Kommentar
17:26 Uhr, 22.02.2017

Euro ohne Deutschland?

  • Immer häufiger hört man derzeit den Vorschlag, zur Lösung der Probleme im Euro solle Deutschland aus der Gemeinschaft austreten.
  • Das ist abwegig. Es hilft weder der Währungsunion, noch den verbleibenden Mit­gliedern, noch Deutschland.
  • Acht Gründe, weshalb die Gemeinschaftswährung ohne Deutschland schlechter dastünde.

Vor ein paar Tagen sprach ich in Wien mit dem Vorstand ei­ner renommierten österreichischen Privatbank über die Pro­bleme in der europäischen Währungsunion. In vielen Punk­ten waren wir unterschiedlicher Meinung. Schließlich meinte er resignierend (freilich nicht ganz ernst gemeint): Dann bleibt doch nur, dass Deutschland aus dem Euro ausschei­det.

Das ist eine Meinung, die ich in letzter Zeit häufiger höre. Ich vermute, dass sie an Gewicht gewinnen wird, wenn es im Euro zu noch größeren Spannungen kommen sollte und – Gott sei's geklagt – vielleicht sogar ein Mitglied ausschei­det. Es ist daher gut, sich frühzeitig mit den Argumenten vertraut zu machen.

Der Grund für die Idee, sich den Euro ohne Deutschland vorzustellen, ist naheliegend. Die Bundesrepublik gilt im Eu­ro vielfach als Störenfried. Es ist das Land, das am meisten die Einhaltung der Stabilitätskriterien einfordert. Es hat ei­nen riesigen Leistungsbilanzüberschuss. Es ist wettbe­werbsfähiger und erfolgreicher auf den internationalen Märkten. Ohne die Deutschen wäre der Wechselkurs des Euros schwächer. Die anderen Länder hätten es leichter auf den Weltmärkten zu konkurrieren. Die Geldpolitik wäre ver­mutlich noch lockerer. Das Leben wäre für manch einen leichter in Europa.

Euro-ohne-Deutschland-Kommentar-Martin-Hüfner-GodmodeTrader.de-1

So jedenfalls scheint es auf den ersten Blick. Wenn man ge­nauer hinschaut, wird jedoch schnell klar, dass vieles nicht leichter, sondern schwerer würde. Das gilt für die Wäh­rungsunion insgesamt, für die Länder, die dann noch im Eu­ro verblieben und auch für Deutschland selbst. Hier acht Gründe dafür.

Erstens würde sich die Qualität des Euros verschlechtern. Die Preise würden stärker steigen. Die öffentlichen Defizite und die Verschuldung wären größer. Die Realzinsen der Sparer wären noch niedriger und die Altersvorsorge noch schwieriger. Kapitalzuflüsse aus dem Ausland wären gerin­ger. Auf internationaler Ebene spielte der Euro nur noch ei­ne unbedeutende Rolle. Das würde sich auch negativ auf die Akzeptanz des Euros im Innern auswirken. Wer mag schon eine schwache Währung?

Zweitens wäre die Funktionsfähigkeit der Gemeinschafts­währung gefährdet. Eine Währung braucht nicht nur eine gemeinsame Zentralbank. Sie braucht auch Regeln für ge­sundes und richtiges Verhalten seiner Mitglieder. Das durchzusetzen wäre ohne Deutschland schwerer. Es fehlte dann jemand, der durch eigenes Beispiel die Regeln glaub­würdig einfordern kann.

Drittens ist auch unabhängig davon zu bezweifeln, dass die Gruppe der Länder, die beim Ausscheiden Deutschlands aus dem Euro zurückbliebe, eine arbeitsfähige Währungs­union bilden könnte. Sie ist keineswegs homogen. Manche plädieren für mehr Stabilität, andere wollen weniger Einmi­schungen in nationale Angelegenheiten und häufigere Ab­wertungen. Es ist zu vermuten, dass das eine oder andere Land dem Beispiel Deutschlands folgen würde und eben­falls austräte. Die ganze Sache liefe dann auf die bekannte Diskussion über einen Nord- und einen Südeuro hinaus, bei der jeder inzwischen weiß, dass sie nicht funktioniert.

Viertens gäbe es auf Dauer weniger Wachstum und Be­schäftigung, selbst wenn die Länder eine expansivere Fis­kalpolitik betreiben könnten. Deutschland ist nun einmal der wichtigste Handelspartner im Euroraum. Wenn es nicht mehr der gemeinsamen Währung angehören würde, wür­de der Handel durch höhere Währungsrisiken belastet. Die Währungsabsicherung würde teurer. Die Arbeitsteilung nähme ab.

