Kommentar
12:13 Uhr, 27.04.2016

Elf Argumente, weshalb Deutschland gar nicht so schlecht ist

  • Unter Investoren breitet sich zunehmend Pessimismus aus. Das ist nicht nur gefährlich. Er entspricht auch nicht den Tatsachen.
  • Elf Gründe, weshalb Wirtschaft und Politik in Deutschland nicht so schlecht sind wie vielfach behauptet.
  • Das große Plus der deutschen Wirtschaft ist ihre im Vergleich zu anderen Ländern hohe Wettbewerbsfähigkeit.

Ein Kunde sagte mir dieser Tage besorgt, ihm falle zu Deutschland derzeit nur noch Negatives ein. Die Staats­verschuldung ist zu hoch. Das Wachstum kommt nicht in Fahrt. Der Flüchtlingszustrom bedroht die Stabilität der Ge­sellschaft. Die Politik ist reformunwillig. Bei Nullzinsen ist das Geld nichts mehr wert. Und, und, und. Gibt es denn gar nichts Positives mehr, so fragte er. Wenn ich es recht sehe, ist er mit dieser Meinung nicht allein.

Eine solche Haltung ist nicht nur gefährlich. Sie kann eine sich selbst verstärkende Spirale nach unten in Gang setzen. Wo soll in einer solchen Konstellation noch Wachstum her­kommen? Sie ist auch falsch. Es gibt nicht nur Negatives in Deutschland. Es gibt auch Positives. Ich habe dazu hier ein­mal ein paar Punkte zusammengestellt. Sie sind nicht neu, werden in der Diskussion aber oft übersehen. Sie ergeben für sich genommen zwar auch kein realistisches Bild. Aber zusammen mit dem Schlechten, das alle im Kopf haben, kommt man vielleicht doch zu einer vernünftigeren Beurtei­lung.

Die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt

1.

Schweiz

2.

Singapur

3.

USA

4.

Deutschland

5.

Niederlande

6.

Japan

7.

Hongkong

8.

Finnland

9.

Schweden

10.

UK

Quelle: World Economic Forum

Erstens: Deutschland gehört zu den wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt. Nach dem Competitiveness Report des World Economic Forums belegt es unter 144 Ländern den vierten Platz. Gegenüber dem letzten Jahr hat es sich sogar um einen Platz verbessert. Siehe Tabelle. Das ist nicht nur ein Phantom von Think Tanks. Es zeigt sich auch in den Zahlen. Deutschland ist nach China und den USA die dritt­größte Exportnation der Welt. Es weist – sehr zum Ärger mancher Handelspartner – mit über EUR 300 Mrd. auch ei­nen der größten Leistungsbilanzüberschüsse aus.

Zweitens: Deutschland gehört in wichtigen Industrien zu den führenden Produzenten der Welt. Keiner baut so gute Autos. Seine Maschinen werden überall geschätzt. Es hat eine große Chemie- und Elektroindustrie. Es treibt die In­dustrie 4.0 voran. Nur in den digitalen Zukunftsindustrien ist das Land zurückgeblieben.

Drittens, was Wenige wissen, deutsche Immobilien sind in letzter Zeit zu einem der interessantesten Märkte für inter­nationale Investoren geworden. Sie schätzen die lebendi­gen Städte mit vielen Innovationen, die gute Beschäfti­gungssituation und die Nachhaltigkeit des Bauens. Nicht zuletzt sind die Preise der Immobilien verglichen etwa mit London oder Paris niedrig.

»Die pessimistische Haltung vieler Investoren beißt sich mit der Entwicklung der Wertpapiermärkte. Aktienkurse sind immer auch ein Zeichen von Zukunfts­vertrauen in einer Volkswirtschaft.«

Viertens: Deutschland hat einen großen und aktiven Mittel­stand. Die vielen kleinen und mittleren Unternehmen sorgen dafür, dass der Wettbewerb hart und effizient ist. Sie er­zwin­gen eine hohe Serviceorientierung gegenüber dem Kunden und ermöglichen schnelle Anpassungen an ver­än­derte Daten auf den Weltmärkten.

