoren anstatt defensive Branchen zu setzen. Belohnt wurden diejenigen, die die Erholung von Finanztiteln vorausgesehen und ihre Portfolios entsprechend umgeschichtet hatten. Die Investition in Sektorenfonds ermöglicht eine weitaus gezieltere Reaktion auf die jeweilige Marktlage, indem konkrete Sektoren ausgewählt werden können.

Von zehn Sektorenfonds übertreffen neun ihre Benchmark

Sofern die richtige Wahl getroffen wird, trägt der klare Fokus auf eine relativ geringe Zahl von Titeln dazu bei, die Benchmark zu übertreffen. Im letzten Jahr ergab sich aufgrund der extremen Volatilität ein gemischtes Bild. Generell waren durch entsprechende Auswahl der Fondsmanager in der zweiten Jahreshälfte Wertsteigerungen zu verzeichnen. Im ersten Quartal setzten Manager verstärkt zyklische Akzente, als sich die ersten Hinweise auf eine zaghafte Erholung abzeichneten. Ferner ergaben sich interessante Chancen bei Titeln, die im vierten Quartal 2008 sowie in den ersten beiden Monaten 2009 schwere Verluste hinnehmen mussten und daher besonders attraktiv bewertet waren.

Im zweiten Quartal übertrafen neun der zehn ING-Sektorfonds ihre Benchmark, den MSCI-Branchenindex. Wegen der enormen Performance-Differenz zwischen defensiven und zyklischen Sektoren schnitten nur vier Branchenfonds besser ab als der breiter aufgestellte Aktienindex, der MSCI World Index, der um 14,6 Prozent stieg. Im ersten Quartal übertrafen sieben der zehn Fonds ihre Benchmark und acht den MSCI World Index. Auch hier gilt, dass durch Wahl der richtigen Sektoren der breite Aktienmarkt geschlagen werden kann.

Aktienmärkte in der „Twilight Zone“

Im Juni kam es an den Aktienmärkten zu einer radikalen Trendwende. Nach einer der stärksten (Bärenmarkt-) Rallys seit Ende des Zweiten Weltkriegs scheinen die Märkte sich jetzt zu konsolidieren. So legte der MSCI World Index im Juni „nur“ um 0,5 Prozent zu. Entsprechend wurden die Gewinner vom April und Mai zu den Verlierern im Juni, als Investoren weniger günstige Wirtschaftsdaten als Anlass zur Gewinnmitnahme nutzten. In der Folge blieben rohstoffabhängige Sektoren wie Grundstoffe und Energie hinter den Erwartungen zurück, aber auch Finanz- und Industrietitel mussten – wenn auch geringfügige – Verluste hinnehmen. Einzig der Technologiesektor schnitt hervorragend ab, aber auch defensive Branchen wie Health Care, Telekommunikation, Verbrauchsgüter und Versorger übertrafen den breiteren Markt.

Nach der kräftigen Rally von März bis Mai dürften die Märkte in den nächsten Monaten wohl eine Verschnaufpause einlegen. Darauf deutete jedenfalls die Entwicklung im Juni hin. Seit der Aktien-Rally und dem Anstieg der Staatsanleiherenditen sind Aktien nicht mehr besonders preiswert. Andererseits sind sie aber auch nicht überteuert. Mit anderen Worten: Aus den Bewertungen lassen sich vorerst keine überzeugenden Verkaufs- bzw. Kaufsignale ablesen.

Das Ende der Angst vor einer möglichen Depression und systemischen Risiken ist eindeutig positiv. Dem steht gegenüber, dass die Weltwirtschaft bis 2010 wohl nicht ausreichend zulegen wird, um das Ertragswachstum zu erzielen, das die Märkte derzeit bereits einpreisen. Die Aktienmärkte scheinen sich in einer Art „Twilight Zone“ zu befinden. Investoren sollten daher nicht ausschließlich auf ein bestimmtes Szenario setzen.

Recht defensive Branchen-Allokation

Wir setzen derzeit auf die folgenden Sektoren: Energie, Versorger, Technologie, Telekommunikation und Health Care. Die Bereiche Energie und Versorger sollten vom kräftigen Anstieg der Ölpreise in den vergangenen Monaten profitieren. Dennoch haben die Erdölkonzerne kaum besser als der Markt abgeschnitten, während Versorger in diesem Jahr erheblich hinter dem MSCI World zurückblieben. Ab nächstem Jahr wird der höhere Erdölpreis die Preise für Strom und Gas in die Höhe treiben, was die Gewinnentwicklung bei den Versorgungsunternehmen beflügeln dürfte. Als weiteres Plus kommt hinzu, dass Erdöl- und Versorgeraktien hohe Dividendenrenditen (5-9 Prozent) abwerfen.

Aber auch Telcos und Health Care-Unternehmen trumpfen mit attraktiven Dividendenrenditen. Vor allem die Bewertungen von Technologieaktien überzeugen, die auch nach der starken Performance in diesem Jahr noch vergleichsweise preiswert sind. Zudem verfügen Technologieunternehmen über ausgesprochen solide Bilanzen.

Bei Industriewerten, Finanzwerten und dem gehobenen Konsumgüterbereich sind wir eher vorsichtig. Insgesamt sind die Bewertungen von Industrieaktien für die aktuelle Zyklusphase zu hoch. Tatsächlich könnten sich sinkende Investitionsausgaben hier als sehr belastend erweisen. Auch Finanztitel sind nicht mehr so preiswert und könnten in den Sog krisenbedingter negativer Zweitrundeneffekte geraten. Ferner dürften Wertberichtigungen durch Kreditausfälle die Gewinnentwicklung belasten. Negativ stufen wir den gehobenen Konsumgüterbereich ein, da infolge steigender Arbeitslosenzahlen, höherer Sparfreude und Schuldenabbau bei Verbrauchern wenig Raum für Konsumausgaben besteht.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen