Kommentar
10:37 Uhr, 06.03.2012

Entspannung an den Finanzmärkten nimmt Druck von der EZB

1. Auch im Februar setzte der EZB-Kompass seine Abwärtsbewegung mit unvermindertem Tempo fort. Er sank erneut um drei Punkte auf nunmehr 33,5. Es war der elfte Rückgang in Folge. Gemäß unseren Prognosen der zehn in den EZB-Kompass einfließenden Indikatoren dürfte er in den nächsten Monaten seine Talsohle erreichen und danach eine sehr langwierige Erholung antreten. Wir sind mittlerweile der Ansicht, dass die EZB von weiteren Leitzinssenkungen Abstand nehmen wird, wenn sich der Kompass in etwa so entwickelt wie von uns erwartet. Allerdings dürfte die EZB auch noch für längere Zeit mit einer Straffung ihrer Geldpolitik warten, selbst wenn sich der Kompass ab Mitte des Jahres langsam nach oben bewegt. Die EZB würde damit den von den Finanzmärkten ausgehenden konjunkturellen Abwärtsrisiken Rechnung tragen, die der EZB-Kompass nicht abbilden kann.

2. Die wesentliche Triebfeder für den erneuten Rückgang des EZB-Kompass im Februar war die fortgesetzte Verschlechterung bei den sogenannten harten Konjunkturdaten. Insbesondere die Industrieproduktion war in drei der letzten vier Berichtsmonate rückläufig und lag im Dezember 2 % unter dem Vorjahresniveau. Zudem hat unseren Schätzungen zufolge die wirtschaftliche Unterauslastung der Eurozone, gemessen an der Outputlücke, weiter zugenommen. Andere Konjunkturindikatoren, die nicht in den Kompass einfließen, untermauern diesen Eindruck. So ist beispielsweise die Arbeitslosenquote des Euroraums in den vergangenen Monaten stark angestiegen und erreichte im Januar ein neues Rekordhoch von 10,7 %.

3. Trotz dieser zum Teil sehr schwachen Konjunkturdaten zeigte sich EZB-Präsident Draghi in den vergangenen Monaten verhalten optimistisch und richtete sein Augenmerk stark auf umfragebasierte Stimmungsindikatoren. So sprach er auf den Pressekonferenzen zu den beiden jüngsten Zinsentscheiden von „vorläufigen Anzeichen einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Aktivität auf niedrigem Niveau“. Im Februar zeichneten diese Stimmungsindikatoren ein uneinheitliches Bild. So konnte das breit gefasste Economic Sentiment weiter zulegen, während die Einkaufsmanagerindizes der Eurozone im Durchschnitt nachgaben. Insgesamt untermauern sie damit aber immer noch die Erwartung, dass die Rezession in der Eurozone eher milde verlaufen wird. Auf der Pressekonferenz im Februar verwies Draghi nach wie vor auf konjunkturelle Abwärtsrisiken, bezeichnete diese anders als im Januar aber nicht mehr als „erheblich“. Wir gehen davon aus, dass er an dieser Einschätzung festhalten wird.

4. Die in den EZB-Kompass einfließenden Preis- und Kostenindikatoren spiegeln das Bild eines nachlassenden Inflationsdrucks wider. So hat sich trotz der scharfen Verteuerung von Energiegütern der Anstieg der Erzeugerpreise im Januar weiter verlangsamt. Dies gilt besonders in der langfristig richtungweisenden Abgrenzung für Vorleistungsgüter. Das abnehmende Wachstum der Lohnkosten spricht die gleiche Sprache. Im Gegensatz dazu haben die von Consensus Economics befragten Volkswirte ihre Inflationsprognosen für das laufende Jahr leicht auf 2,0 % angehoben. Der starke Anstieg des Ölpreises im Februar dürfte sich hierin zumindest noch nicht im vollen Umfang niedergeschlagen haben. Das Inflationsbild lässt somit im Augenblick viel Interpretationsspielraum offen. Einem konjunkturell bedingt nachlassenden Preisauftrieb stehen kräftige Preisanstiege bei Energiegütern gegenüber. Wir halten es für wahrscheinlich, dass EZB-Präsident Draghi weiterhin für die zweite Jahreshälfte einen Rückgang der Inflationsrate unter die Marke von 2 % erwartet und die Inflationsrisiken nach wie vor als ausgeglichen bezeichnet.

5. Auf der kommenden Pressekonferenz werden die neuen Projektionen des Mitarbeiterstabs der EZB eine zentrale Stellung einnehmen. Änderungen im Vergleich zu den Vorhersagen vom Dezember könnten für die Inflation leicht nach oben und für das Wirtschaftswachstum leicht nach unten gerichtet sein. Insgesamt sollten sich die Revisionen jedoch in Grenzen halten und damit an den Finanzmärkten keinen Anlass geben, den zukünftigen Kurs der EZB deutlich anders einzuschätzen. Die EZB dürfte weiterhin von einer allmählichen wirtschaftlichen Erholung im Verlauf dieses Jahres ausgehen. Grund für diesen verhaltenen Optimismus sieht sie zum einen in den oben erwähnten Stimmungsindikatoren. Zum anderen dürfte Präsident Draghi von einer weiteren Abnahme der Verwerfungen auf den Finanzmärkten sprechen. Diese zeigt sich unter anderem an den gesunkenen Renditen von Staatsanleihen zum Beispiel aus Spanien und vor allem aus Italien. Daten der EZB zeigen, dass die Banken der Eurozone ihre Bestände an Staatsanleihen im Januar deutlich aufgestockt haben. Dies dürfte vor allem den langfristigen Refinanzierungsgeschäften der EZB zuzuschreiben sein, die auf diese Weise einen wesentlichen Beitrag zur Linderung der Staatsschuldenkrise leisten. Auch die Kreditvergabe an den Privatsektor legte im Januar wieder zu. Der größte Teil dessen floss zwar an nicht-monetäre Finanzinstitute, was ebenfalls den wieder gestiegenen Risikoappetit an den Finanzmärkten zum Ausdruck bringt. Demgegenüber stieg die Kreditvergabe an private Haushalte nur wenig und die an nichtfinanzielle Unternehmen war erneut rückläufig. Dennoch stellen diese Zahlen eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem Einbruch der Kreditvergabe im Dezember dar. Die Sorgen der EZB vor einer gravierenden Kreditklemme dürften daher deutlich nachgelassen haben. Auch die überraschend starke Nachfrage beim zweiten Dreijahrestender durch eine große Zahl an Banken dürfte sie in dieser Einschätzung bekräftigen.

6. Ein weitgehend unverändertes Konjunkturbild, leicht gestiegene Inflationsrisiken und eine sich fortsetzende Entspannung an den Finanzmärkten sprechen dafür, dass die EZB nun keinen Bedarf mehr für eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik sieht. Wir rechnen daher nicht mit einer Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes unter das derzeitige Niveau von 1 %. Dieses sollte die EZB aber noch für sehr lange Zeit beibehalten. Auf erneute Verwerfungen an den Finanzmärkten dürfte die EZB eher mit weiteren unkonventionellen Maßnahmen als mit einer Senkung der Leitzinsen reagieren. Die Entspannung der vergangenen Wochen macht dies aber vorerst unwahrscheinlich. Dementsprechend dürfte Präsident Draghi noch deutlicher als bisher betonen, dass die unkonventionellen Maßnahmen der EZB temporärer Natur sind. Zugleich sollte er keinerlei Aussagen tätigen, die von den Finanzmärkten so ausgelegt werden könnten, dass die EZB weitere Dreijahrestender in Erwägung ziehen würde. Vielmehr dürfte er signalisieren, dass die EZB nun ihr Möglichstes zur Unterstützung der Wirtschaft in der Eurozone getan habe und sich daher bis auf Weiteres in eine eher abwartende Haltung begeben werde.

Quelle: DekaBank

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