DWS: Marktausblick August 2024
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Markt & Makro
Björn Jesch, Global Chief Investment Officer
„Breitere Diversifikation bei Aktien überfällig“
„Die ungebremste Euphorie in Sachen Künstliche Intelligenz (KI), die in den vergangenen neun Monaten fast ausschließlich für den Anstieg der Indizes in den USA verantwortlich war, hat einen ersten Dämpfer bekommen. Anleger beginnen die alte, aber nicht überkommene Tugend der Diversifikation wiederzuentdecken“, sagt Chefanlagestratege Björn Jesch. Trotz aller positiven Aussichten, die das Thema KI biete, sei dies überfällig gewesen. Ob die Rotation hin zu Nebenwerten, die sich in der zweiten Julihälfte abgezeichnet habe, anhalte, bleibe abzuwarten. Der US-Nebenwerteindex Russel 2000 habe wahrscheinlich auch von Spekulationen profitiert, dass im Falle eines Sieges von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November die Unternehmenssteuern gesenkt werden könnten. Davon würden Nebenwerte, die einen deutlich höheren Umsatzanteil im Inland haben als die Großunternehmen, überproportional profitieren. Eine Rechnung mit vielen Fragezeichen, wie auch die Marktturbulenzen Anfang August gezeigt haben. Denn niedrigere Steuern hätten wohl eine höhere Staatsverschuldung zur Folge. Ein Anstieg der Anleihe-renditen könnte wiederum die Bewertung der Unternehmen unter Druck setzen. Mit Blick auf die Branchen hält Jesch den Gesundheitssektor momentan für aussichtsreich. „Gesundheitsaktien sollten von einer anhaltenden Rotation in Richtung Wachstum und Innovation profitieren, und zwar jenseits von KI“, sagt Jesch. Ein Sektor-Aufschlag für das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10 Prozent im Vergleich zu globalen Aktien liege im historischen Durchschnitt. Speziell US-Biotech-Unternehmen sollten von fallenden Zinsen profitieren, da sie ihre Finanzierungsbedingungen günstiger machten. Bei europäischen Unternehmensanleihen sei das Bild gemischt. „Anleihen guter Bonität haben wir nach dem zuletzt gesehenen Rücksetzer hochgestuft“, so Jesch. Als weniger aussichtsreich erachtet er europäische Hochzinsanleihen, deren Zinsaufschläge gegenüber Staatsanleihen inzwischen wieder sehr eng seien und die fundamentalen und politischen Risiken nicht ausreichend berücksichtigten. „Das Risiko-Ertrags-Verhältnis erscheint uns momentan als nicht attraktiv“, so Jesch.
Konjunktur: Überraschend schwache US-Konjunkturdaten
- Überraschend durchwachsene Konjunkturdaten kamen zuletzt aus den USA. Der ISM-Index, ein viel beachteter Frühindikator für die Einkaufsaktivitäten der Industrie, gab deutlich nach. Besonders stark fiel der Beschäftigungs-Unterindex – auf ein Niveau, das abgesehen von der Corona-Zeit zuletzt im Jahr 2009 gesehen wurde.
- In Europa lag das Wachstum im zweiten Quartal bei mageren 0,25 Prozent. Negativer Ausreißer war die deutsche Wirtschaft, die sogar leicht schrumpfte. Spanien dagegen überraschte einmal mehr positiv mit einem Quartalswachstum von 0,8 Prozent.
Inflation: Weiterer Rückgang der Preissteigerungen will nicht so recht klappen
- Die Inflation in der Eurozone ist im Juli entgegen den Markterwartungen wieder etwas gestiegen und liegt derzeit bei 2,6 Prozent (Juni: 2,5 %). Hauptverantwortlich dafür: der nach wie vor hohe Anstieg der Dienstleistungspreise. Das Inflationsziel von zwei Prozent dürfte wohl nicht so schnell erreicht werden.
- Auch in Deutschland erweist sich die Inflation als hartnäckig und stieg im Juli sogar leicht auf 2,3 Prozent (Juni: 2,2 %).
Notenbanken: US-Notenbank kann sich noch nicht zu Zinssenkungen durchringen
- Die US-Notenbank hat die Zinsen auf ihrer Sitzung Ende Juli nicht gesenkt, auch wenn Notenbankchef Jerome Powell „zusätzliche“ Fortschritte auf dem Weg hin zum Inflationsziel von zwei Prozent konstatierte.
- Wir glauben, dass in den USA eine erste Zinssenkung im September kommen dürfte.
- Auf einen anderen Weg hat sich die japanische Notenbank begeben und die kurzfristigen Zinsen auf 0,25 Prozent erhöht.
Risiken: Weiterer Anstieg der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten
- In der Eurozone gehören ein möglicherweise später als erwarteter Anstieg des privaten Konsums und eine schwächere globale Nachfrage zu den Hauptrisiken für die Realwirtschaft und die Kapitalmärkte.
- Generell sind die geopolitischen Auseinandersetzungen und politische Unsicherheiten Risikofaktoren. Sollten die Krisenherde weiter eskalieren, beispielsweise im Nahen Osten, könnte sich dies negativ auf den gesamten Welthandel auswirken.
Aktien
Madeleine Ronner, Aktienfondsmanagerin
"Es gibt spannende Branchen, die nichts mit Künstlicher Intelligenz zu tun haben“
„Die Zahlen, die US-Unternehmen für das zweite Quartal melden, zeigen meines Erachtens, dass die Wirtschaft dringend Zinssenkungen braucht“, sagt Aktienfondsmanagerin Madeleine Ronner. Die Berichtssaison sei für manche Unternehmen hart. Teilweise würden die Aktienkurse von Unternehmen, deren Zahlen nur leicht schwächer als erwartet ausfielen, deutlich in den Keller geschickt. Dazu komme, dass die Fähigkeit der Unternehmen ihre Gewinne über Preiserhöhungen auszubauen, spürbar nachlasse. Ein dritter Punkt, den die Fondsmanagerin in der letzten Zeit beobachtet hat: Der Konsum schwäche sich ab.
Am US-Aktienmarkt sei zuletzt erstmals eine etwas größere Skepsis gegenüber den dominierenden US-Technologietiteln – den glorreichen Sieben – aufgeflammt. Der Markt scheine zu beginnen, das Thema Künstliche Intelligenz (KI) etwas differenzierter zu betrachten und sich verstärkt zu fragen, welches Gewinnpotenzial sich aus den hohen Investitionen ergebe. Dennoch sei das Momentum und das Wachstum bei einigen Technologietiteln nach wie vor sehr stark. Die Entwicklungen der letzten Wochen würden gut zeigen, dass eine breite Streuung bei der Aktienanlage wichtig sei. „Anleger konnten in den vergangenen zwei Jahren auch ohne Diversifikation sehr erfolgreich sein, sofern sie auf die großen Technologietitel gesetzt haben. Langfristig gesehen ist und bleibt eine vernünftige Diversifikation innerhalb der Anlageklasse Aktien aber ein Muss“, so Ronner. Ein zweiter wichtiger Punkt für Ronner: Die gezielte Auswahl von Einzeltiteln – sogenanntes Stock Picking – dürfte in der aktuellen Marktsituation wieder an Bedeutung gewinnen. Wenn man sich die Bewertungen am US-Markt ansehe, seien nur Teile und nicht der Gesamtmarkt hoch bewertet. Es gebe einige Bereiche, die unter Bewertungsaspekten interessant aussähen, Aussichten auf ein langfristig attraktives Wachstum böten und in den letzten 12 bis 18 Monaten schon ein schwächeres Umfeld gesehen hätten. „Diese Titel dürften zyklisch näher an einer Erholung dran sein, beispielsweise in den Branchen Medizintechnologie und Transport“, so Ronner. Als interessant erachtet sie derzeit Bereiche, in denen die Aussichten für ein starkes Wachstum gut seien. Ein Beispiel dafür: Unternehmen, die vom Ausbau der Datenzentren im Rahmen der Investitionen in Künstliche Intelligenz profitierten. „Es gibt aber auch spannende Branchen, die nichts mit KI zu tun haben“, so Ronner. In der Luft- und Raumfahrtindustrie sieht sie Chancen bei ausgewählten Unternehmen, die im sogenannten Sekundärmarkt tätig sind, also in den Bereichen Wartung, Reparatur und Nachrüstung. Bei Zyklikern, also Unternehmen, die stark an der konjunkturellen Entwicklung hängen, ist Ronner noch zurückhaltend. Viele Industrieunternehmen hätten für das zweite Halbjahr eine Erholung des Geschäfts vorhergesagt, die sich jetzt wohl noch etwas verzögere. Auch Frühindikatoren wie die Einkaufsmanager-Indizes zeigten weiter eine deutliche Schwäche in der breiten Industrie. Sobald sich Zinssenkungen konkretisierten, könnten aber auch diese Unternehmen wieder interessant werden.
Anleihen
Vera Fehling, Chefanlagestrategin Westeuropa
Zinsanlagen derzeit mit vorteilhafterem Rendite-Risiko-Profil als Aktien
Nach einem eher holprigen Start in das Jahr scheinen Zinsanlagen zunehmend wertvoller für Anleger zu werden. Je nach Laufzeitspektrum gibt es unterschiedliche Gründe für diese Entwicklung. „Bei den kurzen und mittleren Laufzeiten ist es vor allem die Erwartung, dass die Zentralbanken die Zinsen senken werden, die dazu führt, dass die Renditen fallen und die Kurse entsprechend steigen“, sagt Vera Fehling, Chefanlagestrategin Westeuropa. Anleihen mit längeren Laufzeiten profitierten dagegen eher von den sinkenden Inflations-erwartungen. Hier müsse allerdings berücksichtigt werden, dass die jüngsten Preissteigerungsraten einmal mehr gezeigt hätten, wie zäh der Weg zum angestrebten Inflationsziel von zwei Prozent sei. „Zudem erhält die Anlageklasse Anleihen Rückenwind von den Rücksetzern an den globalen Aktienmärkten, nachdem im ersten Halbjahr noch einem Allzeithoch das nächste folgte“, so Fehling. Auch bei institutionellen Anlegern wie Pensionsfonds beobachtet Fehling wieder ein erhöhtes strukturelles Interesse an festverzinslichen Wertpapieren. Für die Zusammensetzung von Portfolios hat diese Entwicklung deutliche Auswirkungen. Die Aktienquote einer langfristigen strategischen Allokation mit einer Zielrendite von vier Prozent ist weiter zurückgegangen und lag per Ende des zweiten Quartals bei nur noch knapp 25 Prozent. Damit kamen Aktien in dem Musterportfolio von der Gewichtung her nur noch auf den dritten Platz, mit einem deutlichen Abstand zu Zinsanlagen (42,5 %) und auch hinter Cash (knapp 30 %). „Das ist hauptsächlich auf ein vorteilhafteres Rendite-Risiko-Profil von Kasse bzw. sehr kurzfristigen Zinsanlagen zurückzuführen“, so Fehling.
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