Kommentar
08:18 Uhr, 08.07.2014

Einheitliche EU-Regelung für Crowdfunding notwendig

Die Crowdfunding-Plattform Seedmatch.de gehört zu den größten in Deutschland. PortfolioJournal-Redakteur Uwe Görler sprach mit Dana Melanie Schramm, Head of Corporate Communications von Seedmatch zu Chancen und Risiken dieser Venture Capital-Finanzierung.

1. Welche Bedeutung hat Crowdfunding derzeit in Deutschland?

Bevor es Crowdfunding für Startups bei Seedmatch gab, konnten nur einige wenige VC-Gesellschaften und eine überschaubare Anzahl an Business Angels in ausgewählte, wenige Startups in Deutschland investieren. Wer als Gründer keinen Zugang zu diesen Investoren bekam, hatte wenige Chancen auf eine Finanzierung – gleichzeitig hatten Kleinanleger keinen Zugang zu dieser attraktiven Investmentklasse.

Ein klassischer Bankkredit ist zudem in der Regel keine Option für Startups, da Banken das Risiko neuartiger Geschäftskonzepte schlecht abschätzen können und sich daher oftmals vor deren Finanzierung scheuen – insbesondere in den frühen Unternehmensphasen. Außerdem ist die Zinsbelastung in einer so frühen Phase oft ein Problem für junge Unternehmen.

2. Seedmatch zählt zu den größten Crowdfunding-Plattformen in Deutschland. Welche Kriterien müssen Investoren erfüllen, um auf Ihrer Plattform erfolgreich Crowdfunding betreiben zu können?

Crowdinvesting ist grundsätzlich für jeden zugänglich, der ein deutsches Bankkonto besitzt, der über 18 Jahre ist, mindestens 250 Euro investieren möchte und den möglichen Verlust seines investierten Kapitals verkraften könnte. Investoren sollten optimalerweise genug Kapital besitzen, um in mehrerer Startups zu investieren und sich ein ausreichend großes Portfolio anzulegen – nur so können Risiken gestreut werden. Die Kriterien für Startups: Wir möchten unseren Investoren immer die spannendsten Startups Deutschlands vorstellen. Ob sich ein Startup bei Seedmatch präsentieren kann, ist von vielen kleineren und größeren Kriterien abhängig – nicht jedes Startup ist für ein Crowdinvesting geeignet. Alle Details dazu finden Sie hier.

3. Könnten Sie uns ein Beispiel nennen für erfolgreiches Crowdfunding über ihre Plattform?

Protonet entwickelt und baut den „einfachsten Server der Welt“ für kleine und mittlere Unternehmen. Kunden werden damit einfach unabhängig von großen Cloud-Anbietern und können ihre Daten sicher ablegen und selbst verwalten. Das Hamburger Startup überzeugte in fünf Tagen, 13 Stunden und 31 Minuten genau 1.826 Investoren, die insgesamt drei Millionen Euro in Protonet investierten. Nie zuvor finanzierte sich ein Startup in dieser Geschwindigkeit über die Crowd; kein deutsches Startup konnte bisher eine so große Summe aus der Crowd einsammeln.

4. Worauf sollten Anleger achten, wenn sie in bestimmte Projekte investieren?

Bei Seedmatch wird jeder Investor darüber informiert, dass Startup-Investments aufgrund des hohen Risikos nicht für jeden geeignet und nur als Bestandteil eines diversifizierten Portfolios sinnvoll sind. Investoren sollten daher lediglich einen kleinen Teil ihres zur Verfügung stehenden Kapitals in Startups investieren und das auch nur, wenn sie genug Kapital haben, um langfristig das Risiko innerhalb dieser Investmentklasse zu streuen.

5. Bei Einlagen von über 100.000 Euro sind normalerweise Wertpapierprospekte sowie eine BAFIN-Lizenz erforderlich, anders aber bei Crowdfunding. Wo informieren sich Anleger am besten und wie gehen sie sicher, dass die im Video übermittelten Nachrichten auch der Wahrheit entsprechen?

Richtig, die Geschäftstätigkeit von Seedmatch erfordert keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin („BaFin-Lizenz“). Das Finanzaufsichtsrecht in Deutschland ist komplex und je nach Geschäftstätigkeit kann sich eine Erlaubnispflicht u. a. aus dem Kreditwesengesetz (KWG), dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) oder dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) ergeben.

