Kommentar
11:43 Uhr, 29.08.2006

EZB im Fokus der Märkte

Die Rentenmärkte zeigten sich in der abgelaufenen Woche erneut in guter Verfassung. Nach schwachen Wirtschaftsdaten ist in den USA mit keiner weiteren Zinsanhebung zu rechnen. In dieser Woche steht die EZB im Fokus der Märkte.

USA: Das Thema Zinserhöhungen ist passé

Die Abfolge schwächerer Wirtschaftsdaten für die US-Wirtschaft reißt nicht ab. Nach dem Immobiliensektor scheint jetzt der Privatkonsum an die Reihe zu kommen. Der stark beachtete Verbrauchervertrauensindex der Universität Michigan gab im August jedenfalls deutlich nach. Von einem schlechteren Konsumklima ist es dann jedoch nicht mehr weit bis zu einer realen Kaufzurückhaltung. Wenn der Konsum der privaten Haushalte ins Stocken gerät, wirkt sich dies unmittelbar auf die Gesamtwirtschaft aus, entfallen doch rund 70 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts auf diese Nachfragekomponente. Vor diesem Hintergrund rechnet kaum noch jemand damit, dass die Federal Reserve Bank die Zielrate für die Fed Funds, die gegenwärtig bei 5,25 Prozent liegt, nochmals erhöhen wird.

Mit der Konjunktureintrübung gehen abnehmende Inflationssorgen einher. Bereits auf mittlere Sicht rechnet das Gros der Marktteilnehmer mit spürbar nachlassendem Inflationsdruck. Das Schreckgespenst Stagflation eine rückläufige Wirtschaftsleistung gepaart mit zunehmender Teuerung sollte demnach nicht Realität werden. Ein Blick auf die Zinsstrukturkurve unterstreicht diese Aussage. Vor allem im kurz- bis mittelfristigen Bereich weist die Kurve einen stark inversen Verlauf auf, was darauf hindeutet, dass sich die Konjunktur zwar weiter abschwächen könnte, dass aber die zwischenzeitlich stark gestiegenen Inflationssorgen bald der Vergangenheit angehören werden. Dies eröffnet der US-Notenbank dann auch wieder Spielraum für Zinssenkungen. Für die Rentenmärkte wirkt dieses Umfeld stimulierend. Die Zehnjahresrenditen sind in der Vorwoche auf unter 4,8 Prozent gefallen, den niedrigsten Wert seit März 2006. Trotz kurzfristig möglicher Gegenbewegungen hat die Wahrscheinlichkeit für ein abermaliges Überschreiten der 5-Prozent-Marke stark abgenommen.

Euroraum: EZB-Sitzung am Donnerstag

Nach den schwächeren Konjunkturindikatoren in der letzten Woche richtet sich der Blick der europäischen Rentenmarktteilnehmer nun auf die anstehende Sitzung des EZB-Rats. Eine erneute Zinserhöhung wird dieses Mal zwar nicht erwartet. Allerdings könnte von der im Anschluss an das Zusammentreffen stattfindenden Pressekonferenz ein Signal für das weitere zinspolitische Vorgehen ausgesandt werden. Bleiben die Währungshüter ihrem Kurs treu oder bekommen sie angesichts erster Anzeichen für ein Nachlassen der konjunkturellen Dynamik kalte Füße auf ihrem Weg zu höheren Zinsen?

Wir gehen weiter davon aus, dass die Europäische Zentralbank bei ihren Treffen im Oktober und Dezember die Leitzinsen jeweils um 25 Basispunkte anheben wird. Der Hauptrefinanzierungssatz befände sich dann bei 3,5 Prozent, was wohl bereits nahe dem Zinsgipfel in diesem Zyklus läge. Mit unserer Einschätzung der EZB-Politik befinden wir uns damit weitgehend im Einklang mit dem Rentenmarkt, wie ein Blick auf die besonders leitzinssensitiven Zweijahresrenditen zeigt, die in der Vorwoche bis auf 3,6 Prozent geklettert sind. Demgegenüber setzte sich am langen Ende der Renditerückgang fort. Die Zehnjahresrenditen gaben auf 3,8 Prozent nach. Der Zinsunterschied zwischen kurzem und langem Ende hat sich damit nochmals verringert, worin sich eine gewisse Skepsis der Marktteilnehmer über die weitere Konjunkturentwicklung widerspiegelt. Zudem wird der EZB ein hohes Vertrauen bei der Inflationsbekämpfung entgegen gebracht. Die jüngsten Renditerückgänge haben dafür gesorgt, dass Rentenmarktinvestoren erfreuliche Kursgewinne erzielen konnten und nunmehr bereits einen Großteil der im ersten Halbjahr entstandenen Verluste wieder wettgemacht haben.

China mit Leitzinsanhebung

Im zweiten Quartal erhöhte sich die Wirtschaftsleistung Chinas nach offiziellen Angaben um stattliche als 11,3 Prozent. Aus Sorge jedoch vor einer zu heiß laufenden Konjunktur hat die chinesische Notenbank (Peoples Bank of China) den Satz für einjährige Ausleihungen von 5,85 auf 6,12 Prozent erhöht. Eine mögliche Überhitzung mit anschließendem Absturz wäre für China, inzwischen aber auch für die Weltwirtschaft, ein Debakel. Gerade auf die exzessive Investitionstätigkeit der Unternehmen ist ein erheblicher Teil des Wachstums zurückzuführen. Mit dem Zinsbeschluss soll die bislang großzügige Kreditvergabe nun gedrosselt werden. Ob dieser Minischritt Wirkung zeigen wird, bleibt indes abzuwarten. Damit rückt auch das Wechselkursthema wieder stärker in den Blickpunkt. Nach wie vor halten die Chinesen den Außenwert ihres Renminbi gegenüber dem US-Dollar künstlich niedrig, um die Exportchancen nicht zu gefährden. Der Druck aus den USA zur Lockerung der chinesischen Wechselkurspolitik dürfte vor allem bei einer sich weiter abschwächenden US-Konjunktur zunehmen.

Ausblick

Eine Fülle von Konjunkturindikatoren steht in dieser Woche zur Veröffentlichung an. Neben den Einkaufsmanagerindizes aus den USA und dem Euroraum dürften vor allem die US-Arbeitsmarktdaten die Märkte bewegen. Wir erwarten eine Bestätigung der Wachstumsverlangsamung.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 140,2 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende November 2005. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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