Kommentar
08:22 Uhr, 12.07.2016

Eindeutige Spekulationsblase?

In den vergangenen Wochen kam es zu einer ungewöhnlichen Rally in einem Sektor. Diese Rally ist so ungewöhnlich, dass man die Frage nach einer Spekulationsblase stellen muss.

Erwähnte Instrumente

  • Dow Jones Utility Average - WKN: 969422 - ISIN: XC0009694222 - Kurs: 716,24 Pkt (NYSE)

Versorger im Aufwind

Bei dem Sektor handelt es sich um die US-Versorger. Der Dow Jones Utility Average legte allein in diesem Jahr 30 % zu. Zudem notiert der Index 29 % über dem Hoch aus dem letzten Bullenmarkt im Jahr 2007. Versorger zählen in diesem Jahr neben Anleihen, Emerging Markets und Edelmetallen zu den Outperformern.

Diese Outperformance ist bemerkenswert, denn die Aktien von Versorgern sind hoch bewertet. Inzwischen liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis oberhalb anderer Sektorindizes oder dem KGV des S&P 500. Je nach genauer Zusammensetzung des Sektorindex liegt das KGV derzeit zwischen 19 und 22. Man kann nicht einmal behaupten, dass die Dividendenrendite so außergewöhnlich attraktiv wäre. Sie liegt im Bereich von 2,3 % bis 3 %.

Langfristig betrachtet haben Versorger viel aufzuholen. Vergleicht man den Dow Jones Utility mit dem Dow Jones Industrial oder dem Dow Jones Transportation Index, dann bleibt noch viel Luft nach oben. Industrie- und Transportwerte sind den Versorgern weit voraus.

Aktien der Branche so teuer wie Hightech-Werte

Mit der aktuellen Bewertung sind Versorger fast so hoch bewertet wie Technologiewerte. Beide weisen im Durchschnitt ein KGV von 19 aus. Die Dividendenrendite ist bei Versorgern jedoch um ca. ein Prozent höher. Dafür wiederum ist das Wachstum von Technologiewerten deutlich höher als jenes von Versorgern. Wie man es also dreht und wendet, Versorger sind hoch bewertet.

Das KGV liegt derzeit ein Drittel höher als im Durchschnitt der letzten 25 Jahre. Die Dividendenrendite ist dabei so niedrig wie lange nicht. Nun drängt sich zwangsläufig die Frage auf, ob es Anleger nicht etwas zu gut mit den Versorgern meinen. Es ist ja nicht so, dass dieser Sektor hohes Wachstum ausweist bzw. jemals hohes Wachstum ausweisen wird. Es ist schließlich unwahrscheinlich, dass Konsumenten plötzlich doppelt so viel Strom und Wasser verbrauchen werden.

Überraschend an der Entwicklung des Versorgerindex ist die Robustheit. Bereits 2014 konnte man lesen „Utility stocks, party like it’s 1999“, was eine Anspielung auf die Übertreibung der Technologiewerte zur Jahrtausendwende sein soll. Zwei Jahre später ist die Party noch immer nicht vorbei. Sie scheint gerade erst so richtig loszugehen.

Stabiles Geschäft lockt Anleger

Anleger, die jetzt bei Versorgern zugreifen, kaufen zweifelsohne so teuer wie zuletzt vor vielen Jahren oder sogar Jahrzehnten, doch sie haben auch gute Argumente dafür. Versorger haben ein stabiles Geschäftsmodell. Sie haben dazu hohe Ausschüttungsquoten und vergleichsweise hohe Dividenden. Die Dividendenrendite hat sich zuletzt relativiert, doch sie liegt noch immer weiter über dem Marktdurchschnitt.
Aktuell können Anleger immerhin 3 % Dividendenrendite erwarten. Die Ausschüttungen sind dabei zwar nicht garantiert, doch wenn die letzten 80 Jahre ein Maßstab sind, dann sollten stabile Dividenden realistisch sein. Die 3 % Rendite erkaufen sich Anleger, indem sie Kursrisiko auf sich nehmen. Ein Bärenmarkt geht auch an Versorgern nicht vorbei.

Versorger als Alternative zu Staatsanleihen?

3 % Rendite sind für Anleger dennoch attraktiv. Für US-Langfristanleihen (30 Jahre) erhält man derzeit noch 2 % Rendite. Inzwischen weisen diese Anleihen ebenfalls ein hohes Kursrisiko aus. Wer die Anleihen bis zum Laufzeitende hält, wird davon unberührt sein, doch die wenigsten Anleger (auch Pensionsfonds) können mit absoluter Sicherheit sagen, dass sie Teile ihres Portfolios nicht doch während der Laufzeit verkaufen müssen.

Das Kursrisiko erscheint bei Aktien höher zu sein. Das galt sicherlich auch für eine lange Zeit. Inzwischen ist das nicht mehr zwingend so. Ein Zinsanstieg kann Anleihekurse mit langen Laufzeiten um 30 % fallen lassen. Das ist in etwa so viel wie bei einem Bärenmarkt der Versorger.
Vergleicht man die historische Volatilität von 30-jährigen Anleihen mit der des Dow Jones Utility Index, dann ist die Differenz nicht besonders groß. Anleihen haben im Durchschnitt eine jährliche Schwankungsbreite von 10 % (gemessen anhand der T-Bond Futures seit 1977). Bei Versorgern liegt der Wert bei 12,9 % (gemessen anhand des Dow Jones Utility seit 1929). Anleger können also 1 % mehr Rendite für eine 2,9 % höhere Schwankungsbreite pro Jahr erzielen, wenn sie Versorgeraktien kaufen.

Da Staatsanleihen immer weniger Rendite bringen und das Kursrisiko eher steigt als fällt, sind Versorger auf dem Weg eine Alternative zu Staatsanleihen zu werden. Man wird sehen, was mit den Aktien passiert, wenn die Renditen für Anleihen wieder steigen. Es kann zu einem großen Sell-off kommen. Solange Staatsanleihen jedoch kaum Rendite abwerfen kann man bei Versorgeraktien nicht von einer Spekulationsblase sprechen. Vielmehr sehen wir hier möglicherweise ein neues Investitionsmotte: Versorgeraktien sind die neuen Anleihen.

Clemens Schmale

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45 Kommentare

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  • 1 Antwort anzeigen
  • bullischerbär
    bullischerbär

    und Ziegen, Schafe, Schweine, Kühe, Hühner.... :-)))))))))))))))

    15:43 Uhr, 12.07.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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