Fünftens ist es nicht richtig, dass Deutschland im Euro auf­grund seiner Performance ein Störenfried ist. Es steht zwar in Sachen Geldentwertung und Verschuldung besser da. Bei Wachstum und Investitionen rangiert es aber nur im Mit­telfeld (siehe Grafik). Andere Länder wie Spanien, Irland und Portugal haben in den letzten Jahren gezeigt, dass
man bei konsequenter Einhaltung der Regeln in der Ge­meinschaft erfolgreich sein kann.

Sechstens könnte auch Deutschland mit einem Austritt aus dem Euro nicht glücklich werden. Es hätte dann zwar mehr Freiheiten, seine stabilitätspolitischen Vorstellungen durch­zusetzen. Es wäre aber politisch isoliert. Das ist für ein Land, das von so vielen anderen Staaten umgeben ist und das eine so schwierige Geschichte mit seinen Partnern hat­te, gelinde gesagt problematisch.

Siebtens wäre es auch wirtschaftlich schwerer für Deutsch­land. Es geriete in die Position, die es über Jahrzehnte im System flexibler Wechselkurse hatte. Die Exportunterneh­men müssten mit der ständigen Gefahr der Aufwertung der Währung rechnen. Die Notenbank müsste intervenieren und dabei ihre Stabilitätsziele vernachlässigen. Wir sehen in die­sen Jahren gerade an der Schweiz, wie schwierig das für ein Land ist.

Achtens schließlich wäre ein Ausscheiden Deutschlands aus dem Euro ein schwerer Rückschlag für die EU insge­samt. Es ist fraglich, ob die Gemeinschaft das überleben würde. In jedem Fall verlöre sie an Standing, Einfluss und Durchsetzungskraft in der Welt. Ein Großteil der Vorteile des Binnenmarktes – nämlich die festen Wechselkurse – ginge verloren.

Für den Anleger haben diese Betrachtungen keine unmittelbaren Auswirkun­gen. Festzuhalten ist aber, dass derzeit auch bei einer Es­kalation der Spannungen im Euro nicht befürchtet werden muss, dass Deutschland aus der Währungsunion austritt oder dass es von den anderen gar herausgeschmissen wird. Darüber redet man zwar gerne, es wäre aber ein Ver­lustgeschäft.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

3 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • P_44
    P_44

    Doch, es hilft Deutschland. Und zwar politisch. Wenn wir nicht mehr dabei sind, dann sind wir auch nicht mehr schuld an den Problemen. ... Also ich wäre sofort für den Austritt aus dem Euro!

    21:41 Uhr, 22.02.2017
  • Trader649
    Trader649

    Ich halte diesen Beitrag für zu viiel zu optimistisch. Alle Ökonomen sind sich einig, dass die EU langfristig nur als Haftungsgemeinschaft funktuionieren wird, entgegen alller Mastrich-Gesetze. Der Deutsche Steuerzahler muss al für die Schulden der Südländer haften, die ohne Abwertung der Währung nie wettbewerbsfähig sein werden. Und was ist mit den Target-2-Salden? Wenn eines der Südländer austritt werden diese Forderungen, ca. 800 Mrd. EUR, nicht mehr einzutreiben sein, und der Deutsche Steuerzahler muss dafür aufkommen. Und der deutsche Sparer wird durch Nullzins (und vermutlich sogar Negativzins nach Abschaffung des Bargelds) und Inflationierung (zugunsten der Südländer) enteignet. Wie soll hier Vermögen für das Alter aufgebaut werden? Über kurz oder lang wird mindestens eines der größeren EUR-Länder (Spanien, Italien) austreten. Wiie lange werden sich diie Bürger dieser Länder die desolate Situation noch gefallen lassen? Eine gemeinsame Währung bei so unterschiedlicher Wirtschaftskraft kann nicht funktioneren. Und jje länger das so weiter geht, umso größer wird die Summe sein, die der deutsche Steuerzahler aufbringen muss. Und letztlich hat Trump ja nicht ganz unrecht, wenn er sagt, dass die Deutsche Industrie mit dem für Deutschland viel zu schwachen EUR auf Kosten der Südländer - für die der EUR zu stark ist - und insbesondere des Deutschen Steuerzahler schmarotzt. Daher lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Und die Politik, die diese Probleme alle vertuscht, sollte dem Wähler lieber mal reinen Wein einschänken anstellle diese Hinhaltestrategie weiter - zum Schaden der Bevölkerung - weiter zu betreiben.

    19:37 Uhr, 22.02.2017
    1 Antwort anzeigen