Kommentar
14:25 Uhr, 23.05.2008

Euroland: Einkaufsmanagerindizes im Mai - Eiszeit

1. Der Gesamtindex der Einkaufsmanager sackte im Mai nach Robustheit im Vormonat weiter ab. Er fiel von 51,9 auf 51,1 Punkte, den niedrigsten Stand seit Juli 2003. Dies stellte – gerade nach dem deutlichen Anstieg des ifo Geschäftsklimas am Mittwoch – für die meisten Konjunkturbeobachter eine negative Überraschung dar (Reuters-Median: 51,6; DekaBank: 51,0). Der Indikator liegt nun sogar unter seinem Wert vom Januar, als wegen des zweiten Finanzmarktkrisenschocks Panik ausgebrochen war. Sein Niveau ist jetzt eindeutig in dem Bereich, ab dem die Europäische Zentralbank in den Jahren 2001 und 2003 die Zinsen senkte – das derzeitige Dilemma der Frankfurter Währungshüter wird immer plastischer.

2. Die Schwäche des Gesamtindex resultiert aus einem kräftigen Rückgang des Dienstleisterindex. Dieser sank von 52,0 auf 50,6 Punkte, auch der niedrigste Stand seit Juli 2003. Der Indikator des verarbeitenden Gewerbes gab nur leicht von 50,7 auf 50,5 Punkte nach. Somit befinden sich nun beide Indizes auf einem fast identischen Niveau, jeweils nur noch hauchdünn über der Expansionsschwelle von 50 Punkten.

3. Dass der sich in den Einkaufsmanagerindizes widerspiegelnde Abschwung längerfristiger Natur sein dürfte, zeigt sich vor allem in der relativ träge reagierenden Reihe für die Beschäftigung. Der Beschäftigungsindex der Gesamtwirtschaft sank zum dritten Mal in Folge, im Mai relativ stark um 0,9 auf 51,5 Punkte. Der Index hatte sich noch bis März gegen den allgemeinen Abwärtstrend gesträubt und den Eindruck aufkommen lassen, die Unternehmen der Eurozone würden über die durch die Finanzkrise ausgelöste Konjunkturdelle hinwegsehen. Nun sieht es eher so aus, als ob diese deutlich vorsichtiger werden würden und stärker auf ihre Kostenseite achten. Angesichts eines Neuauftragsindex für die Gesamtwirtschaft, der erstmals seit Sommer 2003 wieder mit 49,8 Punkten im Kontraktionsbereich notiert, ist das wenig verwunderlich.

4. Bemerkenswert an der Schwäche der Dienstleister – neben dem schwachen Index für den Auftragsbestand (46,3 Punkte) – sind die unterirdischen Geschäftserwartungen für die nächsten zwölf Monate. Dieser Index ist eine Reihe, die in der Regel kaum Beachtung findet, weil sie nur nicht-saisonbereingt ausgewiesen wird. Er sank im Mai abermals stark auf nur noch 56,1 Punkte. Das ist zunächst der schlechteste Wert seit November 2001. Nun darf man hier wegen der Saisonmustern allerdings höchstens gleiche Monate miteinander vergleichen. Dann aber stellt man fest, dass die Geschäftserwartungen noch nie in einem Mai so niedrig waren wie dieses Jahr (Werte sind seit 1999 verfügbar). Der schlechteste Wert war hier der aus dem – sicherlich als problematisch einzustufenden – Mai 2001, als die Geschäftserwartungen bei 64,2 Punkten lagen. Das waren aber immerhin über acht Punkte mehr als jetzt!

5. Mit den Daten für Euroland wurden heute auch die Einkaufsmanagerindizes für Deutschland und Frankreich veröffentlicht. Hier schockierte der französische Dienstleisterindex mit einem Rückgang um 2,1 auf nur noch 50,7 Punkte. Im März stand dieser Index noch bei 57,3 Punkten. Frankreich fällt nun offensichtlich auch als Eurolandstütze aus, zumal heute Morgen zusätzlich schwache Daten zum privaten Konsum veröffentlicht wurden. Spanien und Italien befinden sich bereits in einem spürbaren Abschwung. Bleibt Deutschland, das tatsächlich relativ am besten dasteht: Hier blieb der Index des verarbeitenden Gewerbes fast unverändert bei 53,5 Punkten (nach dem ifo-Index hätte man sich aber mehr erwarten können), der für die Dienstleister sank – von hohem Niveau kommend – deutlich um 1,2 Punkte auf nun 53,7.

6. Der konjunkturelle Klimawandel führt Euroland momentan ganz offensichtlich in die Eiszeit. Damit nagt die Finanzkrise nicht mehr nur am Wirtschaftswachstum, sie geht bereits an die Substanz. Das zweite Quartal sollte für Euroland kaum mehr als eine Stagnation des bringen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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