Kommentar
06:38 Uhr, 18.07.2016

Ein unzerstörbarer Markt?

Den Markt kann in diesen Tagen anscheinend nichts aus der Ruhe bringen. Egal, ob die Nachrichten gut oder schlecht sind – der Markt steigt.

Die alten Allzeithochs bei den US Indizes aus dem letzten Jahr sind abgeräumt. Neue Allzeithochs wurden markiert. Das gelang innerhalb von nur drei Wochen nach dem Brexit-Votum mit einer knapp 10 %-igen Rally. Ein Kursanstieg von knapp 10 % in so kurzer Zeit ist für US-Indizes äußerst ungewöhnlich.

Viele Analysten und Anleger haben dieser Bewegungen kopfschüttelnd hinterhergeschaut. Zu groß schien die Unsicherheit nach dem Referendum. Wer mutig war, nutzte dies jedoch als Einstiegsgelegenheit und wurde reich belohnt. Doch wie oft zahlt sich solcher Mut noch aus?

Innerhalb der letzten anderthalb Jahre gab es drei Möglichkeiten für Anleger, US-Aktien an ihrem oder nahe ihrer Allzeithochs zu verkaufen. Nun ist es sogar möglich, Aktien zu noch etwas höheren Preisen loszuschlagen. Es heißt schließlich, man solle billig kaufen und teuer verkaufen. Wer hoch verkaufen will, hätte nun eine Gelegenheit. Doch wer will schon verkaufen, wenn der Markt so dynamisch steigt und fast unkaputtbar erscheint?

Persönlich habe ich in der Woche nach dem Brexit meinen Bias von neutral auf bullisch umgestellt. Dabei bleibt es, doch der Markt ist keineswegs unkaputtbar. Der Brexit wird den Markt zweifelsohne noch einmal einholen. Kurzfristig kann es zu Rücksetzern kommen. Mittelfristig bleibe ich jedoch optimistisch. Das hat gute Gründe.

Am Freitag gab es in den USA ein kleines Zahlenfeuerwerk. Zuallererst sind da die Inflationsdaten zu nennen. Grafik 1 zeigt die US-Inflationsrate im Vergleich zu der Teuerungsrate der Eurozone. Im Vergleich zur Eurozone ist die US-Rate solide. Sie hält sich bequem über der Marke von 1 %. Das ist unterhalb der Zielinflation von 2 %, aber nicht bedrohlich.

Für die Notenbank ist die stabile Inflationsrate eine gute Nachricht. Sie ist es auch für Anleger, denn die Notenbank hat keinen Grund, einen Inflationsanstieg zu befürchten. Vielmehr scheint sich die Teuerungsrate in den kommenden Monaten im Bereich von 1-1,5 % einzupendeln. Zinsanhebungen drängen sich da nicht notwendigerweise auf.
Demgegenüber stehen Nachrichten, dass die Industrieproduktion im Juni um sagenhafte 0,6 % gegenüber Mai gestiegen ist. Eine dynamische Industrieproduktion bedeutet, dass die Misere der US-Industrie vorbei ist. Dies spricht für eine Zinsanhebung. „Glücklicherweise“ liegt die Produktion im Vergleich zum Vorjahr noch im Minus (Grafik 2).

Die Industrieproduktion und die Erzeugerpreise gehen für gewöhnlich Hand in Hand. Es wird mehr produziert, wenn mehr nachgefragt wird. Wird mehr nachgefragt, dann steigen die Preise. Derzeit lasten die fallenden Erzeugerpreise auf den Konsumentenpreisen (Inflation). Dieser Effekt wird sich abschwächen, sofern sich die Erzeugerpreise weiter stabilisieren können. Einen Aufwärtsdruck auf die Inflation müssen Notenbanker dennoch nicht befürchten. Erst wenn die Steigerung der Erzeugerpreise über 2 % liegt, hat auch die Inflationsrate eine Chance, die 2 % Marke zu erreichen. Absehbar ist das nicht, denn die Kapazitätsauslastung ist nach wie vor gering.

Die guten Daten aus der US-Wirtschaft werden durch die Verbraucherstimmung getrübt. Der Index der Verbraucherstimmung der Universität Michigan sank von 93,5 Punkten auf 89,5 Punkte. Besonders interessant: gerade besserverdienende Verbraucher zeigten eine Eintrübung der Stimmung. Der Grund: natürlich der Brexit. Dieser schlägt beim wohlhabenden Verbraucher auch in den USA durch. Dir breite Masse hat das Thema noch nicht erreicht. Ein großer Effekt ist daher nicht zu erwarten. Das Konsumwachstum sollte in den USA unberührt bleiben.

Die Daten sind gut, aber nicht zu gut. Hinzu kommt, dass der Brexit bei einigen Indikatoren auch in den USA seine Spuren hinterlässt. Der Empire State Manufacturing Index, der die Stimmung in der Industrie im Raum New York misst, sank kräftig. Man macht sich Sorgen, was nach dem Brexit kommt, auch wenn bisher niemand tatsächlich handelt. Das unterstützt eine abwartende Haltung.

Bis Anfang August, wenn die Bank of England ihre Geldpolitik aller Wahrscheinlichkeit anpasst, hängt der Markt etwas in der Luft. Wenn alles gut läuft, dann liefert die US-Berichtssaison allerdings ausreichend gute Zahlen, dass der Markt nicht korrigieren wird, sondern immerhin seitwärts läuft.

