Kommentar
08:18 Uhr, 18.03.2016

Es muss gehandelt werden!

Der Internationale Währungsfonds (IWF) findet klare Worte, wenn es um die Weltwirtschaft geht. Es sieht düster aus. Es sieht sogar so düster aus, dass der IWF eine global koordinierte Aktion fordert.

Der IWF fordert von der Weltgemeinschaft, dass sie wie zu Zeiten der Finanzkrise agiert. Das bedeutet konkret: Die Geldpolitik muss weiter expansiv sein, Regierungen müssen Konjunkturpakete auflegen und Strukturreformen müssen rasch angegangen werden und mutig sein. So weit, so gut, doch wie kommt der IWF überhaupt zu dem Schluss, dass eine so signifikante Aktion notwendig ist?

Der IWF sieht die Lage je nach Region unterschiedlich und identifiziert eine Reihe an Problemen. In den USA steigen die indirekten Verbindlichkeiten (Sozialsystem) der Regierung durch eine alternde Bevölkerung rasch an. Gleichzeitig ist die Infrastruktur so marode, dass es das Potential der Wirtschaft begrenzt.

In Europa sind die Bilanzen vieler Privathaushalte nach wie vor unausgeglichen. Die Schulden sind zu hoch. Das führt zu hohen Kreditausfallraten, die wiederum das Bankensystem lahmlegen. Regierungen sind ebenfalls in einer schwierigen Lage. Die Schuldenaufnahmefähigkeit ist eigentlich schon überschritten, doch dank der EZB wird dieses Problem verdeckt.

In Japan bewegt sich kaum etwas. Die Deflation ist zurück und droht den Erfolg der Abenomics endgültig zunichte zu machen. Japans Weg führt aktuell zurück in die Stagnation der letzten 20 Jahre. Wovon Japan zu wenig hat (Inflation), haben andere Länder zu viel. Dazu gehören Entwicklungs- und Schwellenländer.

Viele dieser Länder befinden sich in einem ernstzunehmenden Abschwung. Andere befinden sich bereits in der schwersten wirtschaftlichen Krise seit Jahrzehnten (Brasilien). Der globale Abschwung gefährdet Schwellenländer weiter, denn die Bankbilanzen weltweit geraten zunehmend unter Druck. Das liegt nicht nur an steigenden Kreditausfällen, sondern auch daran, dass sie immer weniger Geschäft machen und so die Einnahmenseite schrumpft.

Global haben sich die Finanzierungsbedingungen für Haushalte und Unternehmen verschlechtert. Die Zinsen für Kredite und Anleihen sind gestiegen. Das führt zu einem Rückgang der Investitionstätigkeit und zu Problemen bei der Refinanzierung von Schulden. Letzteres ist eine große Herausforderung, denn viele Unternehmen und auch Staaten haben sich in Fremdwährungen verschuldet. Da lokale Währungen gegenüber der Währung, in der sich die Unternehmen verschuldet haben (Dollar), fallen, steigen die Schulden. Ein Entkommen aus diesem Dilemma ist unwahrscheinlich, da nicht nur Währungseffekte und wirtschaftlicher Abschwung eine Rolle spielen.

Die Überkapazität in der Produktion ist in vielen Ländern stark ausgeprägt. Besonders gut sieht man das in China, wo in den vergangenen Jahren auf Kredit investiert wurde, um Produktionskapazitäten zu schaffen, die heute keiner mehr braucht.

Zusätzlich erhöht sich der Druck der Finanzmärkte. Die Börsen gaben weltweit nach und verloren 6 Billionen an Marktkapitalisierung. In Ländern wie den USA wirkte der Rückgang der Aktienindizes von 10 bis 20 % nicht dramatisch, doch in vielen anderen Regionen waren die Einbrüche stärker ausgeprägt. Zum Vergleich: während der Finanzkrise verlor der globale Aktienmarkt 12 Billionen an Wert. Die zurückliegende Korrektur wirkte vielleicht nicht dramatisch, doch global betrachtet war sie katastrophal.

Die Turbulenzen nähren die Unsicherheit. Die Risikoaversion steigt. Durch sinkende Risikobereitschaft wird der internationale Kapitalverkehr beeinträchtigt und Investoren holen ihr Geld vorsichtshalber in ihr Heimatland zurück. 2015 führte dies dazu, dass nach vielen Jahren erstmals wieder Kapital aus Entwicklungsländern abfloss.

Der IWF sieht die Gefahr eines negativen Rückkopplungseffekts. Ein solcher Effekt kann die globale Wirtschaft in eine lange Phase der Stagnation führen. Im schlimmsten Fall ist eine globale Wirtschaftskrise zu befürchten. Aus diesem Grund muss gehandelt werden. Wichtig ist dabei, dass global einheitliche gehandelt wird. Aktuell kämpft jedes Land, sofern es überhaupt kämpft, für sich.

