Kommentar
14:41 Uhr, 31.01.2007

Einzelhandelsumsatz - Vorzieheffekte und Weihnachtslaune

1. Der Umsatz im deutschen Einzelhandel nahm im Dezember real um 2,4 % gegenüber dem Vormonat zu. Damit wurden die Erwartungen der von Bloomberg befragten Volkswirte (Median: 1,2 % mom) deutlich übertroffen. Wir waren zu Recht optimistischer (2,0 % mom). Das Vorjahresniveau wird nunmehr kalender- und saisonbereinigt um 1,7 % überschritten.

2. Spät kamen sie, aber sie kamen – die Vorzieheffekte der zum 1.1.2007 angekündigten Mehrwertsteuererhöhung. Versteckt zeigten sie sich schon früher, beispielsweise in den hohen Automobilzulassungen im November und Dezember oder in dem Auseinanderklaffen der Umsätze des klassischen Einzelhandels und des um den Kfz-Handel und Tankstellen ergänzten Einzelhandels im Verlauf des letzten Jahres. Im Dezember kam es nun zu einem starken Anstieg des Einzelhandelsumsatzes in der weiten Abgrenzung um 4,4 % mom. Dies ist der zweitstärkste Anstieg aller Zeiten, nur übertroffen von dem im März 1998. Nota bene: Im April 1998 wurde die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt angehoben. Dieses aktuelle kräftige Plus ist wohl auf einen sehr starken Handel mit Kraftfahrzeugen zurückzuführen und damit ein eindeutiger Hinweis auf Vorzieheffekte. Betrachtet man die Quartalsergebnisse vor Mehrwertsteuererhöhungen seit 1980, so zeigt sich für 2006 ein unterdurchschnittlicher Vorzieheffekt. Während im Durchschnitt der Erhöhungen 1983, 1993 und 1998 der Einzelhandelsumsatz im Quartal vor der Erhöhung um 2,3 % qoq angestiegen war, waren es 2006 nur 1,4 %.

3. Doch im Dezember waren es wohl nicht allein die Vorzieheffekte: Im Umfeld einer guten konjunkturellen Entwicklung und eines sich verbessernden Arbeitsmarktes griffen die Haushalte bei ihren Weihnachtseinkäufen tiefer als in den Vorjahren in ihre Geldbeutel.

4. Zieht man Bilanz für das Jahr 2006, so ist die Entwicklung des Einzelhandelsumsatzes enttäuschend. In der engen Abgrenzung stieg der Umsatz nominal um 0,8 %, preisbereinigt nur um 0,1 %. Berücksichtigt man, dass es 2006 zwei Verkaufstage weniger gab, nahm der Umsatz real um 0,4 % zu. Die Haushalte zogen trotz der angekündigten Mehrwertsteuererhöhung weniger Käufe vor als erwartet, und das obwohl sie sich der Problematik bewusst waren und in Umfragen entsprechende Kaufabsichten äußerten: So explodierten die Preiserwartungen und die Anschaffungsneigung der Haushalte. Es kam dennoch nur in bestimmten Zweigen des Einzelhandels, wie dem Handel mit Einrichtungsgegenständen, Haushaltsgeräten und Baubedarf, zu starken Zuwächsen (4,5 %). Auf der Gewinnerseite waren noch der Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren (2,7 %) sowie der Handel mit kosmetischen, pharmazeutischen und medizinischen Produkten (2,2 %). Eindeutige Vorzieheffekte gab es vor allem im Kfz-Handel, sodass der erweiterte Einzelhandel (einschließlich Kfz-Handel und Tankstellen) im vergangenen Jahr 1,3 % mehr umsetzte.

Doch insgesamt hätte man sich im Jahr vor der größten Mehrwertsteuererhöhung der Bundesrepublik, mit der Fußballweltmeisterschaft und einer Besserung am Arbeitsmarkt für den Einzelhandel deutlich mehr vorstellen können.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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