Europäische Ölsanktionen sind noch nicht vom Tisch
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Die Entscheidung der EU, vorerst keine russischen Energierohstoffe zu sanktionieren, kann man als realpolitische Entscheidung begreifen. Im Gegensatz zu den USA, die schlichtweg nicht auf russisches Öl und Gas angewiesen sind, kann Europa kurzfristig nur schwer darauf verzichten.
Dabei geht es nicht nur um die Wirtschaft, sondern auch darum, dass die Stromversorgung nicht unterbrochen wird und die Heizungen warm bleiben. Dennoch stellt sich die Frage, ob man Sanktionsmöglichkeiten verwirft, weil es für einen selbst schmerzhaft wäre. Je länger der Krieg dauert und je mehr zivile Opfer es gibt, desto schwieriger wird es, russisches Öl und Gas weiter zu importieren.
Bis zu einem gewissen Grad unterwandern die Importe die bisher erlassenen Sanktionen. Russland kann einen Großteil der bisher angehäuften Devisenreserven nicht verwenden. Das Geld ist eingefroren. Wird weiterhin Öl und Gas importiert, versorgt es Russland mit frischen Devisen, sodass die Wirkung eingefrorener Reserven abgefedert wird.
Das ist auch europäischen Politikern klar und man will möglichst schnell von russischen Energielieferungen unabhängiger werden. Ist der Winter erst vorbei und sind Alternativen greifbar, könnte sich die EU den USA noch anschließen. Kurzfristig würde dies noch höhere Rohstoffpreise bedeuten. Je nach Weltmarktanteil von Russland und der Ukraine bei einzelnen Rohstoffen hat sich der Preis in diesem Jahr verändert (siehe Grafik).
Den größten Anstieg verzeichnet das Gas Neon, welches in der Halbleiterproduktion benötigt wird. Hier geht es nicht nur um den Preis, sondern auch die Verfügbarkeit. Lieferketten sind erneut unterbrochen und der Chipmangel dürfte sich wieder verschärfen.
Die Politik muss sich neben der Moral auch die Frage stellen, wie stark sie die Wirtschaft und damit die Gesellschaft belasten will. Die realpolitische Gratwanderung ist keine leichte, aber notwendig. Wie notwendig sie ist, zeigt auch, was geschieht, wenn man eben nicht realpolitisch, sondern gegenteilig agiert.
Die USA haben eine lange Historie ihre Standpunkte durch Sanktionen und Interventionen durchzusetzen, koste es, was es wolle. Die Resultate sind wenig erbaulich, seien es die zahllosen Kriege, die mehr Chaos als Stabilität gebracht haben oder die Verurteilung und Sanktionierung von Einzelpersonen.
Um Ölsanktionen zu ermöglichen, braucht es Alternativen. Bisher hielt sich die OPEC jedoch zurück, auf Forderungen der USA nach höheren Fördermengen einzugehen. Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist jedoch bezeichnend. So weigerte sich angeblich der saudische Kronprinz mit Präsident Biden zu telefonieren. Hintergrund ist die Reaktion der USA auf die Ermordung des Journalisten Khashoggi.
Man kann auch argumentieren, dass der Irak und Libyen heute mehr Öl fördern könnten, wenn es keinen Umsturz gegeben hätte. Die Durchsetzung der eignen Prinzipien kann selbst viele Jahre später zu ungeahnten Ergebnissen führen. Eine andere Politik der USA in den vergangenen Jahrzehnten würde nun Allianzen vereinfachen und zumindest das Problem rund um Öl vereinfachen.
Das ist keine moralische Wertung meinerseits. Man darf sich nur nicht der Illusion hingeben, dass Staaten einem beistehen, wenn man sich in ihre Angelegenheiten eingemischt hat, ob berechtigt oder nicht. Auf Aktion folgt nun einmal eine Reaktion. Ob das bei der Entscheidung der EU eine Rolle spielt, sei dahingestellt. Ist der Winter erst vorbei, könnte es noch Überraschungen geben, deren Folgen weit über die nächsten Monate hinaus zu spüren sein werden.
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