Kommentar
12:01 Uhr, 09.02.2009

Eine Bohne namens Soja

Erwähnte Instrumente

  • Soja
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    Aktueller Kursstand:   (ARIVA Indikation)

Aus dem Rohstoff-Report 03 vom 3. Februar 2009 (Abonnieren Sie den Rohstoff-Report unter www.rohstoff-report.de):

Agrarrohstoffe bieten Chancen auf kräftige Kursgewinne im Jahr 2009. Das Wetterphänomen La Niña wird seit Wochen stärker und sorgt schon heute für Dürren in Südamerika. Außerdem sind Getreide weitaus resistenter als andere Rohstoffe gegenüber der Schwäche der Weltwirtschaft. Unter den Getreidesorten sticht vor allem das proteinhaltige Soja als beste Anlagechance heraus: Die Chinesen haben zum Jahreswechsel große Mengen eingekauft. Nach dem Ende der chinesischen Neujahresfestivitäten (sie dauern in China bis zum 9. Februar) könnten sich die Einkäufe der Chinesen erneut beschleunigen. Die Volksrepublik ist der weltweit größte Sojaimporteur. Auf der Angebotsseite wird Argentinien, der drittgrößte Exporteur, von der schlimmsten Dürre seit fast 50 Jahren heimgesucht. Soja ist damit inmitten der Wirtschaftskrise ein Gut, dessen Nachfrage stark steigt, während das Angebot fällt – eine seltene Konstellation in diesen Zeiten. Wenn das Angebot fällt und die Nachfrage wächst steigen die Preise. Das bietet Chancen für Anleger. Wer jedoch zu teuer einsteigt, könnte das Nachsehen haben. Wir erklären in diesem Artikel, warum die Preise im Februar fallen und sich dann ein Einstieg lohnen könnte.

Sojabohnen werden in Chicago an der Terminbörse CBOT in einer etwas antiquierten Einheit gehandelt: Dem Scheffel. Je nach Getreidesorte ist ein Scheffel unterschiedlich schwer - bei Soja sind es umgerechnet 27,2 Kilogramm. Diese Menge kostete in Chicago im Juli 2008 soviel wie nie zuvor - 16,63 Dollar wurden im Hoch gezahlt. Daran war vor allem der hohe Ölpreis schuld, der die Biodieselnachfrage kräftig anheizte. Da aus Sojabohnen Biodiesel hergestellt werden kann, hatte die Nachfrage nach Sojabohnen Hochkonjunktur. Mit dem Crash beim Ölpreis kam der Crash bei den Sojapreisen: Sie brachen im Dezember bis auf 7,79 Dollar ein. Zwar konnten sie sich bis zum 12. Januar wieder bis auf 10,60 Dollar erholen. Heute kostet das Scheffel Soja aber wieder rund einen Dollar weniger bei 9,59 Dollar gehandelt.

Die Preise könnten Anfang Februar weiter fallen. Gerade Agrarrohstoffe bewegen sich nach saisonalen Gesetzen. Die Preise fallen, wenn die Ernte am Markt eintrifft, und steigen, wenn die Pflanzen gerade heranwachsen und somit gefährdet gegenüber Wetterextremen und Schädlingsbefall sind. Während des Jahres wird eine so genannte Risikoprämie aufgebaut und wieder abgebaut, was die Preise verändert. Ein besonderes saisonales Merkmal bei Sojabohnen ist die so genannte „Februarpause“. Sie wirkt sich schon im Januar aus und erreicht Anfang Februar ihren Höhepunkt, wenn Landwirte ihre Vorräte aus steuerlichen Erwägungen verkaufen oder Bargeld brauchen, um die Aussaat für das neue Jahr finanzieren zu können. Die „Februarpause“ erklärt sich aber noch durch einen weiteren Umstand. In den USA werden Sojabohnen vorwiegend auf dem Wasserweg zu den Exporthäfen oder Verarbeitern im Inland transportiert. Das ist der kostengünstigste Transportweg, er birgt aber auch Gefahren. Im Winter kann es vorkommen, dass einige Flüsse zufrieren, was den Transport behindert. Die Getreideheber, die Zwischenhändler, die Getreide von den Landwirten kaufen und die Ware für den späteren Verkauf an Kunden lagern, gehen im Januar und Anfang Februar mit niedrigeren Geboten an den Markt, da sie ihre Gewinnmargen schützen wollen. Die gefrorenen Wasserwege erhöhen ihre Transportkosten.

Land

% Anteil an der Weltproduktion

USA

43,3

Argentinien

15,4

Brasilien

22,1

China

8,9

BU: Die größten Weltproduzentenländer für Sojabohnen

Diese beiden Faktoren belasten die Sojapreise bis Anfang oder Mitte Februar. Danach nimmt der Verkaufsdruck ab, da die ersten Wasserwege wieder auftauen und die Landwirte auf ihre Felder fahren, um sie für die neue Saison vorzubereiten. In diesem Jahr könnte es sich lohnen, ein mögliches Tief bei den Sojapreisen im Februar zum Einstieg zu nutzen. Die außerordentlichen Verkäufe wegen der „Februarpause“ könnten die Preise belasten, aber nur zeitweise. Denn Argentinien erlebt gerade die schlimmste Dürre seit fast 50 Jahren, und das inmitten der Blütephase, in der die Pflanzen am anfälligsten gegenüber extremen Wetterverhältnissen sind. Bleibt der Regen in den nächsten Wochen weiter aus, so wird es zu kräftigen Ernteeinbußen kommen. Da sich die USA auf dem Weltmarkt im direkten Wettbewerb mit Südamerika behaupten müssen, erhöhen Ernteverluste in Argentinien die Exportchancen für Soja aus den USA. Brasilien und Argentinien haben einen Weltproduktionsanteil bei Sojabohnen von zusammen 37,5 Prozent, gegenüber 43,3 Prozent der USA.

Typischer saisonaler Verlauf im 5- und 15-Jahresschnitt

Wachstumsphasen der Sojabohnen

Der Großteil der Sojabohnen wird in den USA ab dem 10. Mai bis zum 23. Juni ausgesät. Ideal ist es, wenn die Aussaat bei milden Temperaturen und moderaten Niederschlägen stattfindet, weil dann der Boden locker genug ist und so leicht bearbeitet werden kann. Bei zu starkem Regen sinken die schweren Traktoren im Boden ein, bei zu trockenem Boden kann der Boden nur schlecht für die Aussaat vorbereitet werden. Wenn es zu starken Regen oder zu wenig Regen gibt, oder es zu kalt oder zu heiß ist, kann es zu Verzögerungen der Aussaat kommen, wodurch meistens die Ertragsraten fallen. Es kam in den letzten Jahren immer wieder zu Verzögerungen, sodass der Markt in dieser Zeit dazu tendiert, eine Risikoprämie in den Sojapreisen zu eskomptieren.

Bundesstaat

Beginn

Aktivste Phase

Ende

Illinois

6. Mai

15. Mai – 9. Juni

16. Juni

Iowa

4. Mai

14. Mai – 2. Juni

17. Juni

Minnesota

6. Mai

16. Mai – 3. Juni

23. Juni

Indiana

5. Mai

15. Mai – 5. Juni

20. Juni

Ohio

5. Mai

10. Mai – 7. Juni

23. Juni

Normale Pflanzzeiten für Sojabohnen in den USA (5 Top-Produzenten-Staaten)

Einige Tage nach der Aussaat keimen die Sojabohnen. Obwohl die Sojabohne als eine der resistentesten Nutzpflanzen gilt, ist die Pflanze bis Ausbildung ihrer Wurzeln sehr anfällig gegen Schädlingsbefall, extreme Wetterverhältnisse oder Wildfraß. Wenn die Wurzel gebildet ist, ist Soja jedoch sehr robust. Die Pflanze ist sehr periodisch – Landwirte können Tage im Kalender auswählen und mit einer Treffgenauigkeit von wenigen Tagen bestimmen, wann die Pflanze geerntet werden kann. Die einzige Phase, die alles verderben kann, ist die Blütephase. Sie ist neben der Keimphase der kritischste Lebensabschnitt der Pflanze: Eine gute Blüte spricht für eine gute Ernte – normalerweise blühen Sojabohnen in den USA in der zweiten oder dritten Juliwoche. Nach der Bestäubung bilden die Pflanzen dann Bohnenhülsen, die später jeweils vier bis sechs Bohnen enthalten werden. Nach der Bestäubung hat die Sojabohne ihr Wurzelwerk vollständig ausgebildet und kann dann auch extremen Wetterverhältnissen trotzen (außer Frost). Ihre bis zu 1,5 Meter tiefen Pfahlwurzeln verleihen ihr eine sehr hohe Stabilität. Daher gilt die Ernte zum Zeitpunkt der Bestäubung als „gemacht.“ Die Bestäubung ist normalerweise bis Mitte August abgeschlossen.

Die Bohnenhülsen erscheinen normalerweise am unteren Teil der Pflanze, während der obere Teil der Pflanze noch blüht. Dieses Stadium dauert von Ende Juli bis Ende September. Die Ernte beginnt in den USA um den 21. September – die heiße Phase dauert vom 1. Oktober bis zum 25. Oktober. Normalerweise ist die Sojaernte dann am 10. November vollständig in allen US-Bundesstaaten abgeschlossen. Ideale Bedingungen für die Ernte sind leicht über dem Gefrierpunkt liegende Temperaturen und nur geringer Niederschlag. Warmes und nasses Wetter kann die Feldarbeiten erschweren, heftiger Schneefall oder Regen eine Ernte unmöglich machen.

[Link "Preisverlauf von Sojabohnen aufrufen" auf profichart.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar]

Echtzeit-Kurse zu Sojabohnen und den Rohstoffen

Ganze Sojabohnen haben nur begrenzten Nutzwert. Sie können als Samen für die kommende Saison gelagert und außerdem zum kochen, rösten oder zur Verarbeitung von Tierfutter verwendet werden. Vorwiegend werden Sojabohnen jedoch zu Sojamehl und Sojaöl verarbeitet. Die Verarbeitung der Bohnen zu Öl oder Mehl wird als „Crushing“ bezeichnet. Ursprünglich wurden große Walzen verwendet, um das Öl aus den Bohnen zu extrahieren. Das verbleibende Material wurde getrocknet und gereinigt, um Mehl herzustellen. Heute ist der Prozess chemisch, wird aber immer noch als „Crushing“ – zu Deutsch „mahlen“ bezeichnet.

Sojaöl wird vorwiegend für essbare Produkte wie Margarine, Salat- und Kochöl sowie Backfett verwendet. Das Öl wird außerdem in begrenzten Mengen auch in der chemischen Produktion sowie zur Herstellung von Farben, Schmierstoffen und Lacken verwendet. Die wichtigsten Substitute für Sojaöl sind Rapsöl, Baumwollsamenöl, Sonnenblumenöl und Tieröle wie beispielsweise Fischöl. Aufgrund der hohen Wettbewerbsdichte der Ölindustrie und der Möglichkeit der Substitution mit zahlreichen oft gleichwertigen Produkten trägt Sojaöl nur zu 20 Prozent zum weltweiten Speiseölkonsum bei. Ein Anstieg der Nachfrage nach Speiseölen oder mangelnde Verfügbarkeit der Substitute macht Sojaöl wertvoller und lässt die Nachfrage nach Sojabohnen ansteigen.

Rund 90 Prozent des Sojamehls werden zu Tierfutter verarbeitet. Sojamehl ist eine exzellente Quelle von Aminosäuren und Protein für die Tierzucht. Tierfutter ist leicht zu ersetzen, da auch Mais, Raps, Leinsamen und Baumwollsamen statt Sojamehl verwendet werden können und oft auch werden, wenn sie günstiger sind. Die Sojamehlnachfrage ist direkt korreliert zu den Preisen für Fleisch. Wenn die Fleischpreise steigen, erhöht sich die Nachfrage nach Futtermitteln wie Sojamehl. Wenn die Sojamehlnachfrage steigt, wächst die Nachfrage nach Sojabohnen.

Terminkurve Sojabohnen

Zusammenfassung

Ob es in diesem Jahr zu den typischen, der „Februarpause“ zuordenbaren Preisverlusten bei den Sojabohnen kommen wird, bleibt abzuwarten. Die Dürre in Argentinien sorgte bisher dafür, dass die Preise nicht deutlich fielen. Aus saisonalen Gesichtspunkten wären Kursrückgänge in den nächsten Tagen willkommen, um eine Long-Position im Markt aufzubauen. Dies jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass sich die Lage an den Finanzmärkten nicht weiter eintrübt. Neue Zwangsverkäufe und Liquidationen von Indexfonds und anderen kapitalstarken Marktteilnehmern würde die Preise der Sojabohnen deutlich belasten – unabhängig davon, wie sich die fundamentalen Daten entwickeln. Sollte sich der Markt jedoch weiter stabilisieren, erscheint uns ein Einstieg bei fallenden Kursen in den nächsten Tagen attraktiv.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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