Kommentar
09:28 Uhr, 01.04.2022

Erneuter Ölpreisschock? Das wäre viel gravierender!

Es ist kein Geheimnis, dass Ölsanktionen gegen Russland immer noch eine Option sind. Das Problem ist allerdings nicht Öl, sondern dieser Energierohstoff.

Die USA haben ein Importverbot gegen russisches Öl bereits erlassen. Die USA dürften hinter den Kulissen auch stark darauf drängen, dass Europa folgt. Selbst in Europa sprechen sich einige Länder dafür aus. Für Russland wären Sanktionen gegen fossile Brennstoffe ein harter Schlag, der wirtschaftlich kaum zu überleben ist.

Aus diesem Grund muss man Warnungen Russlands mit Vorsicht genießen. Dortige Politiker warnen die Welt regelmäßig vor einem Kollaps des globalen Energiemarktes, wenn russisches Öl und Gas sanktioniert werden. Wer Angst vor einem globalen Wirtschaftskollaps hat, sanktioniert nicht. Also wird die Angst geschürt.

Ganz von der Hand zu weisen sind die Warnungen nicht, allerdings aus anderen Gründen als die meisten glauben. Würde russisches Öl komplett ausfallen, fehlen der Welt bis zu 5 Mio. Barrel Öl am Tag. Das Angebot würde auf das Krisenniveau der Pandemie zurückfallen. Ein solcher Rückgang wäre historisch gesehen groß, aber nicht der größte (Grafik 1).

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Die globale Ölfördermenge fiel von Ende der 70er Jahre bis Mitte der 80er Jahre um 10 Mio. Barrel/Tag. Das war viel mehr als während des Ölschocks 1973. Der Unterschied zwischen den zwei Perioden ist die Nachfrage. 1973 war die Nachfrage hoch. Ein kleiner Rückgang des Angebots hatte einen großen Effekt. Anfang der 80er Jahre war das Angebot hoch, die Nachfrage niedrig. Der Rückgang der Produktion hatte eine ganz andere Wirkung.

Tatsächlich wurde die Fördermenge von den heutigen OPEC Staaten Anfang der 80er Jahre stark reduziert (Grafik 2), um den Ölpreis zu stützen. Der Preis von Öl fiel trotz der Fördermengenbegrenzung um 80 % über mehrere Jahre.

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Heute befinden wir uns nicht in einer Situation wie 1980, sondern wie 1973. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass sämtliches Öl aus Russland vom Weltmarkt verschwindet. Zumindest mittelfristig können einige Länder die Fördermenge erhöhen und einen Teil ausgleichen. Zudem wird es auch Länder geben, die sich den Sanktionen nicht anschließen.

Da sich viele westliche Unternehmen und Staaten praktisch ohne offizielle Sanktionen bereits von russischem Öl fernhalten, würden offizielle Sanktionen die Lage verschärfen, aber nicht zum Untergang der Wirtschaft führen. Das Problem ist nicht Öl, es ist Gas. Der Ölverbrauch ist seit 1973 um 50 % gestiegen, der von Gas hat sich fast vervierfacht (Grafik 3).

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Was Öl 1973 war ist heute Gas. Ein Gasschock wäre für die Welt wesentlich gravierender als 3 Mio. Barrel weniger Öl aus Russland. Wirtschaftlich müsste ähnlich reagiert werden wie vor 50 Jahren. Einige Unternehmen müssen ihre Produktion gänzlich einstellen. Gas würde rationiert.

Das betrifft nicht nur Europa. Europa ist zwar der wichtigste Importeur, doch im Gegensatz zu Öl lässt sich Gas nicht einfach umlenken. Wird Öl im Westen sanktioniert, wird ein Teil nach Asien verkauft. Bei Gas geht das nicht so einfach. Die Infrastruktur fehlt. Obwohl immer von einem Ölschock berichtet wird ist das eigentliche Schockszenario ein anderes. Ein Gasschock hätte deutlich größere Auswirkungen und wäre nicht weniger schlimm als der Ölschock 1973.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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