EZB: Noch einmal 50 Basispunkte Zinserhöhung?
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Nach jahrelanger Paralyse sind die Zinsentscheide der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder zu einem tagesaktuellen Thema geworden. Ums so mehr, als die US-Federal Reserve (Fed) einen klaren Kurs fährt, wie Jerome Powell in Jackson Hole am 26. August erneut deutlich gemacht hat: Obwohl die Fed ein duales Mandat hat, hat sie sich ganz der Inflationsbekämpfung verschrieben und wird weiter die Leitzinsen erhöhen, auch unter Inkaufnahme einer deutlichen Verschlechterung am Arbeitsmarkt. In der Eurozone erwarten dagegen viele Marktteilnehmer, dass die EZB der konjunkturellen Entwicklung einen höheren Stellenwert zubilligen wird, denn die aktuellen konjunkturellen Frühindikatoren haben sich verschlechtert und deuten zumindest auf eine milde Rezession in den kommenden Monaten hin. In der Vergangenheit war die Antwort der EZB auf ein schwächeres Konjunkturumfeld stets eine expansivere Geldpolitik.
Dieses Mal ist es unserer Meinung nach anders: Die Lage an der Preisfront hat sich weiter verschlechtert. Steigende Gas- und Elektrizitätspreise werden die Inflationsrate in der Eurozone im Herbst auf über zehn Prozent katapultieren, bereits jetzt verzeichnet die Hälfte der Mitgliedsstaaten eine Inflationsrate von über 10 Prozent. Der Inflationstrend hat sich bereits verbreitet, obwohl es noch zu keinen kräftigen Lohnsteigerungen gekommen ist. Damit wächst auch innerhalb der EZB die Sorge, dass sich die Inflationserwartungen entankern könnten. Nicht ohne Grund hat daher auch Isabel Schnabel in Jackson Hole einer restriktiveren Geldpolitik eindrücklich das Wort geredet.
Auf der EZB-Sitzung werden auch die neuen Projektionen für Wachstum und Inflation vorgestellt. Mit einer deutlichen Aufwärtsrevision der Inflationsschätzung für 2022 und 2023 ist zu rechnen. Auch die Projektion für 2024 mit 2,1 Prozent dürfte aufgrund höherer struktureller Kosten (Klimaschutz, Demografie) zur Disposition stehen. Angesichts der hohen Unsicherheit haben sie zwar nicht mehr den Stellenwert wie früher. Nach Ansicht von Präsidentin Lagarde soll die Einschätzung der Notenbanker („element of judgement“) eine größere Rolle spielen. Ob Projektionen oder Einschätzungen, das Mandat der EZB wird massiv verfehlt. Daher rechnen wir auf der Sitzung am 8. September mit einer Anhebung aller Leitzinsen um 50 oder gar 75 Basispunkte. Weitere Schritte sollten im Oktober und Dezember folgen.
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