Bei Seedmatch ist das aus den folgenden Gründen nicht der Fall: Der Gesetzgeber hat bewusst festgelegt, dass das partiarische Darlehen nicht als Vermögensanlage im Sinne des VermAnlG gilt (dies wurde zuletzt zum 1. Juni 2012 mit dem Inkrafttreten des neuen Vermögensanlagengesetzes erneut bestätigt). Das partiarische Darlehen ist dadurch von der sog. Prospektpflicht ausgenommen und kann von Startups auf Seedmatch ohne Verkaufsprospekt öffentlich angeboten werden. Auch eine Bankerlaubnis nach dem KWG wird nicht benötigt. Da die partiarischen Darlehen mit einem qualifizierten Nachrang ausgestattet sind, liegt kein Einlagengeschäft vor. Des Weiteren werden die im Rahmen eines Crowdfundings notwendigen Zahlungsdienstleistungen, die eine Erlaubnis gem. ZAG bzw. KWG erfordern, von Seedmatchs Partner, der Secupay AG, einem bei der BaFin eingetragenen Zahlungsdienstinstitut, erbracht.

Investoren können, bevor Sie investieren, den Businessplan und die Finanzzahlen des Startups auf der Plattform einsehen und über den Fragen- und Update-Bereich bei Seedmatch mit den Gründern kommunizieren. Viele Gründer bieten auch die Möglichkeit an, sie persönlich zu kontaktieren und z. B. einen Telefontermin vereinbaren. Seedmatch bietet zudem für Interessierte die Möglichkeit, an einem moderierten Investoren-Call teilzunehmen, bei dem die potentiellen Investoren ebenfalls Fragen an die Gründer stellen können.

6. Ab welchen Anlagesummen ist Crowdfunding bei Ihnen möglich und ab welcher Anlagesumme ist ein Investment sinnvoll?

Seedmatch ist mit dem Ziel gegründet worden, Startups in sehr frühen Phasen mit Kapital zu unterstützen und damit eine Lösung für eine Marktlücke in Deutschland zu finden. Crowdfunding bei Seedmatch ist schon mit Beträgen ab 250 Euro möglich. Mit einer Investitionssumme von 1.000 Euro kann sich jeder Crowdinvestor zum Beispiel ein Portfolio mit vier Startups aufbauen, in die jeweils 250 Euro investiert werden. Damit ist ein Startup-Investment PER SE für jeden Kleinanleger geeignet – vorausgesetzt er interessiert sich für Innovationen und neue Produkte und ist mit dem Risiko des Crowdfundings für Startups vertraut. Durch einen Investor mit Leidenschaft gewinnt das Startup neben Kapital auch Unterstützer, Kunden und Multiplikatoren.

7. Bisher hat wohl noch keines der Unternehmen die mögliche Rückzahlung der Fundingsumme nach fünf Jahren erreicht. Sehen Sie Risiken, dass die Rückzahlung manche Firmen überfordern könnte und wie hoch bewerten sie die Ausfallquote?

Das Startup hat die Möglichkeit, alle oben aufgeführten Auszahlungen zu strecken, wenn das Fortbestehen oder das Wachstum des Startups durch die Auszahlung nachhaltig gefährdet werden würden. Auf diese „nachhaltige Gefährdung des Wachstums“ darf sich das Startup aber höchstens für einen Zeitraum von zwei Jahren berufen. Ein solventes Startup ist natürlich ganz im Sinne des Investors, eine verzögerte Rückzahlung soll aber für Sie nicht zum Nachteil werden. Deswegen wird der ausstehende Rückzahlungsbetrag mit 6 Prozent p. a. verzinst. Entscheidend ist, dass sich ein langfristiges Investment bei positiver Geschäftsentwicklung sowohl für den Kleinanleger, als auch für das Startup gelohnt hat.

8. Im Falle eines Exit-Ereignisses erhält der Investor einen Bonuszins. Wie berechnet sich dieser genau und wie hoch ist dieser im Schnitt?

Kommt es zu einem Exitereignis, d. h. es werden mehr als 50 Prozent der Geschäftsanteile der Gründer veräußert, dann sind Sie als Investor am Exit eines Startups beteiligt. Ihr Investment kann sich in diesem Fall noch mehr lohnen als im Kündigungsfall, denn Ihre wirtschaftliche Beteiligung ist im Exitfall quasi unbegrenzt. Konkret: Sie sind in Höhe Ihrer persönlichen Beteiligungsquote am Exiterlös der Gesellschafter des Startups beteiligt und erhalten einmalig Ihren Anteil am Exiterlös der Gesellschafter des Startups. Ein Beispiel: Exit durch Veräußerung: Investor C hat in Startup D 2.000 Euro investiert und bei einer Bewertung von 2,0 Millionen Euro ein partiarisches Darlehen mit einem Anteil in Höhe von 0,1 % erworben. Ein strategischer Investor erwirbt nach vier Jahren für 8,0 Millionen Euro alle Anteile an Startup D. Durch die Übernahme der Anteile tritt für Investor C das Exitereignis ein. Er erhält – sofern es zwischenzeitlich nicht zu einer weiteren Verwässerung der Anteile gekommen ist – eine einmalige Auszahlung in Höhe von 8.000 Euro. Sein Vertrag über das partiarische Darlehen endet damit. Investor C erzielt damit eine Rendite in Höhe von (Gewinn / eingesetztes Kapital) = 6.000 Euro/ 2.000 Euro = 300 %. Mehr Informationen finden Sie hier

9. Wie sehen Sie die Entwicklung des Crowdfunding bzw. -investing in den nächsten Jahren in Deutschland und weltweit?

Wir bei Seedmatch glauben, dass Crowdfunding mittel- bis langfristig eine noch bedeutendere Rolle in der Welt der Unternehmensfinanzierung spielen wird. Crowdfunding für Startups wird Schritt für Schritt weiter wachsen – und das in mehrfacher Hinsicht: seitens der zu finanzierenden Startups, der Investmentsummen, aber vor allem auch im Hinblick auf die interessierten Investoren.
Crowdfunding mit dem unmittelbaren Bezug zwischen den Projekten und ihren Unterstützern wird noch mehr Lebensbereiche und Themen erobern, um Ideen auf diesem demokratischen Prinzip umzusetzen. Ein weiteres Ziel der Crowdfunding-Plattformen muss es sein, die Besonderheiten dieser Finanzierungsform noch bekannter zu machen und mehr Startups und Investoren zusammen zu bringen. Denn generell existieren sehr viele Vorurteile über Crowdfunding für Startups . Seedmatch plädiert zudem für eine einheitliche EU-Regelung des Crowdfundings. Denn nur so kann eine optimale Rechtsicherheit für Unternehmen und Unterstützer gewährleistet werden. Ohne eine einheitliche EU-Regelung birgt ein länderübergreifendes Crowdfunding – vor allem Equity-based Crowdfunding – aus unserer Sicht, ein unkalkulierbares Risiko für alle Beteiligten. Dies gilt insbesondere für kapitalsuchende Unternehmen, die nicht sicher sein können, die verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen für öffentliche Investmentangebote der einzelnen Länder, in denen Investoren angesprochen werden, zu erfüllen. Darüber hinaus birgt so eine Vorgehensweise das Risiko, das Vertrauen der Bevölkerung in diese Finanzierungsart zu unterminieren und das Wachstum von Crowdfunding zu beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund können wir die europäische Kommission nur ermutigen, angemessene länderübergreifende Rahmenbedingungen zu schaffen, um potentielle Risiken einzuschränken und gleichzeitig das Wachstum von Crowdfunding zu fördern.

Vielen Dank für das Interview!

Dana Melanie Schramm (Head of Corporate Communications) studierte an der Technischen Universität Ilmenau und absolvierte ihr Masterstudium an der Universität Leipzig im Fach Communication Management. Sie sammelte Erfahrung bei CNBC in Paris und arbeitete in mehreren Forschungs- und Kooperationsprojekten, zum Beispiel für BASF und Daimler. Dana Melanie Schramm leitet bei Seedmatch den Bereich Corporate Communications. Sie unterstützt in dieser Rolle Startups dabei, sich und das eigene Funding in den Medien bestmöglich zu präsentieren.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

Mehr über Daniel Kühn
  • Anlagestrategien
  • Fundamentalanlyse
  • Value Investing und Momentum-Ansatz
Mehr Experten