Kommentar
12:02 Uhr, 21.07.2004

Fed: Greenspan liefert optimistischen Ausblick

1. Bei seiner turnusmäßigen halbjährlichen Anhörung vor dem US-Kongress im Rahmen der Vorstellung des Monetary Policy Reports nutzte US-Notenbankchef Alan Greenspan die Gelegenheit Sorgen um die Inflations- und Konjunkturentwicklung sowie um zinserhöhungsbedingte Belastungen für die Bilanzbilder der Finanzintermediäre, Unternehmen und Haushalte zu zerstreuen.

Drei Themen: Inflation, Beschäftigung und Bilanzbilder

2. Inflation: Greenspan führte den Anstieg der Inflation in diesem Jahr auf einen Anstieg der realen Nachfrage und - ganz entscheidend - auf temporäre Faktoren (die Energie- und Rohstoffpreise sowie die Abwertung des US-Dollars) zurück. Der damit einher gehende Anstieg der Kerninflationsrate sei auch durch einen Anstieg der Gewinnspannen mitverursacht worden. Da die hohe Wettbewerbsintensität auf den Gütermärkten die Möglichkeit der Unternehmen begrenze, die Gewinnspannen durch Preiserhöhungen zu steigern, sei der Anstieg der Gewinnspannen aber nicht als Vorbote höherer Inflationsraten in der Zukunft zu interpretieren. Denn die hohe Wettbewerbsintensität sollte die Gewinnspannen wieder schrumpfen lassen. Damit sollten auch die moderat steigenden Lohnstückkosten keine Gefahr für die Preisniveaustabilität darstellen. Der Kostendruck werde zudem durch die immer noch unterausgelasteten gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten in Schach gehalten. Risiken für den Inflationsausblick sieht die Fed in erster Linie - terrorbedingt - von Seiten der Ölpreise. Die Deflationsrisiken könnten endgültig ad acta gelegt werden.

3. Konsum, Investitionsverhalten und Beschäftigung: Die gestiegenen Preise haben die verfügbaren Realeinkommen gesenkt und damit dem Konsum einen Dämpfer verpasst. Dieser Effekt sollte nach Einschätzung Greenspans lediglich kurzlebiger Natur sein. Greenspan zeigte Gründe für das zögerliche Einstellungsund Beschäftigungsverhalten der Unternehmen auf, die im Wesentlichen aus den Nachwirkungen des Investitionsbooms der Neunziger Jahre resultieren, und konstatierte, dass auch in Zukunft mit Vorsicht und Zögerlichkeit bei Neueinstellungen und Investitionen der Unternehmen zu rechnen sei.

4. Zinserhöhungszyklus und Financial Stress: Greenspan erwartet zwar, dass die Wirtschaft auch einen dynamischer und stärker ausgeprägten Zinserhöhungszyklus - im Falle von Gefahren für die Preisniveaustabilität - verkraften kann. Indem er aber auf die damit verbundenen Unsicherheiten und Risiken hinwies, zeigte er, dass die Fed diese Risiken nicht auf die leichte Schulter nimmt: "As we attempt to assess and manage these risks, we need, as always, to be prepared for the unexpected and to respond promptly and flexibly as situations warrant." Allerdings mit einer Einschränkung: Sollte das Preisstabilitätsziel gefährdet sein, so würde die Fed sich für die Sicherung der Preisstabilität entscheiden.

Implikationen für die Geldpolitik

5. Der Risikomanagementansatz des Chairman spiegelte sich in zwei Sätzen seiner Rede wider. Erstens: "Of course, considerably more uncertainty and hence risk surrounds the behavior of the economy with a more rapid tightening of monetary policy than is the case when tightening is more measured. In either scenario, individual instances of financial strain cannot be ruled out." Der Zinserhöhungszyklus sollte damit maßvoll - in Form von 25-Basispunkteschritten - gestaltet werden, nicht zuletzt, weil erhebliche Unsicherheiten über die Wirkungen der Zinserhöhungen auf die Bilanzbilder der Finanzintermediäre, Unternehmen und Haushalte bestehen. Desweiteren wird das FOMC abwarten wollen, ob die schwachen Konjunkturdaten vom Juni nachhaltiger Natur sind oder nicht. Dieser Zinsausblick gilt aber nur, solange von der Inflationsfront keine Gefahren drohen: "We cannot be certain that this benign environment will persist and that there are not more deep-seated forces emerging as a consequence of prolonged monetary accommodation. Accordingly, in assessing the appropriateness of the stance of policy, the Federal Reserve will pay close attention to incoming data, especially on costs and prices." Die Ausgestaltung des Zinserhöhungszyklus hängt somit maßgeblich von den (Inflations-) Daten ab.

FOMC Prognosen

6. Das FOMC hat seine BIP-Prognosen von Februar für 2004 (yoy-Rate im vierten Quartal) von 4,5-5 % auf 4,5-4,75 % herunterrevidiert (DekaBank: 3,8 %). 2005 erwartet das FOMC ein Wachstum von 3,5- 4,0% (DekaBank: 3,5 %). Die Arbeitslosenquote sollte Q4 2004 bei 5,25-5,5 % (DekaBank: 5,5 %) und Q4 2005 bei 5,0-5,25 % liegen (DekaBank: 5,1 %). Neu am Monetary Policy Report ist, dass die Fed erstmals ihre Prognosen für die Kerninflationsrate bekannt gibt. Die Kerninflationsrate des Preisindex der Persönlichen Konsumausgaben sollte in Q4 2004 bei 1,75-2 % und in Q4 2005 bei 1,5-2,0% liegen. Dies entspricht in etwa einer Kerninflationsrate des CPI von 2,25-2,5 % bzw. 2,0-2,5 %. Diese Inflationsprognosen sollten aber nicht allzu ernst genommen werden, da sie nicht die Prognosen des Board in Washington darstellen, sondern lediglich grobe Schätzungen der Fed-Präsidenten und Gouverneur sind. Wir erwarten für die durchschnittliche Kerninflationsrate des CPI für 2004 und 2005 einen Wert von 1,9 %.

7. Die Prognosen zeigen, dass die Fed mit zwei "Lücken" zu kämpfen hat: Erstens, die Kluft zwischen dem gleichgewichtigen Niveau der Arbeitslosenquote von rund 5 % und dem aktuellen Niveau von 5,6 % sollte sich schließen und damit für die Zukunft Inflationsdruck anzeigen. Zweitens, der Grund für die sich schließende Arbeitslosigkeitslücke ist die Kluft zwischen dem neutralen Leitzinsniveau von rund 3,5-5 % und dem aktuellen Leitzinsniveau von 1,25 %. Da die Arbeitslosigkeitslücke bereits enger ist als die Zinslücke, ist klar, dass bei den Leitzinsen erheblicher Zinserhöhungsbedarf vorhanden ist.

FOMC Call

8. Aufgrund der Inflationsprognosen und der beschriebenen Risiken sollte die Fed die Leitzinsen am 10. August lediglich um 25 BP auf ein Niveau von dann 1,50 % anheben. Wir erwarten für Ende 2005 ein Leitzinsniveau von 4,25 %. Sollten die (Kern-)Inflationsdaten in den kommenden Monaten enttäuschen, so ist es möglich, dass die Fed nach den Präsidentschaftswahlen im November auch 50- Basispunkteschritte nach oben vornimmt. Aus den Sitzungsprotokollen der Fed der Neunziger Jahre ist zu entnehmen, dass die Fed - wenn möglich - Wahltermine mit (zu starken) Zinsänderungen nicht unnötig politisch aufladen will. Möglich ist weiterhin, dass die Fed im Dezember die Zinsen nicht erhöht, da das Handelsvolumen in diesem Monat saisonal bedingt geringer als im Rest des Jahres ist und Zinserhöhungen damit eine stärkere Wirkung entfalten.

Die Questions & Answers-Session

• Energiepreise: Diese stellen laut Greenspan momentan eine der wichtigsten Probleme für das FOMC dar. Der reale Ölpreis sei aber wesentlich geringer als in den Siebziger Jahren. Die Entwicklung der Naturgaspreise bereite da schon mehr Sorgen.

• China: Es sei davon auszugehen, dass die amtlichen Statistiken nicht immer stimmten. Es sei nicht anzunehmen, dass China Inflation exportiere. Ein "soft landing" der chinesischen Wirtschaft sei am wahrscheinlichsten.

• Beschäftigung: Die schwachen Beschäftigungszahlen seien nicht mit einem Anstieg der Anträge auf Arbeitslosigkeit einher gegangen und damit kein Grund zur Beunruhigung.

• Einzelhandelsumsätze: Die schwachen Einzelhandelsdaten im Juni seien als "soft patch" zu deuten, würden aber von der Fed genauestens beobachtet.

• Neutraler Zins: Greenspan wollte sich hier auf keinen Wert festlegen. Der Hinweis Greenspans, dass die Leitzinsen im Zuge des Zinserhöhungszyklus auf ihr neutrales Niveau angehoben werden müssen, impliziert die Frage, wo dieses neutrale Niveau überhaupt liegt. Da der Investitionsboom der Neunziger Jahre mit einer Erhöhung des Kapitalstocks einher ging, sollte damit auch der gleichgewichtige Preis für Kapital gesunken sein. Es ist daher gut möglich, dass die Fed die Leitzinsen nicht auf ein geldpolitisch "neutrales" Niveau von 4,5 % - wie oft vermutet - anheben muss.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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