Eine Rezession ist gar nicht so schlecht
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Frau Greil-Castro, befürworten Sie die geldpolitische Straffung?
Dass der Zins wieder als Zeitwert des Geldes funktionieren kann, ist zu begrüßen. Im negativen Bereich verliert der Zins seine Signalwirkung. Die harte Gangart der Zentralbanken gleich zu Beginn des Straffungszyklus ist auch angebracht. Ein Hinauszögern des Unvermeidlichen hätte ohnehin nichts geholfen.
Eine Rezession ist somit unvermeidbar?
Eine Rezession, wie sie konventionell definiert ist, ist für mein Dafürhalten gar nicht so schlecht, denn sie hat auch etwas Bereinigendes. Die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens ist recht hoch. Weil die Menschheit sich rein auf Wachstumszahlen und das Bruttoinlandprodukt konzentriert, neigt sie zur Ressourcenverschwendung. Die Kosten des Wirtschaftens werden in der Berechnung des BIP ausgeblendet. Das ist, als würde ein Unternehmen nur über die Erträge Bericht erstatten, ohne die Kosten aufzuzeigen. Wir leben über unseren langfristig tragbaren Wohlstand hinaus. Was wir heute verprassen, löst unumkehrbare Zerstörungen aus. Dieser Fokus auf das Bruttoinlandprodukt ist daher selbstzerstörerisch.
Für die Notenbanker und die Märkte ist ohnehin die Inflation der richtungsweisende Faktor.
Ja absolut. Und wie die Vergangenheit gezeigt hat, als viele Ökonomen, aber auch die Zentralbanker, noch von einem vorübergehenden Phänomen ausgingen, ist die Inflationsprognose sehr komplex. Immer wieder wird mit Basiseffekten argumentiert, die jedoch den Trend nach oben doch nicht brechen können.
Die Inflation hat sich zunehmend ausgebreitet und erfasst mittlerweile viele Produkte und Dienstleistungen, in den USA, aber auch in Europa. Der Überraschungseffekt durch die Hartnäckigkeit der Teuerung führt jetzt dazu, dass die Währungshüter ihre Leitzinsen in drastischem Ausmaß anheben müssen. Statt der 25 Basispunkte einmal im Quartal, wie wir das von früheren Zyklen so kennen, werden die Leitzinsen jetzt um 75 Basispunkte alle sechs Wochen angehoben. Das ist massiv.
Welche Botschaft ist aus den Zinskurven in den USA und in Europa herauszulesen?
Die Zinskurve in den USA ist weniger invertiert, als sie es schon war. Die Inversion, bei der die kurzfristigen Zinssätze höher liegen als die langfristigen, gab es in Europa nicht. Auch in Europa sind die Langfristzinsen nochmals stark nach oben geklettert. Die Märkte haben bereits eingepreist, dass die Leitzinsen lange hoch gehalten werden und vom aktuellen Niveau auch noch höher gehen und dass die Normalisierung der Inflation lange dauern wird. Die Inflationserwartungen sind in diesem Jahr allerdings deutlich weniger gestiegen, als man das befürchten musste.
Die Risikoprämien für Unternehmensanleihen sind ebenfalls deutlich gestiegen. Ist jetzt der richtige Einstiegszeitpunkt gekommen?
Die Kurse der Anleihen fallen seit geraumer Zeit, und die Renditeaufschläge sind nach oben geklettert. In der Regel nehmen die Unternehmensanleihen eine Rezession um zwölf bis achtzehn Monate vorweg. Wir halten Unternehmensanleihen auf diesen Niveaus für attraktiv.
Werden Unternehmensanleihen-Investoren für das Rezessionsrisiko kompensiert?
Ja durchaus. Insbesondere Hochzinsanleihen bieten ein attraktives Rendite-Risiko-Profil. Sollten sich die Renditeaufschläge bei diesen Anleihen nochmals deutlich ausweiten, wovon wir nicht ausgehen, dann geschieht dies nicht aus fundamentalen Gründen, denn es ist schon einiges eingepreist. Eine Ausweitung wäre jedoch möglich, wenn die Stimmung am Markt weiter einbricht.
Und was halten Sie von Unternehmensanleihen mit Investment Grade-Rating?
Dort könnten die Renditeaufschläge noch etwas nach oben klettern, weil sie aus historischer Sicht eher verhalten gestiegen sind. Die Spreads weisen fundamental attraktive Levels auf. Kurzfristig kann es wohl noch zu einer Ausweitung kommen.
Wo liegen denn die Renditen im Schnitt etwa bei den Unternehmensanleihen mit hoher Bonität und mittlerer Laufzeit?
Die Rendite im Bereich der fünfjährigen Papiere liegt bei etwa 4 % - ein durchaus attraktives Niveau, wenn man das mit 0 % zu Jahresbeginn vergleicht. Daher geht die Überlegung der Investoren dahin, dass dies beispielsweise mit der Verzinsung einer italienischen Staatsanleihe mit derselben Laufzeit verglichen wird, die nur leicht höher liegt.
Ist das Rating des italienischen Staates denn ähnlich wie das der Investment Grade-Anleihen?
Die Unternehmensanleihen mit Investment Grade-Rating verfügen im Schnitt über ein höheres Rating als der italienische Staat. Italiens Rating liegt bei BBB- gemäß S&P, die Investment Grade-Anleihen mit fünf Jahren Duration werden bei A- eingestuft. Das Kreditrisiko ist insgesamt im Vergleich mit vermeintlich sicheren Staatsanleihen nicht so hoch.
Die politische Wende in Italien stellt auch einen neuen Risikofaktor dar?
Je nach Programm der neuen Regierung könnten die Risikoprämien nochmals steigen. Darüber hinaus ist die Diversifikation bei einem Portfolio mit vielen Unternehmensanleihen deutlich besser als beim Kauf von Schuldpapieren nur eines Staates.
Welche Rendite kann man bei Hochzinsanleihen mit mittlerer Laufzeit erwarten?
Mittlerweile kann man im Schnitt mit etwa 7,5 % Rendite rechnen. Das Rating ist im Schnitt bei BB. Noch vor einem Jahr lag die Rendite bei 2,5 %. Die Renditeaufschläge und die Kurse berücksichtigen somit schon viel Risiko.
Werden die Ausfälle bei Unternehmensanleihen bei einer Rezession deutlich steigen?
Nein, damit rechnen wir nicht, weil die Firmen über viel Liquidität verfügen.
Welche Unternehmensanleihen bevorzugen Sie aktuell aus geografischer Sicht?
Wir halten die Schuldpapiere von europäischen Firmen attraktiver als die von US-Unternehmen. Die Rezession und die große Furcht vor der Energiekrise sind bei den europäischen Titeln schon voll eingepreist.
In China hingegen sind wir vorsichtig, weil man dort einmal mehr mit Veränderungen rechnen muss. Wir haben schon lange keine Zukäufe mehr getätigt und werden auch künftig davon absehen. Bei den Schwellenländern finden wir Unternehmen im Nahen Osten attraktiver, insbesondere Banken, wo oftmals die Regierungen Anteilseigner sind. Viele Energieunternehmen richten sich dort zudem auf erneuerbare Energien aus.
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