Fundamentale Nachricht
17:24 Uhr, 20.04.2022

Earth Day 2022

Regulierung und Rohstoffpreise lassen das Recycling laut DWS-Fondsmanager Tim Bachmann zum Investmentthema reifen.

Fast jede und jeder hat sie mittlerweile unter den Verwandten oder Bekannten: Menschen, die in Geschäften einkaufen, in denen Waren ohne Kunststoffverpackung angeboten werden oder die sich Nahrungsmittel in mitgebrachte Behälter abfüllen lassen. Leicht kommt man vor diesem Hintergrund zu der Auffassung, dass sich hier eine immer breitere Front gegen die Plastikflut bildet, die sich in den vergangenen Jahrzehnten über den Planeten ergossen hat. Geschätzt hat die Menschheit seit Beginn der Massenproduktion von Kunststoff vor rund 65 Jahren insgesamt etwa acht Milliarden Tonnen Plastik hergestellt. Nur ein geringer Teil davon wurde entweder recycelt oder verbrannt. Das Gros liegt hingegen auf Deponien oder in der Umwelt – beispielsweise in Form von rund einer Million Getränkeflaschen aus Kunststoff, die weltweit jede Minute verkauft werden, oder als Plastik-Einwegstrohhalme, von denen jährlich etwa 36,4 Milliarden verbraucht werden.

„Obwohl viele Menschen versuchen, dieser Entwicklung mit ihrem Konsumverhalten Einhalt zu gebieten, hat die Industrie seit 2010 etwa 180 Milliarden Dollar in neue Anlagen zur Herstellung von Ausgangsmaterial für Kunststoff investiert, was im kommenden Jahrzehnt zu einem Anstieg der Produktionsmenge um 40 Prozent führen könnte“, sagt Tim Bachmann mit Blick auf den „Earth Day“ oder den „Tag der Erde“ am 22. April. Er managt den Aktienfonds DWS Invest ESG Climate Tech, der in Unternehmen investiert, die Produkte und Dienstleistungen zum Schutz von Klima und Umwelt anbieten.

Bei Papier- und Kartonindustrie steigen die Aufträge für Verpackungsalternativen

Ein wichtiger Grund für den zu erwartenden Anstieg ist die demografische Entwicklung: Weltweit nimmt die Zahl der Single-Haushalte zu, worauf die Industrie mit geringeren Füllmengen reagiert, was den Verpackungsberg, der jetzt schon rund 36 Prozent der globalen Plastikproduktion ausmacht, weiter wachsen lassen wird. Dabei sind die Folgen der Vermüllung der Umwelt mit dem biologisch faktisch nicht abbaubaren Kunststoff schon jetzt dramatisch. „Die Aufnahme kleinster Plastikteile aus den Ozeanen ist beispielsweise für das Prochlorococcus marinus tödlich. Dieses Bakterium ist wohl nicht nur der zahlenmäßig häufigste Organismus der Erde, sondern auch verantwortlich für die Produktion von schätzungsweise 20 Prozent unseres Sauerstoffs und die Aufnahme von 20 Prozent allen Kohlendioxids“, sagt Bachmann. Insgesamt sind mindestens 15 Prozent aller Arten durch die Aufnahme von oder das Strangulieren durch Kunststoffteile gefährdet.

„Plastikverpackungen lassen sich zwar zum Teil durch Alternativen ersetzen. Davon profitiert die Papier- und Kartonindustrie schon heute mit steigenden Aufträgen und in den USA arbeiten mehrere börsennotierte Unternehmen an biologisch abbaubaren Kunststoffen. Beides können interessante Gelegenheiten für Anleger sein“, erklärt der Fondsmanager. Weitaus wichtiger ist seiner Meinung nach aber der Ausbau der Infrastruktur für ein möglichst umfassendes Recycling. Und dabei handelt es sich um eine komplexe Aufgabe. Denn der Plastikmüll muss nicht nur mit nahtlos integrierter Logistik flächendeckend eingesammelt, sondern auch penibel nach Zusammensetzung getrennt werden, um recycelt und wiederverwendet werden zu können. „Und hier ist der Investitionsbedarf immens, was beispielsweise den Anbietern von Sortieranlagen oder Pfandrücknahmesystemen zugutekommen könnte“, sagt Bachmann.

Weltweit müssen konservativ gerechnet insgesamt 135 Milliarden Dollar investiert werden, um bei Kunststoffen eine Recycling-Quote von 50 Prozent zu erreichen. Wie wenig davon bislang tatsächlich auf den Weg gebracht worden ist, zeigt der Blick auf einen der größten Investoren in diesem Bereich, die Alliance to End Plastic Waste, die über fünf Jahre 1,5 Milliarden Dollar einsetzen will. In der EU beläuft sich die Kapazität, Abfall einsammeln und recyceln zu können, gegenwärtig auf geschätzt 36 Prozent der Gesamtmenge. Allerdings müssten laut Verordnung schon 2025 mindestens 50 Prozent aller Kunststoffverpackungen recycelt werden, bei allen Verpackungen sind bis dahin sogar 65 Prozent gefordert.

Einen weiteren Schub an Attraktivität dürfte das Recycling von Plastik jetzt durch die steigenden Rohstoffpreise erhalten. Denn immerhin werden rund acht Prozent der weltweiten Ölproduktion für die Herstellung von Kunststoff verwendet. „Und da die Ölkonzerne in den vergangenen Jahren wenig in die Kapazitäten investiert haben, dürfte sich am hohen Ölpreis auch längerfristig wenig ändern“, so der ESG-Fondsmanager.

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