Kein probates Mittel die Krise abzuwenden ist die einseitige Abwertung von Währungen. Dies löst das Problem nicht, es verschiebt es. Durch die Abwertung einer Währung wird Inflation importiert und Deflation exportiert. Der eine gewinnt, der andere verliert. Das ist keine nachhaltige Lösung.

Währungsabwertungen sollen die Nachfrage nach Gütern aus dem Ausland steigern. Wertet der Euro ab, dann sind Produkte aus der Eurozone für andere Länder günstiger. Die Nachfrage nach diesen Gütern steigt. Das führt dazu, dass in Europa dann mehr produziert wird, doch gleichzeitig substituieren diese Produkte heimische Produkte in anderen Ländern. Unterm Strich bleibt die globale Nachfrage konstant und steigt durch Abwertungen nicht. Die Nachfrage wird lediglich von einem zu einem anderen Land verschoben.

Viel wichtiger ist es die globale Nachfrage zu steigern. Dabei sollen Notenbanken nicht von ihrem geldpolitischen Kurs abkehren. Geldpolitische Lockerung ist laut IWF weiterhin dringend notwendig, selbst wenn die Lockerung in einigen Regionen bereits Extreme erreicht hat. Die expansive Geldpolitik erreicht zudem ihre Grenzen, wenn es darum geht die Nachfrage zu steigern. Noch niedrigere Zinsen werden die Nachfrage nicht anheizen.

Nachfrage kann derzeit nur von staatlicher Seite stimuliert werden, da Privathaushalte kaum Spielraum haben. Es geht dabei nicht darum die Ausgaben zu steigern, sondern die bestehenden Budgets umzustrukturieren. Es geht darum wachstumsfreundlichere Ausgabenpolitik zu betreiben. Viel Geld wird verschwendet, indem es in unsinnigen Projekten verschwindet. Stattdessen muss mehr Geld in Infrastruktur fließen.

Länder, die einen hohen Handelsbilanzüberschuss haben (z.B. Deutschland) müssen dafür sorgen, dass die Löhne schneller steigen, um die Nachfrage zu stärken. In Ländern, in denen die Schulden hoch sind, sollten vor allem Unternehmen bessere Möglichkeiten gegeben werden Schulden durch Eigenkapital zu ersetzen. Das reduziert die Abhängigkeit von Banken und dem Anleihenmarkt und führt zu einer Verbesserung der Bilanz.

Im Endeffekt muss der negative Rückkopplungseffekt gebrochen werden. Der IWF sieht dies nur als realistisch an, wenn die Last nicht allein auf den Notenbanken liegt. Regierungen müssen kurzfristig mehr investieren und die lange überfälligen Strukturreformen einleiten.

Persönlich kann ich den Aussagen des IWF größtenteils zustimmen. Realistisch sind die Forderungen nicht. Die Reformresistenz der meisten Staaten ist beachtlich. Flexibilität ist nicht zu erkennen und der Wille zur Reformen ist praktisch null. Insofern bleiben die Aussichten trübe.

Einen Zusammenbruch der Weltwirtschaft wird es wahrscheinlich nicht geben, zumindest nicht in den kommenden zwei oder drei Jahren. Vielmehr wird sich das niedrige Wachstum etablieren. Bis neuer Schwung in die globale Wirtschaft kommt, werden noch Jahre vergehen.

Von staatlicher Seite ist wenig zu erwarten. Die Notenbanken haben die Vorschläge des IWF anscheinend ernst genommen. Die EZB tut alles, um die Zinsen für Schulden weiter zu senken. Die US-Notenbank wiederum kehrt ihrer bisherigen Linie vorerst den Rücken. Die Geldpolitik wird in den USA vorerst nicht weiter gestrafft. Die Geldpolitik divergiert dadurch nicht mehr so stark wie zuletzt. Das nimmt sehr viel Stress aus dem globalen Finanzsystem.

Der IWF hat Recht, wenn er sagt, dass etwas geschehen muss. Die Probleme sind allerdings nicht neu. Meiner Meinung nach ist die Angst vor einer globalen Wirtschaftskrise übertrieben. Die Risiken sind groß, doch sie sind nicht so groß und unüberwindbar, dass man eine Wiederholung der Großen Depression der 30er Jahre befürchten muss.

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8 Kommentare

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  • Marco Soda
    Marco Soda

    bow ey da bekomme ich ja Augenkrebs

    12:40 Uhr, 18.03. 2016
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Wer meint, der IWF sei eine caritative Wohltätigkeitsveranstaltung, der es in erster Linie um die Gesundung der Weltwirtschaft geht, der irrt sich gewaltig.