Fünftens, was weniger bekannt ist und den Deutschen oft nicht zugetraut wird: Die Bundesrepublik gibt gemessen am Sozialprodukt mehr für Research & Development aus als die USA oder China. Es liegt ganz vorne bei den Patentan­meldungen pro Einwohner. Bei Produkt- und Prozessinno­vationen rangiert es nur knapp hinter dem Spitzenreiter Isra­el. Darauf weist die Bertelsmann-Stiftung in ihrer Studie der Sustainable Governance Indicators (SGI) hin.

Sechstens, eine Zahl, die ich auch nicht geglaubt hatte: Die Manager sind hierzulande jünger als in anderen Län­dern. Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Strate­gy& liegt das Durchschnittsalter der Vorstandsvorsitzenden in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei 49 Jahren verglichen mit 51 Jahren in den USA, Kanada und China.
In Japan sind die obersten Chefs im Schnitt sogar 60 Jahre alt. Jugend ist zwar keine Erfolgsgarantie. Sie ist aber in ei­ner sich so rasch ändernden Welt kein Fehler.

Siebtens: Eine der traditionellen Stärken ist das duale Sys­tem der Berufsausbildung. Die Qualifikation der deutschen Facharbeiter ist im weltweiten Vergleich hoch.

Achtens: Deutschland gehört zu den wenigen Ländern der Welt, in denen die Arbeitslosigkeit nicht zu, sondern abge­nommen hat. Nach einer Statistik der OECD hat es unter den großen Industrieländern nach Japan und Korea die niedrigste Arbeitslosenquote.

Neuntens: Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, die ihr Budgetdefizit auf null zurückgeführt haben. Der Be­stand an Staatsschulden ist zwar mit 71 % des Bruttoin­landsproduktes immer noch hoch. Wenn die jetzige Finanz­politik so fortgesetzt wird, dann besteht jedoch bis 2020 die Chance, wieder unter die Zielgröße von 60 % zu kommen.

Zehntens: Deutschland hat eine im Ausland hochangese­he­ne Kanzlerin. Sie gehört zu den am längsten amtierenden Regierungschefs in der westlichen Welt. Überhaupt ist die politische Stabilität in Deutschland verglichen mit anderen Staaten relativ hoch. Deutschland hatte seit 1950 nur insge­samt acht Kanzler. Jeder regierte im Schnitt acht Jahre.

Elftens: Bei einem internationalen Vergleich der Wirt­schaftspolitik kommt die Bertelsmann-Stiftung in der oben angegebenen Studie zu dem Ergebnis, dass die Bundes­republik unter 41 Ländern zu den drei besten gehört.

Für den Anleger

Vielleicht am wichtigsten: Die pessimistische Haltung vieler Investoren beißt sich mit der Entwicklung der Wertpapier­märkte. Aktienkurse sind immer auch ein Zeichen von Zu­kunftsvertrauen in einer Volkswirtschaft. Der DAX ist in den letzten Jahren kräftig gestiegen. Darin spiegelt sich nicht nur das viele Geld der Zentralbanken. Es signalisiert auch die Erwartung zunehmender Unternehmenserträge. Das ist ein weiterer Grund, sein Geld nicht nur im Ausland, sondern auch im Heimatmarkt zu investieren.

6 Kommentare

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  • Mitdenker
    Mitdenker

    Diese Argumente sind meiner MEinung nach auch nur ein Sammelsorium an geschönten Zahlen.... Meiner Meinung nach lebt Deutschland von den klugen Köpfen des frühen 20ten Jahrhunderts... Mehr nicht.. Aber die Welt ist im Wandel... Also wie lange Deutschland noch davon zehren kann....

    20:17 Uhr, 27.04. 2016
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    Kann den kritischen Tönen der Mit-Foristen nur zustimmen.

    Diesem "Reinwaschen" des Analysten sollte man nur sehr bedingt Glauben schenken...!

    Alle Punkte weisen m.A.n. sehr einseitige Zuschreibungen und Kuriositäten auf, aber besonders die Punkte 8, 9, 10 und 11 sind - nun ja - zum schmunzeln!!

