Europäische Geldpolitik macht einen Schritt hin zur Normalität
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1. Der Deka-EZB-Kompass ist von revidierten 60,8 Punkten im Februar auf 60,7 Punkte im März minimal gesunken. Damit scheint nach der Finanzkrise wieder ein Kompass-Hoch erreicht worden zu sein, der einen Inflationsdruck mit Handlungsbedarf der EZB signalisiert. Allerdings ist dies kein Dauerzustand, denn die prognostizierten Kompasswerte dürften in den kommenden Monaten wieder in Richtung des neutralen Niveaus von 50 Punkten sinken. Der aktuelle Inflationsdruck ist primär, wie auch schon in den Monaten zuvor, durch hohe Rohstoffpreise begründet. Allerdings scheint dieser Preisdruck nun langsam abzunehmen: Die Inflationskomponenten Erzeuger- (3,1 %) und Importpreise (10,5 %) machen sich gegenüber dem Vormonat sowie im Prognosezeitraum mit sinkenden Veränderungsraten bemerkbar. Dabei erwarten zunehmend mehr Konsumenten (Preiserwartung der Konsumenten, erfasst durch die Befragung der EU-Kommission: Saldo von 30,8) zukünftig stärker steigende Preise. Die realwirtschaftlichen Komponenten zeigen nach wie vor ein starkes Konjunkturbild. Das Economic Sentiment der Europäischen Kommission weist trotz eines leichten Rückgangs (-0,6 Punkte) auf 107,3 Punkte darauf hin, dass die Wirtschaftsakteure in Euroland sich durch die schlechten Nachrichten der vergangenen Wochen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Auch der Einkaufsmanagerindex bestätigt mit 57,5 Punkten die gute Stimmung bei den Unternehmern. Alles in einem deuten die Kompass-Komponenten auf einen intakten Aufschwung sowie künftig langsam abnehmenden Inflationsdruck hin, was sich allerdings noch nicht in den Inflationserwartungen der Konsumenten widerspiegelt.
2. Dass der EZB-Kompass im Laufe des Jahres wieder zurück gehen würde, hatten wir erwartet und erwarten wir weiterhin für die kommenden Monate. Nicht erwartet hatten wir, dass die Kompasswerte so hoch ausfallen würden, dass der EZB eindeutig zu Zinserhöhungen zu raten wäre. Es waren insbesondere die sich schnell erholende Konjunktur und die rohstoffpreisbedingt anziehenden Import- und Erzeugerpreise, die das auf den ersten Blick problematische Bild prägen. Doch auf den zweiten Blick relativieren sich die Dinge etwas. So muss man bei den realwirtschaftlichen Variablen einräumen, dass nach dem starken Rückgang in der Finanzkrise nun zwar der Anstieg ebenfalls stark ist, dies jedoch nicht notwendigerweise auf weiteren Inflationsdruck hindeutet, zumal die Outputlücke auch in Deutschland vermutlich immer noch nicht ganz geschlossen ist. Bei der Verbraucherpreisinflation (HVPI) waren die Energie- und Nahrungsmittel nahezu die einzigen Preistreiber. Sofern diese Güter nicht weiterhin mit der gleichen Geschwindigkeit teurer werden, müssten sich durch Basiseffekte die Inflationskomponenten des Kompass künftig wieder abschwächen. Basiseffekte sind diejenigen Anteile der aktuellen Inflationsrate, die nicht auf die Veränderung in der aktuellen Periode zurückzuführen sind, sondern auf ungewöhnliche Preisbewegungen in der Vergleichsperiode, also bei jährlichen Inflationsraten zwölf Monate vorher. Da vor etwa einem Jahr der deutliche Anstieg der Rohölpreise - und damit auch der Inflationsrate - begann, fallen nun diese Anstiege von Monat zu Monat aus der aktuellen Inflationsrate heraus und senken diese wieder ab - wenn der Rohölpreis künftig nicht weiterhin mit der gleichen Geschwindigkeit ansteigt. Kumuliert sollte sich dieser Effekt bis zum Jahresende auf knapp 0,7 Prozentpunkte belaufen. Allerdings sind die kräftigsten dieser Basiseffekte im April bereits vorbei. Ab Mai wird es in diesem Zusammenhang deswegen spannend, weil man endlich einmal den Inflationstrend ohne das Einwirken dieser Basiseffekte beobachten kann.
3. Die EZB wird aus alldem die Konsequenz ziehen, bei ihrer kommenden Sitzung am Donnertag den Refisatz um 25 bp zu erhöhen. Der Ausblick wird dabei zwar weiterhin "wachsam" sein, aber nicht "stark wachsam", was in der Sprache der EZB soviel heißt, wie dass es weitere Zinserhöhungen geben wird, aber nicht gleich beim nächsten zinspolitischen Treffen im Mai. Wir rechnen insgesamt mit 4 Zinserhöhungen um jeweils 25 bp auf dann 2 Prozent.
Die ökonomischen Wirkungen der teilweise dramatischen Ereignisse an verschiedenen Stellen der Weltwirtschaft, insbesondere in Japan und Nordafrika, sind nach gegenwärtigem Stand der Beobachtungen zu geringfügig, um den gegenwärtig laufenden Erholungstrend der Weltwirtschaft aufzuhalten. Insbesondere durch sich verstetigenden Zahlen eines an Kraft gewinnenden Aufschwungs in der US-Wirtschaft erfährt die Weltwirtschaft neue Unterstützung bei der Erholung von den finanzkrisenbedingten Einbrüchen. All dies rechtfertigt keine Notzins-Geldpolitik mehr. Und nicht mehr hat die EZB auch vor als die Notenbankzinsen aus dem Panik-Modus in eine normale expansive Ausrichtung zu bringen. Zunehmend haben Zentralbankvertreter auch öffentlich zum Ausdruck gebracht, dass dahinter nicht nur die Eindämmung eventuell ansteigender Inflationserwartungen steht, sondern auch die Sorge, dass ein ultra-expansiver Zinskurs über eine zu lange Zeit die Finanzmarktstabilität wieder untergräbt.
4. Wir erwarten von der EZB bei dieser Sitzung allerdings noch mehr als die Zinsentscheidung. So machen sich die Währungshüter schon seit längerem Gedanken, wie geldpolitisch mit den enormen Unterschieden in den Konstitutionen der europäischen Banken umgegangen werden soll. Insbesondere portugiesische und irische Banken sind bei der Liquiditätsbeschaffung ausschließlich auf die EZB angewiesen, weil sie an den Märkten aufgrund der Schuldenlage ihres Staates kein Vertrauen mehr genießen. Um dieses Vertrauen wiederherzustellen, sind konsequente Sanierungsarbeiten, also Abschmelzung von Aktiva, Erhöhung von Eigenkapital und Änderung von Geschäftsmodellen notwendig. Wichtig ist, dass diese notwendigen Arbeiten im politischen Prozess nicht verschleppt werden und damit ein Dauerproblem entstehen lassen. Wir erwarten, dass die EZB hierzu ein Banken-Erholungs-Programm ankündigt. In diesem könnte sie eine künftige großzügige Liquiditätspolitik mit mehr Einflussmöglichkeiten auf diesen Sanierungsprozess verbinden.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 160 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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