    Im folgenden Geolitico-Beitrag werden die Hintergründe dieser Organisation beleuchtet. Darin heißt es:

    "Der IWF ist ein Interessen-Instrument des internationalen Finanzkapitals. Der Kabarettist Georg Schramm nennt ihn das „Inkassobüro der Superreichen“. Sowie ein Land durch großzügige Kredite der Banken in finanzielle Schwierigkeiten gelockt worden ist, so dass es die Schuldentilgung nicht mehr leisten kann und auf dem Finanzmarkt keinen Kredit mehr erhält, ist der IWF als „Kreditgeber letzter Instanz“ zur Stelle und erzwingt für die Banken und sich selbst durch rigorose Spardiktate die Aufrechterhaltung des Schuldendienstes.

    Daran ist gekoppelt die Öffnung des Binnenmarktes für Billig-Importe aus dem kapitalistischen Ausland, mit denen die heimischen Produzenten nicht konkurrieren können, und die profitorientierte Privatisierung öffentlicher Güter wie Verkehrsmittel und Wasserversorgung. Dadurch wird die Bevölkerung in eine noch größere wirtschaftliche Not gestoßen als zuvor. „Gestützt“ und gerettet wird nicht das Land, sondern der Profit der Banken und westlicher kapitalistischer Firmen. Das Land befindet sich im gnadenlosen Würgegriff, durch den die Bevölkerung buchstäblich bis aufs Blut ausgenommen wird. Und der Staat verliert seine finanzielle, wirtschaftliche und politische Selbständigkeit."

    Äußerst lesenswert ist auch der Abschnitt zum Thema Argentinien, und wie der IWF das Land maßgeblich in Armut und Elend getrieben hat. Gleiches geschieht heute in Griechenland.

    Es wird höchste Zeit, dass diese Zusammenhänge einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, anstatt diesen Verbrechern einen roten Teppich auszurollen, wie das im Mainstream gerne praktiziert wird.

    http://www.geolitico.de/2016/03/17/dorf-parabel-er...

    12:38 Uhr, 18.03. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Wie Draghobert die Welt verzerrt, wird inzwischen sogar im Mainstream tabulos thematisiert:

    http://www.focus.de/finanzen/boerse/mario-draghi-f...

    Der IWF hingegen will noch mehr Benzin ins Feuer schütten um den Brand zu löschen. Es ist bekanntermaßen auch eine Form von Wahnsinn, immer das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Nun denn, der Anleger ist voraussichtlich gut beraten, auf Sachwerte zu setzen, Immobilien, Edelmetall und Aktien dürften das absehbare Debakel deutlich besser überstehen, als sämtliche Arten von Papiergeldforderungen.

    take care

    09:43 Uhr, 18.03. 2016
  • Austrochris
    Austrochris

    Die fatalen Gegensätze in Europa ( starker Norden, schwacher Süden ) wird der EZB alles abverlangen und den Zauberkasten ( Geldflut und Negativzinsen ) in Bewegung halten.

    Den Japanern geht's um nichts besser . Hoch verschuldet und drohende Deflation

    Die Chinesen wollen und werden abwerten um Stabilität ins Land zu bringen ( sehr schwieriges Unterfangen )

    Die anderen Bricstaaten wollen auch abwerten , sind aber zum Teil mit Dollarkrediten bis auf die Ohren verschuldet .

    Die Amis wollen zwar die Zinsen erhoehen , koennen es aber nicht, denn sonst würde ihnen weltweit alles um die Ohren fliegen .

    usw usw !

    Würde sagen , da hält sich der Dow Jones eh noch wacker . Aber nur durch das Zentralbankengegacker

    08:38 Uhr, 18.03. 2016
  • Austrochris
    Austrochris

    Buy Gold and silver and hold it for a Long time and you will be the winner !

    08:30 Uhr, 18.03. 2016
  • Austrochris
    Austrochris

    Heute wieder eine Meldung vom EZB Volkswirt , dass man noch nicht alle Mittel ausgeschöpft hat . Sozusagen ein weiterer interner Angriff um den Euro zu schwaechen, der ja davon gerast ist, nachdem die FED wieder mal Verbalakrobatik betrieben hat . Habe selten so eine Zentralbank in der Sackgasse gesehen . Wir sind im Prinzip die letzten Jahre voll belogen worden . Obwohl man weiss dass man nicht viel mit den Zinsen hantieren darf, wurde durch Verbalgefasel immer das Gegenteil suggeriert .

    Thats the trueth !!!

    08:29 Uhr, 18.03. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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