Kommentar
12:56 Uhr, 29.12.2022

Bei S&P500, Nasdaq und DAX brauen sich für 2023 noch mehr dunkle Wolken zusammen

Die von vielen Anlegern erhoffte Jahresendrally an den Aktienmärkten ist ausgeblieben. Leider sind auch die Aussichten zum Start in das Neue Jahr 2023 alles andere als erfreulich.

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 13.948,36 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • S&P 500
    ISIN: US78378X1072Kopiert
    Kursstand: 3.783,22 Pkt (S&P) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Das Börsenjahr 2022 wollen zahlreich Anleger am liebsten vergessen, schließlich gab es herbe Verluste, beim S&P 500 (3.783,22 -1,20 %) und gerade beim Nasdaq Composite (10.213,29 -1,35 %) waren sie noch deutlich größer als beim L&S DAX (13.948,52 0,16 %). Umso mehr hoffen die Anleger, dass es im neuen Jahr 2023 eine Trendwende nach oben gibt. Ich teile diese Hoffnung allerdings überhaupt nicht. Vielmehr erinnern mich viele Entwicklungen bei Konjunktur – gerade in den USA – und am Aktienmarkt leider stark an das Jahr 2008.


Kräftige Zinserhöhungen der Fed belastet hochverschuldete US-Wirtschaft enorm

Der größte Belastungsfaktor für die US-Wirtschaft und damit S&P500, Nasdaq und DAX sind die kräftigen Zinserhöhungen der Fed. Sie hat den Leitzins im Jahr 2022 um herbe 425 Basispunkte (4,25 Prozentpunkte) auf 4,25 bis 4,5 Prozent angehoben. Das sind die stärksten Zinserhöhungen seit den 1970er-Jahren.

Die Folge: die Zinsen für Kredite an Verbraucher und Unternehmen sind nach oben geschossen und belasten derzeit viele hochverschuldete Konsumenten und Unternehmen massiv. So haben sich die Zinsen für 30jährige Hypothekenkredite seit Jahresanfang verdoppelt auf zuletzt 6,3 Prozent. Dass in dem Umfeld die Verkäufe bestehender Häuser kollabieren und damit schnell eine Immobilienkrise heraufzieht, sollte niemanden überraschen.

Im gleichen Zeitraum sind die Zinsen für Kredite für den Kauf neuer Autos von 4 auf 6,1 Prozent nach oben geschossen. Welche Folgen das im nächsten Jahr für den US-Autoabsatz haben dürfte, kann sich jeder selbst ausmalen. Ich fürchte, dass es zu einem heftigen Einbruch bei den Verkäufen von Pkws, SUVs und Pick-up Trucks kommen wird.

Die Lage am Immobilien- und Automarkt wird noch schlimmer werden, weil die Fed für 2023 eine Erhöhung der Leitzinsen auf 5,1 Prozent angekündigt hat – damit stehen bis zum Frühjahr Zinserhöhungen um weitere 75 Basispunkte auf der Agenda. Und auf der Pressekonferenz nach der Fed-Sitzung am 14. Dezember 2022 hat Fed-Chef Jay Powell betont, dass die Fed bei den Sitzungen im März, Juni, September und Dezember die Zinsprognose jeweils angehoben hat und gewarnt, dass die Fed das erneut tun könnte. Powell und seine Kollegen tun also alles in ihrer Macht stehende, um Luft gerade aus dem Aktienmarkt abzulassen.


Steigende US-Zinsen schicken Technologie-Aktien auf Crash-Kurs

Das Problem dabei: Je stärker die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen steigen, umso mehr belasten sie gerade die hochbewerteten US-Tech-Aktien, wie Tesla Inc. (112,71 $ 3,31 %), Apple Inc. (126,04 $ -3,07 %), Amazon.com Inc. (81,82 $ -1,47 %), NVIDIA Corp. (140,36 $ -0,60 %), Microsoft Corp. (234,53 $ -1,03 %), Meta Platforms Inc (115,62 $ -1,08 %) und Alphabet Inc. (Class C) (86,46 $ -1,67 %). Denn bei steigenden US-Zinsen werden die erwarteten stark steigenden Gewinne umso stärker abdiskontiert.

