Kommentar
12:06 Uhr, 28.01.2010

Finanzmärkte besorgt um Staatsanleihen

1. Gemischte Nachrichten gibt es über den Zustand der Finanzmärkte nach dem allmählichen Abflauen der panikartigen Zustände, mit denen im Jahr 2008 die Krise ihren Höhepunkt erreicht hatte. Zum einen ging die Erholung der Märkte auch in den ersten Wochen des Jahres grundsätzlich weiter, zum anderen kam es an anderen Stellen zu neuen Problemen.

2. Unser Deka-Finanzmarktstress-Indikator (DFI), mit dessen Hilfe die Verspannung im Finanzsystem in der Europäischen Währungsunion (EWU) bzw. in Deutschland auf einen Blick erfasst werden, zeigte im Dezember und im Januar eine weitere Entspannung der Lage an. Die vier berücksichtigten Teilmärkte (Aktienmarkt, Geldmarkt, der Markt für Unternehmensanleihen sowie der Pfandbriefmarkt) sendeten bereits im Laufe des vergangenen Jahres zunehmend deutliche Entspannungssignale aus. Ja, in den ersten Januartagen wurde sogar mit einem Wert von -0.02 erstmals seit Mitte 2007 wieder die Null-Schwelle unterschritten. Damit signalisierte der Indikator ein unterdurchschnittliches Stressniveau, selbst im Vorkrisenvergleich, denn als Vergleichsbasis für „normal“ dienen wesentlich die Perioden vor der Finanzmarktkrise. Dies ist auf eine weitere Einengung der Spreads von Unternehmensanleihen und Pfandbriefen sowie eine weiterhin geringe Volatilität an den Aktienmärkten zurückzuführen. Erst die Kursrückgänge an den weltweiten Aktienmärkten ab Mitte Januar in Reaktion auf die neu angekündigten Banken-Pläne der US-Regierung ließen den Indikator dann wieder etwas ansteigen. Es bleibt allerdings dabei, dass die Bankenstabilisierungsprogramme, gemessen an den in den Indikator eingehenden Informationen, ihren Zweck erfüllt haben. Geht man davon aus, dass die Risikoeinstellung vor der Krise im Durchschnitt die möglichen Verspannungen an den Finanzmärkten tendenziell unterschätzt hat, dann ist eine Rückkehr des Indikators zu den Werten von vor der Krise – also Werte unter Null – nicht unbedingt wünschenswert.

Allerdings sollte man aus verschiedenen Gründen vorsichtig sein, aus dieser „neuen Normalität“ auf die Abwesenheit von Problemen an den Finanzmärkten zu schließen. So gibt der Indikator lediglich Auskunft darüber, dass Preise von Finanzaktiva wieder in ähnlicher Beziehung zueinander stehen wie vor der Finanzkrise. Damit ist jedoch nichts über Zins- oder Kursniveaus, gehandelte Volumina oder gar die finanzielle Solidität der Marktteilnehmer gesagt. Darüber hinaus haben Marktsegmente, die bislang keine Auffälligkeiten zeigt, in der jüngsten Vergangenheit für Aufsehen gesorgt: die Märkte für europäische Staatsanleihen. Hier gingen die Spreads der Euro-Staaten, insbesondere der so genannten Peripherieländer wie Griechenland, Portugal oder Irland, aber auch Spaniens oder Italiens zu deutschen Bundesanleihen auf bislang in der Währungsunion ungesehene Werte herauf. Immer klarer treten strukturelle Probleme einzelner Staaten in den Vordergrund. Die rasant anwachsende Verschuldung der Staaten führte sowohl zu steigenden Risikoprämien als auch zu einer stärkeren Differenzierung zwischen den Ausfallrisiken der Euroland- Staaten.

Wir haben daher einen zusätzlichen Indikator konstruiert, der zusätzlich zu den bisherigen Marktsegmenten die Spreads europäischen Staatsanleihen einbezieht. Als ein Maß für die Stresssituation auf dem Markt für Staatsanleihen der Euroländer dient uns die Standardabweichung der Renditen von zehnjährigen Anleihen elf verschiedener Staaten untereinander (Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien): je höher dieser Wert ist, desto weiter voneinander entfernt liegen die Renditen der Papiere der einzelnen Staaten und desto heterogener schätzt der Markt die Bonität der einzelnen Staaten ein. Dieser Vergleich der relativen Verläufe von bisherigem und erweitertem DFI zeigt, dass die Entwicklung beider Indikatoren bis Ende 2008 sehr ähnlich ist. Danach signalisiert der originale DFI jedoch eine stärkere Entspannung als dies beim modifizierten Indikator der Fall ist. Auf dem Markt für Staatsanleihen erweist sich die Finanzmarktkrise als besonders nachhaltig und wirkt hier zum einen über eine hohe Heterogenität nach. Zudem hat selbst die Bonität der großen Länder gelitten, wie man an der Entwicklung der CDS-Spreads nachvollziehen kann; dieser Effekt ist im Indikator nicht enthalten.

3. In diesen unterschiedlichen Verläufen kommt bildhaft zum Ausdruck, dass Risiken vom Finanzsektor auf den staatlichen Sektor übergegangen sind. Diese Risikoübernahme fand statt, indem die Staaten Garantien ausgesprochen haben, über Beteiligungen an Finanzinstituten stärker an Finanzmarktrisiken beteiligt ist sowie durch die kreditfinanzierten Programme zur Stabilisierung der Konjunktur. Obwohl niemand zum gegenwärtigen Zeitpunkt die wahren Belastungen der Staatshaushalte abschätzen kann – und einiges dafür spricht, dass diese nicht so hoch sind wie zu Anfang für möglich gehalten wurde – sind die Kapitalmärkte verunsichert. Das zeigt sich auch darin, dass Schuldenstände von Staatshaushalten, die noch vor der Krise von den Kapitalmärkten toleriert wurden (so hatte etwa Belgien im Jahr 1999 einen Staatsschuldenstand in Relation zum BIP von 120 Prozent), gegenwärtig für große Verunsicherung sorgen. Es geht nicht nur um einzelne Staaten, sondern viele Risiken hängen systematisch zusammen: so ähneln sich etwa die Probleme Griechenlands und Portugals oder Italiens, die ja nicht nur in hoher Staatsverschuldung, sondern auch in geringer internationaler Wettbewerbsfähigkeit bestehen. Die bislang bestehenden Schwächen wurden durch die Finanzkrise schonungslos aufgedeckt: Manche erweisen sich dabei als größer als vorher angenommen, etwa im Fall Griechenlands.

4. Was ist von diesen widersprüchlichen Signalen zu halten? Die Krisenaufarbeitung ist noch längst nicht beendet – weder bei Konjunktur und Wachstum noch erst recht nicht im Finanzsektor. Es wird Jahre benötigen, die Wirtschaft umzubauen und für höhere Beschäftigung fit zu machen und es wird noch länger dauern, finanzielle Solidität und Vertrauen neu aufzubauen – für Staaten und für Finanzunternehmen. Bis dahin ist weiteres Nach-Krisenmanagement notwendig.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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