    Pkt. 8 >>> Statistik massiv geschönt, um nicht zu sagen gefälscht!

    Pkt. 9 >>> April, April!! In Zeiten von Minuszinsen wäre ein Aufbau-Programm für Deutschland angesagt! Gehen Sie mal in die Schulen mit undichten Dächern und viel zu großen Klassen, fahren Sie über marode Brücken etc. pp! Aber nein, Hauptsache die sog. "Schulden" gehen zurück >> das ist nicht nur volkswirtschaftlich falsch und der völlig unsinnige Weg, sondern auch für unser Land ein absurder Fetisch, welcher langfristig sogar in den Ruin führt...
    (PS: als ob den "Schulden" nicht auch Vermögen gegenüberstehen würde, aber dies wird stets gern "vergessen" - und ist noch ein anderes Thema...)

    Pkt. 10 >>> Angesehen? Wo denn...? In Europa wohl kaum, da schütteln ca. 90% unserer Nachbarn nur den Kopf über uns. Und unsere "Führung" will den "deutschen Weg" allen anderen aufzwingen - ja gehts noch?? Dazu muss ständig das Bundesverfassungsgericht völlig verfassungswidrige Gesetzte "korrigieren", was man nur als bananenrepublikanisch bezeichnen kann.
    Sollte mit "angesehen" allerdings gemeint sein, dass Satiriker an einen türkischen Autokraten und Bombenwerfer verfüttert werden dürfen und unser Land an die USA überschrieben werden soll (TTIP genannt) - tja Herr "Analyst" - dann haben Sie wohl Recht...

    Pkt. 11 >>> Wenn dann noch die "Geldwaschmaschine und Steuervermeidungsinstitution" der Familie MOHN (fälschlicherweise "Stiftung" genannt) so etwas behauptet, dann MUSS es ja STIMMEN, gelle...!??

    OHJEEE, Herr Analyst.
    Wieder einmal zeigen Sie den Lesern deutlich Ihre "Denke" und sowohl volkswirtschaftlich als auch politisch voreingenommene Sichtweise auf...

    Zeugnis: "Er war stets bemüht, kam jedoch über die Note 5 nicht hinaus..."

    So wird das nix mit Deutschland!

    GRUß

    18:06 Uhr, 27.04. 2016
  • Brigand
    Brigand

    In unserer Heimat läuft noch alles Rund, wenn man über den Tellerrand schaut... Wir zahlen aber einen viel zu hohen Preis über unsere Sozialabgaben dafür. Wie sonst kann man erklären, dass die Lohnniveaus in Luxemburg oder Schweiz teilweise doppelt so hoch sind? Sind Luxemburger oder Schweizer Produktiver als wir Deutsche? Das glaube ich nicht!

    15:57 Uhr, 27.04. 2016
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Das ist richtig ... - es gibt etliche positive Aspekte in Deutschland.

    Doch es gibt einen negativen, der alle diese positiven aufhebt und in den Schatten stellt:

    MERKEL... !!!

    13:41 Uhr, 27.04. 2016
  • netzadler
    netzadler

    gar nicht so schlecht heißt noch lange nicht gut.

    1. schweiz: profitiert nur davon, dass sie sich aus allem raushalten. steuergate und fehlende Touristen werden schon noch ihren eindruck in den statistiken hinterlassen#

    2. Singapur: Stadtstaat, kann man sowieso nicht vergleichen

    3. USA: tief gespaltenes land, in kongress und weisses haus kauft man sich ein, fairer Wettbewerb ? - siehe TTIP, ist das noch ein freies land?

    4. Deutschland: hier das gleiche: man hat es geschafft, die Gesellschaft tief zu spalten, bravo. Autoindustrie - wird noch von Tesla und Co. weggehypt. Industrie 4.0. können andere besser. der sozialstaat ist zu teuer. Die Demokratie wird einiges aushalten müssen demnächst.

    Japan auf Platz 6: Ein Sechstel der Bevölkerung lebt in Armut - irgendwas passt hier nicht.

    13:06 Uhr, 27.04. 2016
    1 Antwort anzeigen