Die US-Tech-Aktien kommen noch von einer zweiten Seite unter Druck: Durch die zunehmenden Sorgen um eine US- und eine weltweite Rezession. Nachdem die Geschäfte vieler US-Techfirmen, wie Apple Inc. (126,04 $ -3,07 %), Amazon, Nvidia, Alphabet und Netflix Inc. (276,88 $ -2,57 %)während der Pandemie geboomt hatten, hatten Investoren diese Entwicklung einfach in die Zukunft fortgeschrieben.

Nach den schwachen Quartalszahlen für das dritte Quartal und zahlreichen schwachen Ausblicken auf das vierte Quartal dämmert es aber vielen Investoren, dass es sich bei dem überproportionalen Wachstum lediglich um einen Sondereffekt gehandelt hat und das tatsächliche Wachstum der US-Techfirmen zyklisch, also konjunkturabhängig ist.

Wenn die Weltwirtschaft schwächelt, oder gar in eine Rezession abrutschen sollte, sollte das Geschäft der US-Techfirmen umso stärker unter Druck kommen. Wenn das der Fall sein sollte, verdienen die Techfirmen dann aber nicht mehr eine so astronomische Bewertung wie bislang, sondern vielmehr nur eine viel niedrigere für Zykliker – sprich das KGV für die Techfirmen sinkt, und damit zwangsläufig auch der Aktienkurs.

Dass Tesla Inc. (112,71 $ 3,31 %)die Talfahrt am Gesamtmarkt anführt, sollte niemanden überraschen. Tesla ist in den vergangenen Jahren viel stärker gestiegen als S&P500 und Nasdaq und war bzw. ist damit das Paradebeispiel für die mit weitem Abstand größte Blase aller Zeiten bei S&P500 und Nasdaq. Daher ist es völlig logisch, dass Tesla nun die Talfahrt am Gesamtmarkt anführt.

Besorgniserregend ist allerdings, dass sich zuletzt die Talfahrt bei Apple Inc. (126,04 $ -3,07 %)beschleunigt hat und das Papier in der Nähe des niedrigsten Niveaus seit Juli 2021 notiert. Das bedeutet nichts Gutes für den Gesamtmarkt.

Je stärker aber die US-Tech-Aktien nach unten rauschen, umso mehr reißen sie den Gesamtmarkt mit nach unten. Schließlich ist der Sektor S&P500 Information Technology Index mit 25,7 Prozent der mit weitem Abstand schwerste Sektor im S&P500, vor dem Gesundheitsbereich mit 15,8 Prozent.

S&P500 ist noch immer eine riesige Blase

Gleichzeitig ist der S&P500 meiner Meinung nach trotz des jüngsten Kurseinbruchs weiterhin stark überbewertet. Auf Basis der aktuellen Schätzungen, die für 2023 einen Anstieg der Gewinne der S&P500-Firmen um 4,9 Prozent auf 231,6 Punkte vorhersagen, liegt das KGV bei herben 16,3.

Allerdings dürften im Umfeld einer weltweiten Rezession – beispielsweise prognostiziert das Institute of International Finance, der Branchenverband der Finanzindustrie, für 2023 eine weltweite Rezession – die Gewinne der S&P500-Unternehmen nicht etwa steigen, sondern vielmehr einbrechen auf bestenfalls 200 Indexpunkte.

Auf Basis dieser Zahlen wäre das weltweit wichtigste Börsenbarometer mit einem KGV von horrenden 19,4 bewertet – Wahnsinn! Denn in Krisenzeiten sinkt das Multiple auch mal durchaus unter 10!

