Fed: Worte und Taten?
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Die Zentralbanken verzeichneten eine weitere ereignisreiche Woche. Das deutlichste Signal für eine weitere Aufschiebung der Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) bis ins Jahr 2023 könnte wohl die Entscheidung der Bank of England (BOE) gewesen sein, die angekündigte Zinserhöhung nicht vorzunehmen. Die Tatsache, dass die BOE trotz akuterer Inflationsrisiken im Vereinigten Königreich als im Euroraum keine Zinserhöhung vorgenommen hat, zeigt, dass die Messlatte für eine frühe geldpolitische Straffung hoch liegt. Die britische Zentralbank muss jedoch einen hohen Preis für ihre Glaubwürdigkeit zahlen.
Auf der anderen Seite hatte es die Federal Reserve (Fed) einfacher. Jay Powell widersetzte sich den Markterwartungen einer Zinserhöhung im Jahr 2022. Damit hat er die Auswirkungen der Ankündigung des Taperings abgefedert. Die Bereitschaft der Fed, sich ein Maximum an Handlungsspielraum zu bewahren, ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Während der Markt sie bisher eher als „dovish“ eingestuft hat, könnten die ausdrücklichen Zweifel der Zentralbank an der Vollbeschäftigung in einer Post-Covid-Welt die Fed letztlich davon überzeugen, die Zinsen recht schnell anzuheben.
Wir sind nicht überrascht, dass der Aktienmarkt nicht auf das Tapering reagiert hat. In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung haben wir die Auswirkungen der quantitativen Lockerung auf Aktien quantifiziert. Erst wenn die Fed mit dem Abbau ihrer Bilanz beginnt – also die von ihr gekauften Papiere wieder verkauft – würden die Aktienkurse fallen.
Tempo des Taperings entspricht den Erwartungen
Von allen Zentralbankvorsitzenden erlebte wohl Jay Powell, dessen angekündigte Form des Taperings in etwa den Erwartungen entsprach, die geringsten Turbulenzen: Beginnend im November und Dezember mit 15 Milliarden pro Monat entspricht dies einem Tempo, welches die Fed auch danach als "wahrscheinlich angemessen" ansieht. Bis Juni 2022 wäre das Programm bei dieser Geschwindigkeit abgeschlossen. Allerdings behält die Fed sich das Recht vor, dieses Tempo zu ändern, sollten sich die makroökonomischen Aussichten ändern. In Bezug auf die Inflation hat sich die Rhetorik leicht in Richtung „hawkish“ geändert, da die Fed die Inflation nicht mehr nur als "vorübergehend" ansieht, sondern als "Ausdruck von Faktoren, die voraussichtlich vorübergehend sind". Aber im Wesentlichen sieht Powell immer noch keine größeren Risiken auf dem Arbeitsmarkt.
Da sich die Märkte jedoch eher auf die voraussichtliche Entwicklung der konventionellen Geldpolitik als auf die quantitative Lockerung konzentrierten, bestand das eigentliche Problem für Powell in der vergangenen Woche darin, die Fragen zu den Zinssätzen zu klären. Hierbei ließ er sich nicht in Diskussionen über die aktuellen Marktpreise verwickeln unter diesem Gesichtspunkt war er nicht so „dovish“ wie EZB-Präsidentin Lagarde in der Vorwoche – und blieb bei der Aussage, dass die Diskussion über die Zinssätze unabhängig von der Debatte über die quantitative Lockerung geführt wird. Sie wollen "in der Lage sein, die Zinsen zu erhöhen, wenn es nötig ist", aber gleichzeitig geduldig bleiben. Powell hatte es leichter als Lagarde, denn der Markt erwartete eine indirekte Bestätigung der möglichen Zinserhöhung im Jahr 2022, während von Lagarde Zurückhaltung erwartet wurde. Powells Schweigen allein war also ein „dovishes“ Signal im Vergleich zur Positionierung vor der Konferenz.
Lohndaten geben geteiltes Bild
Kurz gesagt, die Fed hat sich für das kommende Jahr also einen beträchtlichen Handlungsspielraum bewahrt. Bislang hat der Markt diesen Handlungsspielraum als „dovish“ eingeschätzt, aber das ist ein zweischneidiges Schwert. Ein wichtiger und durchaus stichhaltiger Grund für dieses Verhalten ist das eigene Zögern der Fed bei der Interpretation der jüngsten makroökonomischen Entwicklungen. So hat Powell die Schwierigkeit der Fed bei der Einschätzung des neuen Vollbeschäftigungsniveaus in der Zeit nach der Pandemie gerne betont: "Wir sollten sehr bescheiden sein, wenn darüber nachdenken, wie eine maximale Beschäftigung aussehen könnte". Die Fed ist zwar der Ansicht, dass auf dem Arbeitsmarkt immer noch ein gewisser Spielraum besteht, doch dieser könnte geringer sein als gemeinhin angenommen, sodass die Zentralbank gezwungen wäre, auch ohne die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu reagieren.
Unter diesem Gesichtspunkt sind die Lohndaten der letzten Woche interessant. Was besonders interessant ist – und nicht so sehr das Tempo des monatlichen Beschäftigungszuwachses, das stark schwankt – ist die hartnäckig niedrige Erwerbsbeteiligung, die seit einem Jahr auf einem Niveau von 61,6 Prozent verharrt. Wenn dieser deutliche Rückgang der Personalkapazität anhält, wäre die Vollbeschäftigung schnell erreicht. Nun mag es sein, dass die Corona-bedingten Einschränkungen viele Menschen aufgrund von Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung vom Arbeitsmarkt ferngehalten haben, oder dass die starke Performance des Aktienmarktes einige Menschen davon überzeugt hat, in den Vorruhestand zu gehen. Aber wie lange diese Faktoren die Erwerbsbeteiligung beeinflussen werden, ist weiterhin eine offene Frage. Wir gehen davon aus, dass die Fed im Dezember 2022 die Zinsen anheben wird. Obwohl wir erwarten, dass die Straffung bis Ende 2023 "nur" 75 Basispunkte betragen wird, tendiert die Risikobilanz zu weiteren Maßnahmen der Fed.
Tapering muss kein schlechtes Signal für Aktien sein
Die relativ zurückhaltende Botschaft Powells – insofern, als er sich entschied, die Markteinschätzung einer Zinserhöhung im Jahr 2022 nicht zu unterstützen – ging mit weiteren Gewinnen am Aktienmarkt einher. Auf den ersten Blick mag dies eine bizarre Reaktion sein, als ob der Markt der recht schnellen Beendigung der quantitativen Lockerung in den USA keine Beachtung geschenkt hätte. Die quantitative Lockerung ist von ihrer Konstruktion her eine Art Blasenbildungsmaschine. Indem sie die Preise von Vermögenswerten über ihr fundamentales Niveau hinaustreibt, erzeugt sie positive Vermögenseffekte und senkt die Kapitalkosten. In Symmetrie dazu würde man eine Rückkehr zu den Fundamentaldaten erwarten, wenn die quantitative Lockerung endet, wodurch die Komponente des "Zentralbank-Schaums" auf dem Markt verschwindet. Dennoch gibt es unserer Meinung nach keinen Grund, warum der Aktienmarkt nach dem Tapering in den Korrekturmodus übergehen sollte, auch wenn das Potenzial für weitere Fortschritte immer geringer werden würde. Wenn die Zentralbanken damit beginnen, den Umfang ihrer Bilanzen zu reduzieren, anstatt sie lediglich zu stabilisieren, könnten die Zeiten viel schwieriger werden.
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