Kommentar
09:54 Uhr, 14.03.2008

Finanzsektor in heftigen Turbulenzen

Seit dem Sommer 2007 haben Aktien aus der Finanzbranche erhebliche Kurseinbußen hinnehmen müssen, wobei sie unter sämtlichen Branchen eindeutig das Schlusslicht bilden.

Ausgelöst wurden die Turbulenzen, die die weltweiten Finanzmärkte kräftig durchgeschüttelt haben, von der Subprime-Krise in den USA. Seit Anfang 2008 hat sich die Lage insbesondere in den Vereinigten Staaten weiter zugespitzt und dort maßgeblich zu einer Abkühlung der Konjunktur beigetragen. Dort stehen alle Zeichen auf Rezession, da die Krise inzwischen sämtliche Bereiche des Wirtschaftslebens erreicht hat. Angefangen hat alles mit sich häufenden Zahlungsausfällen bei so genannten Subprime-Hypotheken, die an bonitätsschwache Schuldner vergeben wurden. Da viele Banken diese Forderungen verbrieften und dann am Kapitalmarkt weiterverkauften, wurden die Subprime-Kredite rund um den Globus gestreut. Sie tauchten schließlich in den Büchern zahlreicher Banken und Investmentgesellschaften wieder auf. Insbesondere die hohen Abschreibungserfordernisse im Bankensektor sowie dadurch entstehende Quartalsverluste gerade bei großen amerikanischen Kreditinstituten wie Citigroup und Merrill Lynch trugen seit Jahresbeginn zu der deutlichen Stimmungsverschlechterung bei. In Europa machte im Februar vor allem die Schweizer Großbank Crédit Suisse mit einem unerwarteten Wertberichtigungsbedarf von 2,85 Mrd. US-Dollar negativ auf sich aufmerksam. Somit verwundert es wenig, dass sich die Banken gegenseitig nicht mehr über den Weg trauen und die Refinanzierung im Interbanken-Geldmarkt zum Erliegen gekommen ist. Erst gestern haben FED, EZB und weitere führende Notenbanken bekannt gegeben, den Finanzmärkten in einer konzertierten Aktion in den kommenden Wochen mehr als 200 Mrd. US-Dollar an Liquidität zur Verfügung zu stellen.

Die Krise hat sich weiter zugespitzt, da mittlerweile nicht mehr nur Subprime-Kredite betroffen sind, sondern auch Papiere mit besserer Bonität erfasst wurden, in denen beispielsweise gewerbliche Immobilien verbrieft sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Banken von den Hedgefonds verstärkt Margin Calls, also Nachzahlungen auf offene Positionen oder aber eine Senkung der Verschuldung einfordern. Für große Unruhe sorgte beispielsweise zuletzt die niederländische Tochter des amerikanischen Hedgefonds Carlyle Capital, die Verpflichtungen für Margenzahlungen nicht mehr bedienen kann und bereits um einen Zahlungsaufschub gebeten hat. Die erzwungenen Verkäufe von Wertpapieren treffen auf illiquide Märkte, in denen es so gut wie keine Käufer gibt. Entsprechend wurde ein Teufelskreis aus Kursrückgängen und Ausweitungen der Risikoprämien (Spreads) auf Kreditpapiere ausgelöst.

Krisenstimmung im Bankenmarkt

Die aktuell hohen Spreadniveaus werden von den Marktteilnehmern als Maß für die tatsächlich bestehenden Bankrisiken herangezogen und als Indikator für eine deutliche Zunahme der Kreditausfälle in der Zukunft angesehen. Gleichzeitig ist der Bankensektor durch die hohen Abschreibungen ihrer Engagements in Verbriefungen wie CDOs (Collateralized Debt Obligations) und ABS (Asset Backed Securities) geschwächt. Folglich mussten einige Kreditinstitute bereits Kapitalerhöhungen durchführen. Beispiele hierfür sind UBS und Citigroup, bei denen asiatische und arabische Staatsfonds als Retter in der Not eingesprungen sind. Problematisch ist, dass der Wertverfall bei den Kreditverbriefungen noch immer kein Ende gefunden hat. Nochmalige Abschreibungen dürften die Folge sein, was zu weiterem Kapitalerhöhungsbedarf führt. Entsprechend deutlich sind mittlerweile die Gewinnschätzungen der Analysten für den Banksektor zurückgegangen.

Die Marktverwerfungen haben inzwischen alle Bereiche der US-Wirtschaft erfasst. Mit den steigenden Zahlungsausfällen gingen auch die Hauspreise spürbar zurück, was wiederum auf den privaten Konsum drückt. Als Folge hat auch die Zahl der Kreditausfälle in der Industrie und den privaten Haushalten zugenommen. Ein Teufelskreis ist entstanden: In solch einem schwierigen Umfeld sind die Geschäftsmöglichkeiten für die Banken in nächster Zeit beschränkt. Die Nachfrage nach Krediten ist zurückgegangen und gleichzeitig ist die Eigenkapitaldecke vieler Institute sowieso zu schwach, um die Kreditvergabe deutlich auszuweiten. Zudem sind die Geschäftsmöglichkeiten im Investment Banking limitiert, da der Markt aufgrund der hohen Risikoaversion zurzeit keine Aufnahmebereitschaft für Kredit- oder Aktienpapiere zeigt.

