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09:54 Uhr, 24.11.2017

Europäische Immobilien: Günstige Gelegenheiten werden immer seltener

Die europäischen Immobilienmärkte werden weiter vom wachsenden Vertrauen der Verbraucher getragen. Der Zyklus neigt sich aber dem Ende zu und es gibt Aviva-Immobilienexpertin Gil Bar zufolge immer weniger interessante Objekte.

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    Kursstand: 7.404,47 Pkt (Commerzbank CFD) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

London (GodmodeTrader.de) - Die europäische Wirtschaft wächst dank der steigenden Investitionen und des wachsenden Verbrauchervertrauens nach wie vor unerwartet schnell. Das BIP im Euroraum legte im Jahresvergleich im zweiten Quartal 2,3 Prozent zu und wuchs damit deutlich über dem Trend. Die Arbeitslosenquote sank im Juli 2017 auf 9,1 Prozent und liegt nun auf dem Niveau von 2009, wie Gil Bar, Managing Director Germany Real Estate bei Aviva Investors, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Die politischen Risiken hätten sich nach der populistischen Krise gelegt. Obwohl die AfD bei der Bundestagswahl genügend Stimmen erhalten habe, um erstmals in den Bundestag einzuziehen, sei Angela Merkel wieder deutsche Bundeskanzlerin. Ihre Position in der politischen Landschaft Deutschlands sei zwar geschwächt, dennoch ist eine Kontinuität der politischen Führung in Deutschland und in der Europäischen Union sichergestellt, heißt es weiter.

„Der stabile makroökonomische und politische Hintergrund ist ein gutes Omen für die europäischen Immobilienmärkte. Die Vermietungsmärkte bleiben aufgrund der wachsenden Anmietungen und der sinkenden Leerstandsquoten robust. Nur acht Prozent der europäischen hochwertigen Büroflächen standen im ersten Quartal leer und erreichten damit laut CBRE die niedrigste Leerstandsquote seit 2008. Infolge der steigenden Nachfrage der Konsumenten im zweiten Quartal gewinnt auch der Einzelhandels- und Logistikmarkt an Fahrt“, so Bar.

Derzeit zögen Immobilien immer noch Investoren an, weil die Fundamentaldaten im Vergleich zu liquiden Anlageklassen überzeugend wirkten. In den zwölf Monaten bis Juni 2017 sei CBRE zufolge eine absolute Rekordsumme für Immobilien auf dem europäischen Festland ausgegeben worden. Die Suche nach Renditen führe die Anleger vor allem zu Industrieobjekten – dieser Sektor habe im ersten Halbjahr 2017 im Jahresvergleich einen Zuwachs von 136 Prozent verzeichnet. (Dieser Sprung sei vor allem auf einen Deal zurückzuführen: Blackstone habe im Juni Logicor verkauft, eine paneuropäische Logistikplattform für 12,25 Milliarden Euro an den Staatsfonds China Investment Corporation), heißt es weiter.

„Die mäßige Entwicklungstätigkeit und die, auf kurze Sicht, weiterhin lockeren Finanzierungsbedingungen sollten den Zyklus bis nächstes Jahr verlängern. Dennoch sehen hochwertige Immobilien auf einer risikobereinigten Basis bereits teuer aus. Unseren Schätzungen nach bieten nur 13 von 41 hochwertigen Büro-, Einzelhandels- und Industriemärkten in unserer Prognose eine Gesamtrendite, die Anleger adäquat für das zwischen 2017 und 2021 eingegangene Risiko entschädigt. Neben der aggressiven Bewertung gibt es weiter Anzeichen dafür, dass der Markt einen Hochstand erreicht, so auch hohe Aufschläge für Portfolios und große Vermögenswerte, umfassende Fusionen und Akquisitionen und ein hoher Anteil an alternativen Investments“, so Bar.

In dieser Phase des Zyklus sollten Anleger sich nicht exzessiv verschulden. Es könnte angebracht sein, die Portfolios auf defensivere Strategien umzustellen und sich auf Vermögenswerte mit weniger hohem Ertragsrisiko zu konzentrieren. Einige hochwertige Einzelhandelsimmobilien in Spitzenlagen und erstklassige Logistikmärkte sähen im aktuellen Umfeld gut positioniert aus. Industrieobjekte in Nordeuropa seien besonders attraktiv. Belgien dürfte eine beeindruckende Gesamtrendite von 6,5 Prozent pro Jahr versprechen, heißt es weiter.

„Dennoch sollten Anleger sich vor den Entwicklungspipelines im Logistiksektor in Acht nehmen. Industrieanlagen sind schnell gebaut, aber die Dynamik von Angebot und Nachfrage kann sich ebenso schnell wenden. Wir vermeiden zum Beispiel Berlin, weil es in der Stadt eine lange Industriepipeline gibt. Überall sonst wirken Immobilien aggressiv bewertet. Dennoch ist der Unterschied zwischen hochwertigen und zweitklassigen Bewertungen heute in einigen Märkten auf einem historischen Hoch angekommen, wodurch sich Anlagechancen ergeben. Die durchschnittliche Differenz zwischen den Renditen hochwertiger und zweitklassiger Büroflächen in Deutschland beträgt nun 300 Basispunkte, obwohl die Fundamentaldaten der zweitklassigen Märkte in vielen Städten robust sind“, so Bar.

Es bestehe die Gefahr, dass der europäische Anleihenmarkt auf einen Anstieg der Zinssätze und der Inflation in den USA mit der Berücksichtigung weiterer Zinsanhebungen reagiere und die Renditen unerwartet hochtreibe. Das würde die relative Attraktivität europäischer Immobilien schmälern und die Nachfrage der Anleger belasten. Vermögenswerte mit geringer Rendite, vor allem in den Ländern an der europäischen Peripherie, würden in diesem Szenario am härtesten getroffen. Auch ein wirtschaftlicher Abschwung könnte die Immobilienmärkte der Region belasten und zu einem höheren Ertragsrisiko führen, heißt es weiter.

„Unser Basisszenario sieht jedoch vor, dass die Weltwirtschaft weiterhin regelmäßig wächst, die Geldpolitik relativ locker bleibt und die Inflation nicht schnell ansteigt. Vor diesem günstigen Hintergrund sollten sich langfristige Investoren auf Büroflächen in europäischen Städten konzentrieren, die von einer diversifizierten lokalen Wirtschaft, einer robusten Bevölkerungsentwicklung und einem hohen Anteil an wissensintensiven Berufen profitieren. Im Einzelhandel und in der Logistik wäre es wohl besser, den Schwerpunkt auf Objekte in optimaler Lage zu verlagern, um in den Genuss des Strukturwandels im Handel zu kommen“, so Bar.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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