Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer
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Köln (BoerseGo.de) - Derzeit sprechen eine Reihe von Faktoren dafür, dass die Eurozone vor einer starken konjunkturellen Erholung steht. Ohne durchgreifende Reformen - insbesondere auf den Arbeits- und Gütermärkten - und einer Beseitigung struktureller Probleme wird es für die Währungsunion jedoch schwer, zu einem höheren langfristigen Wachstumspfad zurückzufinden. Zu dieser Einschätzung kommt Hetal Mehta, Ökonomin beim britischen Asset-Manager Legal & General Investment Management (LGIM). „Die Rahmenbedingungen sprechen dafür, dass die Eurozone reif ist für eine zyklische Erholung in den kommenden Quartalen“, sagt Mehta, „aber das sollte nicht verwechselt werden mit einem langfristig nachhaltigem Wachstum und ebenso wenig lassen sich damit die bestehenden Ungleichgewichte in der Währungsunion übertünchen.“
Vor allem der stark gesunkene Ölpreis verleiht der Wirtschaft in der Eurozone jedoch zunächst einmal Rückenwind. In Euro gerechnet hat sich die Notierung des schwarzen Goldes seit Mitte vergangenen Jahres annähernd halbiert. „Als bedeutender Netto-Importeur von Öl gehört die Eurozone zu den größten Profiteuren dieser Entwicklung", sagt die LGIM-Expertin. Dazu kommt eine Inflation nahe der Nullmarke.“ Mit nominellen Lohnzuwächsen von im Schnitt 1,7 Prozent werden die privaten Haushalte im laufenden Jahr erstmals wieder reale Einkommenszuwächse haben, die auf Vor-Krisen-Niveau liegen", so Metha. „Angesichts der niedrigen Energiekosten werden die Verbraucher einen guten Teil davon für Konsum ausgeben.“
Die anhaltend niedrigen Inflationserwartungen bergen jedoch das Risiko, dass die Wirtschaft in eine deflationäre Phase abgleitet. „Allerdings scheint sich die Europäische Zentralbank dieser Gefahr mittlerweile bewusst zu sein. Daher hat sie ihre Geldpolitik mit dem neuen Anleihekaufprogramm noch weiter gelockert“, beobachtet Metha. „Das macht gleichzeitig ein Abrutschen in die Rezession noch unwahrscheinlicher."
Zusätzlich profitiert die Wirtschaft der Eurozone von der Schwäche der Gemeinschaftswährung. In Handelsströmen gerechnet ist der Euro um zehn Prozent abgewertet. „Damit hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf dem Weltmarkt verbessert, was den Export stützt, und gleichzeitig verbilligen sich die Importe“, erklärt die Ökonomin. „Wir rechnen dadurch mit einem auf das Jahr gerechneten zusätzlichen Wachstum von 0,5 Prozent." Dazu kommt, dass sich die Kreditversorgung der Unternehmen durch die Banken in den vergangen Monaten verbessert hat und außerdem die Nachfrage nach Darlehen anzieht. Zusätzlich positiv: Die Neuverschuldung der Euro-Staaten ist im vergangenen Jahr im Durchschnitt auf die Nulllinie gefallen und wird im laufenden Jahr nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) nur 0,5 Prozent erreichen.
Gefahr droht der Konjunktur höchstens von politischer Seite. Neben dem weiterhin schwelenden Ukraine-Konflikt könnte die instabile Situation Griechenlands auf andere Euro-Staaten abfärben. So verzeichnen vor den anstehenden Wahlen in Portugal und Spanien die Parteien, die sich für eine Abkehr vom Sparkurs aussprechen, deutlichen Zulauf. „Davon abgesehen scheint jedoch die wirtschaftliche Lage Europas auf den ersten Blick gut zu sein“, so Metha. „Doch wenn man sich die Situation der einzelnen Länder anschaut, treten erhebliche Unterschiede zu Tage.“ So liegt zum Beispiel die Verschuldung des öffentlichen Sektors in Griechenland um 80 Prozent über dem europäischen Durchschnitt, während die Niederlande und Deutschland um 17 beziehungsweise 27 Prozent darunter liegen. Ähnlich verzerrt sieht die Situation bei der Verschuldung der privaten Haushalte und in puncto nationaler Arbeitslosigkeit aus. „Die wirklichen Probleme innerhalb der Eurozone liegen in diesen Ungleichgewichten“, weiß die LGIM-Expertin und mahnt durchgreifende Reformen und eine echte Fiskalunion an. „Nachdem die Phase, in der die Euro-Staaten einen harten Sparkurs fahren mussten, vorbei ist, sind die hochverschuldeten Länder gefordert, eine wachstumsorientierte Politik zu verfolgen, um ihre Schuldenquoten endlich zu senken.“
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