Eine der wenigen positiven Nachrichten der letzten Wochen war das Schnüren eines Rettungspakets für den krisengeschüttelten Anleiheversicherer (Monoliner) Ambac, das jedoch auch nur kurzfristig für Erleichterung sorgte. Die Kapitalmaßnahmen von insgesamt 1, 5 Mrd. USD dürften in den Augen vieler Beobachter nicht ausreichen.

Alles in allem befindet sich der Bankensektor gegenwärtig in einer sehr schwierigen Verfassung. Ursprünglich hatten die Marktteilnehmer den Jahresbeginn mit der Hoffnung verknüpft, dass mit der Veröffentlichung der Jahresergebnisse für 2007 ein Großteil der Belastungen aus der Subprimekrise aufgedeckt und verarbeitet werden könnten. Doch besteht bis heute keine Transparenz über die noch in den Bilanzen schlummernden Risiken. Erst gestern tauchten beispielsweise neue Gerüchte über die Zahlungsunfähigkeit der US-Investmentbank Bear Stearns auf, die das Institut jedoch vehement abstritt.

Insgesamt finden nach unserer Ansicht in einigen Marktsegmenten zurzeit deutliche Übertreibungen statt. Die auf dem Markt für risikobehaftete Schuldtitel außerordentlich hohen Spreadausweitungen entsprechen nach unserer Ansicht nicht mehr den tatsächlichen Ausfallrisiken, sondern sind vor allem aus der fehlenden Aufnahmebereitschaft des Marktes entstanden. Allerdings ist angesichts der täglich neuen Hiobsbotschaften noch keine Trendwende absehbar. Folglich ist der Bankensektor im UniSector: Finance A aktuell untergewichtet. Immerhin befindet sich die Branche in Hinblick auf ihre Bewertung im langjährigen Vergleich auf einem Tiefstand.

Finanzdienstleister relativ im Vorteil

Im Gegensatz zu den Banken haben Finanzdienstleister wie beispielsweise Vermögensverwalter den großen Vorteil, dass sie keine Eigenmittel in risikobehaftete Anlageformen angelegt haben. Somit bleibt Ihnen hoher Abschreibungs- bedarf erspart. Kreditkartenunternehmen bekommen im Zuge der Konjunkturverlangsamung ebenfalls höhere Ausfallraten zu spüren, doch halten sich diese bislang in Grenzen.

Versicherungen von Subprime relativ unbelastet

Der europäische Versicherungssektor befindet sich nach einer deutlichen Underperformance gegenüber dem breiten Markt aktuell mit dem 1,1-fachen des adjustierten Buchwertes wieder auf dem niedrigen Bewertungsniveau von 2003. Die Marktteilnehmer differenzierten bei den Finanzwerten kaum zwischen Versicherungs- und Banktiteln, sodass beide Branchen deutlich abgestraft wurden. Das Engagement des Versicherungssektors in strukturierten Anleihen ist jedoch meist relativ gering und zudem von einer relativ hohen Qualität. Zudem sind Versicherungen keine 'Produzenten' von strukturierten Anleihen und halten ihre Investitionen grundsätzlich bis zur Endfälligkeit. Wir sehen deshalb spätestens nach den Zahlen für das erste Quartal 2008 ein überdurchschnittliches Erholungspotenzial für den Versicherungssektor.

Bei den amerikanischen Versicherungstiteln fallen die Bestände in strukturierten Anleihen (beziehungsweise CDS, Credit Default Swaps) mit bis zu 30 Prozent des Eigenkapitals zwar deutlich höher aus als in Europa, aber auch hier weisen die Investitionen eine hohe Qualität aus. Nachdem die US-Versicherungen lange Zeit eine deutlich bessere Wertentwicklung als ihre europäischen Pendants erzielt hatten, sind insbesondere die Lebensversicherer sowie der Marktführer AIG seit Beginn dieses Jahres deutlich eingebrochen. Hier liegen die Bewertungen mit dem 1,0- bis 1,3fachen des Buchwerts ebenfalls auf niedrigem Niveau. Jedoch sehen wir im Falle einer Markterholung höhere Kurschancen in Europa als in den USA, da die amerikanischen Versicherungen mehr risikobehaftete Anlagen in ihren Büchern haben. Aus Branchensicht bleiben wir zunächst bei den Sachversicherungen übergewichtet, da ihre Gewinnentwicklung nur begrenzt von den Kapitalmärkten abhängig ist. Wir meiden weiterhin Versicherungstitel mit überdurchschnittlichen Anlagerisiken.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 163,4 Mrd. Euro verwaltete die Gesellschaft per 31. März 2007. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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