Kommentar
15:01 Uhr, 30.04.2007

Euro auf Allzeithoch - Aufschwung ade?<br />

1. Der Euro hat am Freitag die Marke von 1,3637 USD/EUR nach oben durchstoßen. Damit stand er kurzzeitig seit Gründung der Europäischen Währungsunion auf einem Allzeithoch gegenüber dem USDollar. Oberhalb dieser Marke liegt charttechnisches Niemandsland. Kurzfristig ist damit nun ein weiterer Anstieg möglich, insbesondere sobald weitere enttäuschende Konjunkturdaten aus den Vereinigten Staaten bekannt werden sollten. Mittelfristig erscheint der Pessimismus der Devisenmärkte über den Zustand der USKonjunktur übertrieben. Trotzdem stellt sich die Frage nach den konjunkturellen Rückwirkungen der Euro- Stärke.

2. Rückblick: Im Anschluss an die Rezession des Jahres 1993 schwenkte die deutsche Volkswirtschaft wieder auf einen Wachstumskurs ein, der jedoch im Jahr 1995 ein abruptes Ende fand. Der junge Aufschwung mündete in eine Fast-Rezession mit zwei Quartalen rückläufigen Wachstums in Folge zum Jahreswechsel 1995/96. Wie war es zu dieser jähen Unterbrechung des Aufschwungs gekommen? Zwei Entwicklungen trugen hierzu maßgeblich bei: Eine starke Aufwertung der D-Mark, deren Wert von Februar 1994 bis April 1995 um 30,1 % anstieg, traf auf hohe Tariflohnabschlüsse, die zu einem Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Lohn- und Gehaltsniveaus um 3,6 % führte. Damit wurde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen von zwei Seiten in die Zange genommen.

3. Droht im Jahr 2007 eine ähnliche Entwicklung? Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob sich die Geschichte wiederholen könnte. Die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar beträgt seit Beginn 2006 nun rund 15 Prozent. Zudem wurden und werden noch hohe Tariflohnabschlüsse getätigt, die andere Seite der vermeintlichen Zange. Der zweite Blick offenbart jedoch einige Unterschiede.

• Die Aufwertung der heimischen Währung war im Jahre 1995 mit 9,1 % ausgeprägter als sie wohl in diesem Jahr sein wird (rund 6 %). Gemessen vom jeweiligen Tiefpunkt betrug die Aufwertung damals rund 30%, heute bisher nur rund 17 %. Anders gewendet der Euro müsste noch auf einen Kurs von über 1,50 EUR/USD steigen, um eine vergleichbare Entwicklung hinzulegen.

• Unterstützend kommt hinzu, dass seit der Gründung der Europäischen Währungsunion wichtigen Konkurrenten in Europa nicht mehr der Wechselkurs als Politikvariable zur Verfügung steht. So hatte die italienische Lira im Jahr 1995 spürbar abgewertet. Wie sehr die deutsche Volkswirtschaft unter der Währungs- und Tariflohnentwicklung litt, zeigt der reale effektive Wechselkurs. Von den Belastungen des Jahres 1995 sind wir noch weit entfernt. Hierin zeigt sich einmal ganz direkt ein Vorteil der Europäischen Währungsunion für die deutsche Volkswirtschaft: Während es früher bei solchen Währungsbewegungen fast schon automatisch zu Turbulenzen im Europäischen Währungssystem gekommen wäre, bleibt Deutschland heute von hiervon verschont.

• Die deutschen Unternehmen haben gelernt, mit einem höheren Wechselkurs zu leben. Sie haben dies in den vergangenen Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Möglich war dies aber nur, weil sie kräftig restrukturiert haben, weil sie ihre globale Präsenz ausgebaut und ihre durch mehrjährige moderate Lohnabschlüsse verloren gegangene Wettbewerbsfähigkeit zurück gewonnen haben. 1995 waren Jahre mit hohen Tariflohnabschlüssen und hohem Lohnstückkostenwachstum vorausgegangen. Dies ist aktuell nicht der Fall. Mit einmalig hohen Abschlüssen können die Unternehmen leben, doch sollte – nicht zuletzt auch wegen des geringeren Produktivitätswachstums in den letzten Jahren – eine Wiederholung im kommenden Jahr unterbleiben. Der Verteilungsspielraum ist geringer geworden.

• Anders als im Jahre 1995 ist das weltwirtschaftliche Wachstum aktuell dynamischer. Erstmalig wird die Weltwirtschaft sechs Jahre in Folge mit einer Rate von 4 % und mehr wachsen, fünf Jahre in Folge sogar um über 4½%. Zwar waren auch die Jahre um 1995 recht dynamisch, doch im Durchschnitt nahm das Weltbruttoinlandsprodukt nur um rund 4% zu. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass das Wachstum der Nachfrage nach deutschen Exporten die Auswirkungen einer Aufwertung überkompensieren kann. In der kurzen Frist gilt dies noch viel mehr, da die Unternehmen aus Fehlern der Vergangenheit gelernt haben, und ihre Fremdwährungspositionen durch Wechselkurssicherungsgeschäfte absichern. Und selbst wenn diese auslaufen, werden die Unternehmen bemüht sein, Wettbewerbsnachteile durch eine Margenverringerung abzufedern. Das geht auf die Gewinne, sichert aber Marktanteile.

