Fundamentale Nachricht
13:25 Uhr, 02.01.2015

Eurozone – besser, schlechter oder einfach weniger schlimm?

In den aktuellen „Macro Insights“ fokussieren sich die Experten von Goldman Sachs Asset Management (GSAM) auf die Marktentwicklung der Eurozone sowie die Situation für europäische Unternehmen.

Frankfurt (BoerseGo.de) - Für das kommende Jahr gehen die Experten von Goldman Sachs Asset Management (GSAM) generell davon aus, dass sich das globale Wachstum weiter langsam beschleunigt und die Inflation auf einem niedrigen Niveau verharren wird. Daher bevorzugen sie riskantere Anlagen, insbesondere Aktien gegenüber Zinspapieren. Diese Einschätzung wird durch drei wichtige Makroentwicklungen der letzten Monate untermauert: Zum einen stützt der rapide Verfall der Ölpreisnotierungen unseren weitgehend positiven Wachstumsausblick. Dies hängt teilweise mit den effektiv höheren Realeinkommen zusammen, die sich aus der Ölverbilligung ergeben und den Nettoimporteuren zugutekommen sollten. Zweitens erhöhen die Zentralbanken in der Eurozone und Japan – den Schwachstellen der Weltwirtschaft – gerade ihre finanziellen Anreize. Die Fed hingegen hat in den USA die quantitative Lockerung beendet, wodurch die Entwicklung der Industriemärkte in unterschiedliche Richtungen verstärkt an Bedeutung gewinnt. Drittens haben sich die Märkte trotz des jüngsten Volatilitätsanstiegs gut behauptet und wir erwarten keine strukturelle Verlagerung hin zu einem Marktumfeld mit hoher Volatilität, wie die GSAM-Experten in den aktuellen „Macro Insights“ schreiben.

Europa habe sich Mitte 2013 aus der Rezession befreien können, das Wachstum sei jedoch 2014 selbst hinter den niedrigsten Erwartungen weiter zurückgeblieben. Die generelle Prognose für 2015 sei zudem drastisch gesenkt worden und liege mit 1,2 Prozent jetzt näher an der hauseigenen Schätzung von einem Prozent. Doch obwohl der Makroausblick bescheiden bleibe, hätten Aktienanleger ihrer Meinung nach guten Grund, etwas optimistischer zu sein, heißt es weiter.

„In Sachen Konjunktur sehen wir nach wie vor große Hürden. Unsere Inflationsprognose für die Eurozone fällt noch pessimistischer aus, da wir im kommenden Jahr anstelle eines Anstiegs auf 1 Prozent einen Rückgang auf 0,4 Prozent erwarten. Die fallenden Energiepreise üben einen kurzfristigen Abwärtsdruck auf die Inflation aus. Daneben gibt es aber auch noch längerfristige strukturelle Faktoren, die das Wachstum geschwächt haben und sich nicht so schnell beseitigen lassen dürften. Bei knapp über Null dürfte das Wachstum seinen Tiefpunkt erreicht haben und es sollte keinen schärferen Abschwung in Europa geben. Als großer Exporteur dürfte die Eurozone zudem Auftrieb durch den schwächeren Euro und die anziehende Erholung in anderen Regionen, allen voran den USA, erhalten. Als Nettoimporteur von Energie wird Europa vom jüngsten Rückgang der Ölpreise profitieren. Mit einem Kaufprogramm für Staatsanleihen rechnen wir im ersten Quartal 2015 und glauben, dass die verstärkten Stimulationsmaßnahmen der EZB die Wirtschaft stützen dürften. Bezüglich des Ausmaßes dieser finanziellen Stimulationen bleiben wir allerdings skeptisch“, so die GSAM-Experten.

Tatsächlich gebe es für die Eurozone bereits erste positive Anzeichen, da viele Unternehmen mit ihren Ergebnissen für das dritte Quartal die Erwartungen übertroffen hätten. Erfreulich dabei sei, dass die höheren Gewinne von einer unerwartet guten Umsatzentwicklung getragen würden. Verhaltenere Prognosen seitens der Unternehmen, diversifizierte Märkte und die Euro-Schwäche seien allesamt Faktoren, die gute Aussichten für Aktien versprächen, heißt es weiter.

„Für 2014 rechnen wir mit einem Gewinnwachstum von rund sechs Prozent. Diese Rate könnte sich im kommenden Jahr selbst mit nur ein bis zwei Prozent BIP-Wachstum und ohne große Strukturreformen verdoppeln. Außerdem liegen die Bewertungen mittlerweile leicht unter ihrem historischen Durchschnittswert, sodass europäische Aktien selbst ohne weiteren KGV-Anstieg zweistellige Erträge erzielen könnten. Der Aktienzyklus geht nun von der „Hoffnungsphase“, in der die Performance größtenteils von höheren Kurs-Gewinn-Verhältnissen getrieben wird, über in die „Wachstumsphase“ mit Gewinnwachstum als Haupttreiber. Daher halten wir es für möglich, dass die Eurozone im Vergleich zu anderen Regionen höhere Veränderungsraten aufzeigen wird“, so die GSAM-Experten.

Die Wirtschaft der Eurozone zeige kaum weiteres Abwärtsrisiko und die Lage sollte sich dank der geldpolitischen Bemühungen und der Normalisierung des Bankensektors langsam aufhellen. Dieses Szenario verschaffe den Aktien Spielraum für Kursanstiege, da die Unternehmensgewinne von einem anziehenden globalen Wachstum und einem schwachen Euro profitierten. Ihrer Meinung nach werde das Gewinnwachstum die Aktienmärkte beflügeln, wobei angesichts der geringen Erwartungshaltung endlich mit positiven Überraschungen zu rechnen sei. Insgesamt seien sie auch der Ansicht, dass die Eurozone ihren wirtschaftlichen Tiefpunkt vermutlich erreicht habe. So gesehen stelle sich die makroökonomische Lage jetzt weniger schlimm dar, während der Unternehmenssektor wirklich besser dastehen dürfte, heißt es weiter.

„Weltweit betrachtet gehen wir davon aus, dass die USA das globale Wachstum weiter anführen und dabei die kurzfristigen Zinsen nach oben treiben werden. Lokal ausgerichtete US-Titel sollten von diesem Umfeld profitieren, weshalb wir in Hochzinsanleihen und Aktien übergewichtet sind. Im Zuge der anhaltenden wirtschaftlichen und geldpolitischen Divergenz zwischen den größten Industrienationen rechnen wir für diese Länder mit attraktiven taktischen Anlagegelegenheiten. Längerfristig überzeugen uns auch die Schwellenmärkte, wo wir strategisch übergewichtet sind. Mit steigender Volatilität sehen wir dort eine immer breitere Renditestreuung und jede Menge Wertpotenzial als Belohnung für einen aktiven Managementstil. Wir sind aufgrund des steigenden Dollarkurses vorsichtig gegenüber potenziellen Finanzierungsproblemen, glauben aber, dass die Anleger reformorientierten Ländern weiter den Vorzug geben werden. Länder, die sich wie Brasilien durch leicht identifizierbare Probleme und ansprechende Bewertungen auszeichnen, könnten mit einer glaubwürdigen Agenda eine gute Performance verzeichnen. Wir bevorzugen Indien, vermissen dort aber noch eine konkretere Politik. Für China schließlich sind wir optimistisch gestimmt, da das Land Herausforderungen aktiv angeht“, so die GSAM-Experten.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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