Ich befürchte daher, dass der Index im ersten Quartal 2023 schnell unter das Tief vom September 2022 bei 3.577 Punkten abrutschen dürfte. Der Kurseinbruch beim Nasdaq Composite sollte prozentual noch deutlich größer sein als beim S&P500.

Ein Kursrutsch bei den US-Indizes sollte auch den DAX kräftig mit nach unten ziehen. In den vergangenen Monaten hat er sich deutlich besser gehalten als die US-Indizes, weil Investoren Geld aus den hochbewerteten US-Aktien, gerade Growth-Aktien, in Value-Aktien, also niedrig bewertete Titel, wie aus dem DAX umgeschichtet haben. Allerdings dürften Investoren, gerade aus den USA, bei einem größeren Kurseinbruch beim S&P500 ihre DAX-Aktien auf den Markt werfen, woraufhin sie stärker unter die Räder kommen sollten aus US-Aktien.

Unbedingt Dollar und Ölpreis im Auge behalten

Für zusätzliche Turbulenzen an den Aktienmärkten würde es sorgen, falls es zu Turbulenzen bei Dollar und Ölpreis kommen sollte. Sollte der Dollar, sprich der Dollar Index, nach dem Kursrückgang der vergangenen 2 Monate kräftig nach oben drehen, sollte das den Einbruch bei S&P500, Nasdaq und DAX verstärken. Die Gründe dafür habe ich in der Sendung „Euer Egmond“ zahllose Male erklärt.

Die andere Sache ist der Ölpreis. Sollten die Notierungen von WTI Öl (77,996 $ -1,03 %)und Brent Crude Öl (82,935 $ -0,73 %)in den nächsten Monaten weiter nach unten rauschen, und damit die zunehmenden Sorgen der Investoren vor einer weltweiten Rezession widerspiegeln, sollte das für zusätzlichen Verkaufsdruck an den Aktienmärkten sorgen.

Umso mehr könnte Gold (1.806,90 $ 0,15 %)als sicherer Hafen gesucht sein. Das werde ich genau beobachten.

Trotz der trüben Aussichten für die Börse wünsche ich Ihnen einen guten Rutsch in ein glückliches und gesundes Neues Jahr 2023!

In meiner Sendung "Euer Egmond" analysiere ich wöchentlich die Märkte!

1 Kommentar

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  • suntrey
    suntrey

    das klingt jetzt schon recht pessimistisch und ist ja im Einklang mit den großen US Banken die auch im 1 HJ neue Tiefs sehen, aber wenn es doch nicht ganz so schlimm kommt wird der Markt auch schnell wieder steigen weil auch durch die hohen Inflationsraten dürften auch die Gewinne vieler Unternehmen ganz gut sein. Letzendlich ist der Artikel nur auf negative Punkten aufgebaut. Wenn alles so schnelcht wäre würden wir allerdings jetzt schon viel tiefer stehen. Hier mit KGVs von 10 zu argumentieren dann erwartet man eine Krise die wohl nur ein paar Mal in einem Jahrhundert eintritt. Aber wenn es wirklich Richtung Reszession geht werden die Zinsen wohl schnell wieder sinken da ja dann die Inflation automatisch zurückkommt weil die Nachfrage sinkt. Deshalb 3000-3300 Punkte wären möglich im S&P, das ist ja auch das Ziel vieler US Banken aber tiefer wohl kaum. Es gibt aber jetzt schon viele positive Aspekte: Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor recht stabil. Die Inflation geht zurück. Die Fed wird schnell die Meinung ändern wie auch in der Vergangenheit. Die Shortquoten sind hoch. Die Cashbestände sind bei Fondmanagern hoch. China lockert weiter. Das Überraschungspotential ist somit eher auf der long Seite, nach dem Motto, es wird doch nicht so schlimm kommen.

    23:17 Uhr, 29.12.2022

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Egmond Haidt
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