Clemens Schmale

Folgen Sie mir auf Guidants!

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

8 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Austrochris
    Austrochris

    Der S&P 500 hat momentan ca einen KGV von 25 ! Es gab nur wenige Jahre wo dieser Wert höher war . Und die Gewinnaussichten sind nicht berauschend .

    Aber die Anleger denken sich was solls " ein KGV von 30 oder 35 geht ja auch !!

    11:31 Uhr, 18.07. 2016
  • Austrochris
    Austrochris

    Das neue grosse Problem ist, dass die meisten Anleger glauben oder besser gesagt, davon überzeugt sind, dass die Zentralbanken" schon alles richten werden" wenns kracht .

    Die Schulden sind nie mehr zurückzahlbar, die Einkommensschere geht auseinander und zwar immer massiver und die Politik versagt in einigen Bereichen weltweilt völlig !!!

    Krachen wird es dann spätestens, wenn alle merken, dass die Zentralbanken selbst nur mehr

    mit Platzpatronen schiessen ...

    Möchte keinen Anleger beunruhigen , aber Sorglosigkeit so wie jetzt, ist nie ein guter Ratgeber !!!

    11:26 Uhr, 18.07. 2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Zusatz: die gerade massiv anlaufende Automatisierung der Schuh und textilproduktion wird die entwicklungslaender in wenigen jahren in nie dagewesene Armut stuerzen. Dann wird nestle und co. ueber tod oder Leben entscheiden.

    11:24 Uhr, 18.07. 2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Als ehemaliger berufsanalytiker muss ich keine filme sehen. Mir reicht den gesammten zusammemhang zu analysieren. DAS IST ABSOLUTER WAHNSINN und stuerzt gerade Millionen ins Elend und ejteignet Milliarden Menschen in zunehmender geschwindigkeit. Ueber all wird hass und angst gesaeht um demokratische Systeme entgueltig zu zerstoehren und die konzerne fressen was Sie joennen um die entgueltuge macht ueber die Preise zu erlangen und das ganz offen mit hilfe der politik. Man muss schon blind sein, das nicht zu sehen. Gutes beispiel venezuela. was da fuer ein luegengeflecht serviert wird, ist kaum zu ertragen. Das ist CIA arbeit vom feinsten. wie kann es sein, das das oelreichste land der welt nicht mit Milliardenkrediten zugeschuettet wird? das kann eigentlich nicht sein. nun hat man noch die Goldreserven einfach so gestohlen. Seither faellt der goldpreis. aVorher waren die Safes in gb leer!!!!!ufwachen Leute. eine globale Diktatur ist im entstehen.

    11:19 Uhr, 18.07. 2016
  • Vali44
    Vali44

    @ dschungelgold: Hast du den Film "The Big Short" gesehen? Du hast absolut Recht, was die heisse Luft im Markt angeht. Aber wann die Blase platzen wird, das ist ungewiss und kann noch lange dauern. So kann man Recht haben und trotzdem Geld verlieren. Im Trading ist das Timing daher so wichtig. Falls sich in den nächsten Tagen eine Topformation im DAX bildet, werde ich sicherlich wieder Short gehen. Aber ich erwarte dann nicht den grossen Crash. Dieser wird vermutlich durch ein externes Ereignis ausgelöst (z.B. Bankenpleite) und wird dann schnell ablaufen (Domino...). Daher mein Tipp, den Markt beobachten, mit dem Trend handeln und flexibel bleiben. Denn nicht vergessen, die AMIS wählen einen neuen Präsidenten. Jetzt muss man zuerst noch zeigen, wie gut es der eigenen Wirtschaft geht. Danach findet man einfacher die passenden Gründe, weshalb der Markt auf einmal so unerwartet stark gefallen ist. Bereit sein, ist alles. ;-)

    10:14 Uhr, 18.07. 2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Zusatz: selbst renditen werden groasteils derweil auf pump bezahlt. wann gabs das jemals, das umsaetze sinken und Renditen steifen. Das widerspricht jedem wirtschaftlichen gesetz.

    09:08 Uhr, 18.07. 2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Heisse luft ist das. In warheit werden von den globalen zentralbabken beim kleinsten Anzeichen von schwache unzaehlige milliarden in den markt gepumpt. Gute fundamentals gibt es nicht. Die schlechten werden am ende jedes jubelartikels nur nebenbei zaghaft erwaehnt. Die luftgeldblase wird immer groesser und hat bereits nie dagewesene Ausmasse erreicht. Weiss denn irgendjemand noch welche aus nichts entstandene Geldmengen hier reingedrueckt werden? Offensichtlich nicht ....und es will auch niemand mehr wissen. Der grosse, gigantische Knall wird und muss unweigerlich kommen, da dem arbeitenden Weltbuerger immer mehr geld entzogen wird, das jedes Wachstum nur noch auf bildschirmen bluehen laesst. mit der realitaet hat das nix mehr gemein. Wetermachen, hier gibts nix zu sehen.

    09:06 Uhr, 18.07. 2016
  • Pullman
    Pullman

    Der unzerstörbare Markt. So, so.

    http://www.goldseiten.de/artikel/293089--Wenn-die-...

    08:31 Uhr, 18.07. 2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten