Kommentar
08:04 Uhr, 26.01.2021

Eine Aktienmarkt-Blase, von der jeder weiß?

Immer mehr wird von einer Blase am Aktienmarkt gesprochen. Auch das Interesse der Anleger an dem Thema steigt. Wenn jeder Bescheid weiß, kann es dann überhaupt eine Blase geben?

Investorenlegende Jeremy Grantham warnt seit einiger Zeit vor einer Blase. Da dieser immer noch nicht geplatzt ist, legt er regelmäßig nach. Aus einer gewöhnlichen Blase wurde zuletzt eine epische Blase. Persönlich halte ich den Markt für hoch bewertet. Von einer monumentalen Überbewertung würde ich jedoch nicht sprechen. Solange die Zinsen nicht steigen, ist die Überbewertung nicht episch. Ein Zinsanstieg würde eine Korrektur bedingen. Das halte ich in diesem Jahr für wahrscheinlich. Das hat aber nichts mit einer Aktienmarktblase zu tun. Genau davor warnt aber nicht nur Grantham. Immer mehr springen auf den Zug auf. Das hat mehrere Gründe.

Das berühmte Cash an der Seitenlinie ist fast erschöpft. Große Käufer sind Aktienfonds. Aktienfonds sind nie zu 100 % investiert. Sie halten zwischen 3 % und 6 % in Cash. Aktuell liegt der Prozentsatz auf dem tiefsten Stand seit 10 Jahren (Grafik 1). Fonds werden in den kommenden Monaten nicht mehr als große Käufer auftreten und den Markt stützen.


Aktive Investmentmanager haben ebenfalls eine sehr einseitige Positionierung. Nur Ende 2017 waren sie noch extremer positioniert (Grafik 2). Man kann nicht bestreiten, dass eine gewisse Euphorie im Markt herrscht. Kleinanleger kaufen nicht nur Aktien wie selten zuvor, sie kaufen vor allem Optionen.

Das Volumen erreichte in den letzten Monaten mehrere Rekorde. Das führt zu einer gewissen Problematik. Optionen müssen von jemandem angeboten werden. Die Anbieter von Optionen sichern sich ab. Ein Anleger kauft also z.B. eine Call Option auf Tesla. Steigt die Aktie, steigt der Gewinn des Anlegers. Ohne Absicherung würde der Anbieter einen Verlust erleiden.

Um den Verlust abzusichern, wird der Basiswert gekauft oder verkauft, je nachdem welche Optionen verkauft wurden. Aktuell ist das Geschehen ziemlich einseitig. Es werden Optionen gekauft, um auf steigende Kurse zu spekulieren. Das führt dazu, dass über die Absicherungsgeschäfte die Kurse auch tatsächlich gestützt werden.

Das ist ein positiver Rückkopplungseffekt. Wetten auf steigende Kursen führen zu steigenden Kursen. Das Gegenteil geschieht, wenn sich der Effekt umkehrt. Selloffs werden größer und volatiler. Genau davor haben viele Angst. Kehrt sich der aktuell positive Effekt erst einmal um, stehen die Kurse schnell 10-15 % tiefer.

Das Überraschende ist derzeit jedoch, dass kaum jemand an der Euphorie zweifelt. Das Suchinteresse im Internet ist historisch hoch (Grafik 3). Man befindet sich quasi sehenden Auges in einer Übertreibung. Kann das helfen, Schlimmes zu verhindern?


Vermutlich nicht. Als das Interesse zuletzt so hoch war (Anfang 2018), kam es innerhalb kurzer Zeit zu einem Selloff, der als Volmageddon bekannt wurde. Der Volatilitätsindex VIX stieg an einem Tag um mehr als 100 %. Das gab es zuvor noch nie.

Nur weil sich Anleger einer Tatsache bewusst sind, handeln sie deswegen nicht automatisch danach. Vermutlich hofft jeder unter den ersten zu sein, die eine Trendwende erkennen und rechtzeitig verkaufen können. Erfahrungsgemäß schaffen das die wenigsten.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • Data75
    Data75

    Aber die Fonds werden doch immer weiter gefüttert durch Sparraten von Milliarden Menschen. Das Geld will doch weiter angelegt werden. Hinzu die indirekten Geldzuflüsse der Notenbanken. Sicher wird der Kaufdruck geringer als wenn noch Milliarden an der Seitenlinie parken aber er ist deswegen zumindest nicht weg, solange alle an steigende Kurse glauben und nicht verkaufen.

    08:33 Uhr, 26.01.2021
  • hochdietassen
    hochdietassen

    Guten Morgen - sehr gut geschrieben und belegt!

    08:09 Uhr, 26.01.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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