Europa wird zu einer Restrukturierungsstory
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London (BoerseGo.de) - Europa wird in den kommenden fünf bis zehn Jahren eine strukturell bedingte Phase sehr niedrigen realen Wachstums durchlaufen. Allerdings verläuft diese Entwicklung nach Regionen und Ländern sehr unterschiedlich. Während die Volkswirtschaften in Südeuropa weiter mit den Folgen der Schulden- und Immobilienkrise zu kämpfen haben und weiter schrumpfen werden, bilden Deutschland und Skandinavien die positiven Ausnahmen. Dennoch wird das wirtschaftliche Umfeld auf dem gesamten Kontinent geprägt sein von Restrukturierungen. Für Investoren ergeben sich damit Einstiegsgelegenheiten bei denjenigen Unternehmen, die diesen Anpassungsprozess so konsequent wie möglich vorantreiben. Zu dieser Einschätzung kommen die Experten des amerikanischen Asset Managers Janus Capital.
„Für eine positive Überraschung in diesem sehr verhaltenen Szenario gibt es im Grunde genommen nur zwei potenzielle Möglichkeiten“, sagt Guy Scott, Portfolio-Manager bei Janus, „entweder das weltweite Wirtschaftswachstum legt deutlich zu oder die betroffenen Unternehmen einigen sich mit den Gewerkschaften über härtere und schnellere Anpassungsmaßnahmen“. Nach Scotts Beobachtungen sind mittlerweile über die Hälfte der von ihm verfolgten Unternehmen zu einem Restrukturierungsfall geworden.
„Denn die meisten europäischen Industriekonzerne haben auf die Folgen der Finanzkrise viel zu spät reagiert“, erklärt Scott. Ein Beispiel dafür: die Automobilbranche. Während die US-Autobauer bereits unmittelbar nach Ausbruch der Krise Werke geschlossen und Personal abgebaut haben, hatten ihrer europäischen Wettbewerber kaum Anreize dazu, weil viele Regierungen mit Zuschüssen den Absatz stabilisiert und Arbeitsplätze zeitweise subventioniert haben. Doch mit dem Auslaufen der Hilfsprogramme zeigt sich, dass die Krise zeitlich nur nach hinten verlagert wurde. Folge: Den meisten europäischen Konzernen steht ein schmerzhafter Anpassungsprozess bevor. Dies bietet Investoren allerdings auch Chancen.
„Die US-Autoindustrie zum Beispiel ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen“, beobachtet Scott, „viele der Autoproduzenten arbeiten mittlerweile wieder an ihrer Kapazitätsgrenze und erzielen Rekordwerte bei den Margen und ihrem freien Cash Flow.“ Anleger, die auf eine Restrukturierungsstory setzen, sollten jedoch Geduld mitbringen und vorausschauend investieren. „Die Frage ist, wann sich die Anpassungsmaßnahmen in steigenden Gewinnen niederschlagen“, beschreibt der Janus-Experte seinen Investmentansatz, „ich versuche diejenigen Unternehmen herauszupicken, die die tiefgreifenden Anpassungsmaßnahmen vornehmen, und die in Branchen tätig sind, die vom nächsten zyklischen Aufschwung am meisten profitieren werden.“ Zudem wirft der Portfolio-Manager einen Blick auf die Erfolgsanreize für das Management und die Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen innerhalb der verschiedenen Unternehmens- und Managementebenen.
Als Beispiel für eine chancenreiche Restrukturierungsstory sieht der Experte ThyssenKrupp. „Der Konzern versucht, seinen verlustreichen Stahlbereich zu verkaufen und sich auf seine ertragreichen Geschäftsfelder zu konzentrieren wie etwa auf die Aufzugsparte“, so Scott, „wenn es dem Unternehmen gelingt, die unrentablen Geschäftsfelder abzugeben, sehen wir bei ThyssenKrupp langfristig großes Potenzial.“ Anlagechancen sieht er auch bei Spin-offs, also die Abtrennung einzelner Konzernsparten, die zum Beispiel im Zuge einer Restrukturierung dann als rechtlich eigenständigen Einheiten an die Börse gebracht werden. „Oftmals haben die Aktionäre des Mutterkonzerns kein Interesse an diesen Aktien, so dass sie oft vergleichsweise günstig am Markt platziert werden“, sagt der Janus-Experte. Dabei haben viele der Spin-offs ein sehr ehrgeiziges Management, das sich profilieren will und seine Möglichkeiten nutzen kann, sich frei von Konzernstrukturen flexibel am Markt zu bewegen. „Das kann ein Katalysator sein, um neue Werte zu schaffen“, ist Scott überzeugt.
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