• Schlussendlich ist die Nachfrage nach deutschen Exportgütern weniger preisreagibel als beispielsweise die nach italienischen Produkten. Das liegt daran, dass die deutschen Exporteure verstärkt im Hochtechnologiesegment anbieten, dass sie beispielsweise im Maschinenbau keine Massenware, sondern „Maßanfertigungen“ liefern und schließlich dass die Produktpalette durch ein Bündel an produktbezogenen Dienstleistungen abgerundet wird. Hierbei handelt es sich um die Unterstützung bei der Planung, bei der Montage, bei Schulungen bis hin zu Finanzierungsmodellen.

Mit ins Bild genommen werden muss aber auch das Umfeld, in dem sich die Aufwertung vollzieht, und das dürfte 2007 belastender sein. 1995 waren die geldpolitischen Impulse – gemessen an der Veränderung des realen geldpolitischen Leitzinses – nur leicht negativ, der fiskalpolitische Impuls – gemessen an der Veränderung des zyklisch bereinigten Primärdefizits in Relation zum Produktionspotenzial – sogar expansiv. 2007 stehen beide Politikvariablen stärker auf Bremswirkung. Das stellt im Zusammenspiel mit den Tariflohnsteigerungen ein gewisses Gefahrenpotenzial dar.

4. Was passiert, wenn der Euro weiter aufwertet? Drei Faktoren bestimmen die Antwort: Wie stark wertet der Euro auf, wie lange bleibt der Wechselkurs auf dem hohem Niveau und wie schnell vollzieht sich diese Aufwertung?

• Unser Basisszenario sieht eine Rückkehr des EUR-USD-Wechselkurses auf 1,30 auf Sicht von 12 Monaten vor. Auf mittlere Sicht sprechen sowohl die Wachstums- als auch die Zinsdifferenz für den US-Dollar. Losgelöst von den fundamentalen Faktoren, die für unser Basisszenario sprechen, sind allerdings spekulative Entwicklungen möglich, die den Eurokurs stärker in die Höhe treiben. Diese Gefahr ist im Fall des Reißens des Allzeithochs und des Vordringens in charttechnisches Niemandsland besonders hoch. Dann ist ein Austauschverhältnis beider Währungen von 1,40 EUR/USD und darüber nicht auszuschließen. Von einem Dollar-Crash könnte aber auch in diesem Fall nicht gesprochen werden.

• Entscheidend für die Auswirkungen einer Aufwertung ist ihre Langlebigkeit. Allgemein gilt: Kurzfristige Aufwertungen, das heißt über einen Zeitraum von bis zu neun Monaten, haben keine messbaren Auswirkungen, da die Unternehmen durch Wechselkurssicherungsgeschäfte geschützt sind. Sollte der Euro mittelfristig auf dem hohen Niveau von über 1,40 EUR/USD bleiben, so werden die Unternehmen zunächst die Wettbewerbsnachteile durch eine Verringerung ihrer Margen ausgleichen. Das mindert die Gewinne, sichert aber die Marktanteile für bessere Zeiten. Erst auf längere Sicht oder bei einer zu starken Aufwertung müssten sie Marktanteilsverluste hinnehmen.

• Vollzieht sich die Aufwertung schnell, so verbleibt den Unternehmen keine Zeit über die bislang getroffenen Maßnahmen hinaus Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Außerdem ist es möglich, dass Preisanpassungen zur Marktanteilssicherung nicht schnell genug vorgenommen werden können und somit Marktanteile verloren gehen. Eine schleichende und vor allem absehbare Aufwertung ermöglicht es, die negativen Auswirkungen durch Effizienz steigernde Maßnahmen, Standortpolitik oder Vertragsausgestaltungen abzuschwächen.

5. Ebenso wenig wie man fahrlässig über die Entwicklungen auf dem Devisenmarkt hinwegblicken darf, so wenig Anlass gibt es derzeit, in Panik zu verfallen. Unser Hauptszenario bleibt ein hoher, aber stabiler Euro. Derzeit müssen wir uns also vom Aufschwung (noch) nicht verabschieden. Verglichen mit 1995 ist der Konjunkturzyklus schon viel reifer und damit gefestigter. Allerdings sollte man die Entwicklung genau beobachten. In Zeiten einer aufwertenden Währung und einer anziehenden Zinsschraube ist es umso wichtiger, dass die Tarifpartner zu vernünftigen Lohnabschlüssen kommen. Sollten der Euro dauerhaft auf eine Relation zum US-Dollar von merklich über 1,40 steigen (Fall 2) und die diesjährigen Tariflohnabschlüsse Schule machen, so müsste das Urteil ungleich skeptischer ausfallen. Dann würde es zu spürbaren Bremswirkungen bei den Exporten und zu einer Umlenkung der Binnennachfrage hin zu importierten Waren kommen. Dies würde das Tempo des konjunkturellen Aufschwungs spürbar reduzieren. Die zu erwartende Wachstumsrate von 2,1 Prozent für das kommende Jahr müsste in der Größenordnung von etwa einem halben Prozentpunkt nach unten korrigiert werden. Eine Rezession ist aber nicht in Sicht, zumindest solange das Tempo der weltwirtschaftlichen Expansion hoch bleibt.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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