Kommentar
12:02 Uhr, 16.12.2014

EZB: Mit dem Rücken zur Wand

Vergangene Woche wurde wieder einmal klar: die EZB hat sich in eine Sackgasse manövriert.

Vor einem halben Jahr kündigte die EZB TLTROs an. Diese Targeted Long Term Refinancing Operations oder zielgerichteten Langfristtender sollten den Kreditmarkt in der Eurozone endlich wieder beleben. Der Unterschied zu den gewöhnlichen Geldzuteilungen ist zweierlei. Einerseits ist das Geld für die Vergabe von Krediten zweckgebunden. Anderseits laufen sie zu einem bestimmten Zinssatz vergleichsweise lang. Die bisherigen Langfristtender hatten eine Laufzeit von maximal 2 Jahren. Die TLTROs haben eine Laufzeit von maximal 4 Jahren. Der Zinssatz, zu dem Banken das Geld bekommen, liegt bei 0,15%.

Insgesamt wollte die EZB bis zu 400 Mrd. zuteilen. Das ist ihr nicht gelungen. Beim ersten Tender wurden lediglich 82,6 Mrd. nachgefragt. Das war deutlich unter der Erwartung von 120 Mrd. und noch deutlicher unter dem Maximalbetrag. Beim zweiten TLTRO vergangene Woche wurde mit 129,8 Mrd. mehr nachgefragt, allerdings blieb auch dieser Betrag unter der Erwartung von 150 Mrd. Beide Tender zusammen verfehlten die Erwartungen um knapp 60 Mrd. Zudem wurde nur gut die Hälfte des Maximalbetrags von 400 Mrd. tatsächlich nachgefragt. Man kann unter diesen Umständen schon von einem Flop der TLTROs reden.

Für das geringe Interesse der Banken gibt es mehrere Gründe. Die Zweckbindung, die praktisch allerdings wenig strikt ist, ist eigentlich sinnlos. In den wöchentlichen Refinanzierungsgeschäften können sich Banken derzeit günstiger refinanzieren als über die TLTROs. Nachdem es keinen Hinweis darauf gibt, dass die Zinsen bald ansteigen werden, ist der Anreiz groß, sich kurzfristig zu besseren Konditionen zu refinanzieren als langfristig zu höheren Zinsen.

Das geringe Interesse an den TLTROs zeigt, dass auch Banken fest mit niedrigen Zinsen in den kommenden Jahren rechnen. Die TLTROs laufen 2018 aus. Die Nachfrage nach ihnen wäre wohl nur überragend hoch gewesen, wenn die Erwartung für das zukünftige Zinsniveau eine ganz andere gewesen wäre. So, wie sich die Lage darstellt, geht kaum eine Bank davon aus, dass 2018 wesentlich höhere Zinsen zu erwarten sind als heute. Das zeigen auch Zinsfutures an. Der 3 Monats-Euribor Future für Anfang 2018 zeigt eine Erwartung von 0,4% an. Für 2020 wird ein 3 Monatssatz von einem Prozent erwartet. Der Druck für Banken sich jetzt langfristig zu binden ist minimal.

Genau das zeigt das Dilemma der EZB. Wenn Banken erwarten, dass sie noch jahrelang zu jedem beliebigen Zeitpunkt unbegrenzt Geld zu minimalen Zinsen bekommen werden, wie sollten sie sich jetzt mit Geld vollsaugen und Kredite vergeben? Unter diesen Umständen wartet man lieber ab bis sich die wirtschaftliche Situation verbessert hat und Kreditvergabe wieder sicherer wird. Die Aussicht auf niedrige Zinsen für die kommenden Jahre schafft überhaupt keinen Anreiz Kredite zu vergeben. Im Gegenteil sogar, Banken warten lieber ab.

Die EZB nimmt das Verhalten der Banken mit Sorge zur Kenntnis und arbeitet an weiteren Maßnahmen, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Das wird allerdings nicht zu mehr Kredit führen. Die EZB kann tun, was sie will. Je mehr sie lockert, desto mehr Zeit haben Banken den neuen Kreditzyklus zu beginnen. Die Maßnahmen der EZB haben eher eine schädliche Wirkung und führen zum Gegenteil dessen, was sie eigentlich bezwecken will.

Nun kann die EZB aber auch nicht anfangen die Zinsen signifikant anzuheben. Der Eurokurs würde durchdrehen. Investoren wären verunsichert, weil die EZB ganz andere Erwartungen geweckt hat. Die EZB hat sich damit in eine Sackgasse manövriert. Der Markt erwartet weitere Lockerung. Erfüllt die EZB die Erwartung nicht, dann ist die Hölle los. Gleichzeitig führen die Maßnahmen teils zum Gegenteil dessen, was bezweckt war. Da wieder herauszukommen wird sehr schwierig.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • student
    student

    Lieber Herr Schmale,

    was die EZB und die Banken praktizieren, ist die gleiche Politik, wie sie von den deregulierten Banken nach 1929 zur schweren Wirtschaftsdepression geführt hat. Gerade die grossen Banken haben durch den billigen Erwerb von Aktien und Wertpapieren ihren Einfluss ​in Wirtschaft und Politik vergrössert.

    Heute ist die Elite aus Finanz und Wirtschaft dabei, ihr "gemeinsames Europa" ohne lästige Parlamente zu erschaffen. Alle fiskalpolitischen Weichen werden in Brüssel gestellt. Was noch fehlt, ist eine richtig grosse Krise - oder auch ein Krieg, der alle demokratischen Strukturen hinwegfegt. Konjunkturprogramme von 15.000 Mrd$ für neue AKWs,Pipelines, Magnetbahnen und Verkehrsanbindungen an die Seidenstrasse stören da nur und würden die Machtverhältnisse zugunsten der aufstrebenden BRICs-Staaten und deren Anrainerstaaten wie dem IRAN nach Asien verschieben. Was ohnehin schon der Fall ist. Das Handeln der BRICs ist auf Entwicklung und damit auf das Gemeinwohl ausgerichtet. Wenn wir überleben wollen, müssen wir uns in unserem eigenen Interesse anschliessen.

    Junckers Mini-Konjunkturspritze ist nur ein Bluff und sanktioniert geradezu energieintensive Projekte und rechnet den Staaten eigene Projekte als Defizit an?!? Diese Politik ist damit vor allem gegen die Interessen der europäischen Bevölkerung gerichtet. Ist das unsere Zukunft? Oder die orwellsche Version davon?

    Viele Grüsse

    20:30 Uhr, 16.12. 2014

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten