Kommentar
10:56 Uhr, 27.08.2020

Endet die ultralockere Geldpolitik nie wieder?

Fed-Präsident Jerome Powell dürfte auf dem Jackson-Hole-Notenbanktreffen weitreichende Änderungen der strategischen Ausrichtung der Geldpolitik der US-Notenbank andeuten.

Bereits seit dem Jahr 1978 veranstaltet die Federal Reserve Bank of Kansas City ihr jährliches Notenbanksymposium in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming, an dem in der Regel führende Notenbanker aus der ganzen Welt teilnehmen. Dieses Jahr ist vieles anderes: Statt im idyllischen Bergtal in den Rocky Mountains findet das Symposium Corona-bedingt erstmals als reine Online-Veranstaltung statt. Zudem werden die Vorträge und Diskussionen in die ganze Welt übertragen und finden nicht mehr hinter verschlossenen Türen statt.

Fed-Präsident Jerome Powell hält heute Nachmittag ab 15.10 Uhr MESZ seine mit Spannung erwartete Rede, in der der US-Notenbankchef eine Abkehr von der bisherigen Fed-Strategie zumindest andeuten könnte. Bereits 2018 und damit lange vor der Corona-Pandemie hatte die Fed eine Prüfung ihrer Notenbankstrategie gestartet, deren Ergebnisse heute teilweise publik werden dürften.

Wichtigster Punkt in der neuen Fed-Strategie dürfte eine teilweise Abkehr vom bisher starren Inflationsziel von zwei Prozent sein. Offiziell hatte die Fed das Inflationsziel erst im Jahr 2012 beschlossen, implizit richtete sich ihre Geldpolitik aber schon viele Jahre zuvor, so wie auch viele andere Notenbanken weltweit, am Ziel einer erwarteten Inflationsrate von zwei Prozent aus.

Das Inflationsziel von zwei Prozent dürfte zwar nicht aufgegeben werden, allerdings könnte es in einem entscheidenden Punkt modifiziert werden: Statt ihre Geldpolitik ständig am Erreichen des Inflationsziels zu orientieren, könnte es nur noch als längerfristiger Durchschnittswert angestrebt werden.

Was nach einem kleinen technischen Detail klingt, hat in Wahrheit weitreichende Folgen: Da die Inflation in den USA viele Jahre unter dem Fed-Ziel von zwei Prozent lag, würde ein im langjährigen Durchschnitt geltendes Inflationsziel von zwei Prozent bedeuten, dass die Fed für viele Jahre eine deutlich höhere Inflation anstreben müsste, um im Durchschnitt wieder eine Rate von zwei Prozent zu erreichen.

Die Fed müsste über viele Jahre oder Jahrzehnte ihre ultralockere Geldpolitik fortsetzen, selbst wenn irgendwann die Inflationsrate, gemessen an den Verbraucherpreisen, wieder nachhaltig über die Marke von zwei Prozent klettern sollte.

Die Käufe von Staatsanleihen, Hypothekenpapieren und zunehmend auch anderen Wertpapieren (Quantitative Easing), in deren Rahmen die Fed monatlich zwei- oder gar dreistellige Milliardenbeträge in die Finanzmärkte pumpt sowie Nullzinsen könnten auch dann beibehalten werden, wenn die Inflationsrate wieder deutlich über die Zielmarke von zwei Prozent klettern sollte.

Natürlich gibt es bereits heute eine hohe Inflation, zwar nicht bei den Verbraucherpreisen, wohl aber bei den Vermögenspreisen. Wegen der ultralockeren Geldpolitik der Fed und aller anderen wichtigen Notenbanken weltweit, werden Fiat-Währungen wie Euro und Dollar fortwährend entwertet, was die Preise von Sachwerten wie Aktien, Edelmetallen und Immobilien in immer neue Höhen treibt. Daran dürfte sich nach der Neuausrichtung der Fed-Strategie auch in den kommenden Jahren nichts ändern: Die ultralockere Geldpolitik würde zum Dauerzustand, die selbst dann von der Fed beibehalten werden könnte, wenn die Inflationsrate wieder deutlich anziehen sollte.

Fazit: Die heute von Powell erwartete Strategieänderung der Fed könnte die ultralockere Geldpolitik zementieren. Eine Abkehr von milliardenschweren Anleihekäufen und Nullzinsen würde damit noch schwerer vorstellbar als bisher schon. Ein nur noch im Durchschnitt geltendes Inflationsziel würde zudem die Flexibilität der Fed verstärken und der Notenbank bei der Formulierung ihrer Geldpolitik noch mehr als bisher schon freie Hand lassen.

Link: Agenda des diesjährigen Notenbanksymposiums von Jackson Hole


Korrektur: In einer ersten Version des Artikels war fälschlicherweise 14.10 Uhr MESZ als Beginn der Rede Powells genannt worden. Die Rede beginnt aber erst um 15.10 Uhr MESZ.


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1 Kommentar

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    Tüskendör

    Seltsam, das dieser Artikel eine Kommentarfunktion hat, Ihr Kommentar

    Demo-Verbote sind inakzeptabel

    jedoch nicht.... wie stets um Ihr Verständnis um Meinungsfreit, die auch im GG verankert ist?

    Auf die Spitze getrieben: Ich bin auch dafür, dass Corona-Demos vor dem Haus Ihrer Eltern und Großeltern erlaubt werden sollten. Gleichzeitig darf dann der "Verband bekennender Kinderschänder" vor dem Kindergarten Ihrer Kinder für Ihre vermeintlichen Rechte eintreten, richtig? Herr Baron, die Welt ist bisweilen nicht nur schwarz oder weiß....

    und diesen Kommentar an falscher Stelle müssen Sie bitte auch aushalten.

    15:17 Uhr, 27.08.2020

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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