Kommentar
06:58 Uhr, 02.06.2016

Düstere Aussichten für die US-Notenbank

Die US-Notenbank wartet wie jeder andere auch auf eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums, um endlich das Argument für eine weitere Zinsanhebung zu haben. Da kann die Fed vermutlich lange warten...

Vor der nächsten Notenbanksitzung positionieren sich die Mitglieder des Offenmarktausschusses in Bezug auf die zukünftige Notenbankpolitik. Die wenigsten sprechen sich klar und deutlich für eine Zinsanhebung aus. Derzeit tut das unter den stimmberechtigten Notenbankern nur Esther George. Sie ist die Präsidentin der regionalen Notenbank von Kansas. Alle anderen Notenbanker konnten sich zuletzt nur zu einer vagen Zustimmung hinreißen lassen.

Der allgemeine Konsens lautet derzeit: Wenn sich das Wachstum beschleunigt, dann ist eine Zinsanhebung vorstellbar. Nun warten alle auf die neuesten Wirtschaftsdaten, die eine Beschleunigung andeuten. Doch da kann man unter Umständen sehr lange warten.

Das Wachstum war im ersten Quartal schwach. Das wurde erwartet. Ebenso kann eine leichte Beschleunigung im zweiten Quartal erwartet werden. Das ist ein typisches, saisonales Muster. In Q1 wächst die Wirtschaft kaum (Winter) und belebt sich in Q2 (Frühjahr). Worauf nun gewartet wird, das ist eine Verbesserung der Wachstumsaussichten jenseits der Saisonalität.

Wie das zweite Quartal diesbezüglich wirklich verlaufen ist, wissen wir frühestens Ende Juli, wenn die Wachstumszahlen für Q2 veröffentlicht werden. Bis dahin muss man andere Daten analysieren. Im Fokus steht dabei vor allem die Entwicklung der Beschäftigung.

Bereits in den vergangenen Monaten war es ein Rätsel, weshalb sich die Beschäftigung sehr positiv entwickelt, die Wirtschaft jedoch vergleichsweise langsam wuchs. Grafik 1 zeigt den Vergleich von Wirtschafts- zu Beschäftigungswachstum. Sie laufen Hand in Hand.

Der parallele Verlauf von Beschäftigungswachstum und wirtschaftlicher Entwicklung macht Sinn. Wenn die Wirtschaft nicht wächst, dann werden auch keine neuen Stellen geschaffen. Stellen werden geschaffen, wenn das Wachstum robust ist und gestrichen, wenn sich die Wirtschaft abkühlt bzw. in einer Rezession befindet. Soweit, so gut.

In den USA kommt es seit der Großen Rezession 2008/09 zu einem bisher unbekannten Phänomen. Das Beschäftigungswachstum ist sehr hoch während die Wirtschaft relativ langsam wächst. Auf Jahressicht betrug das Beschäftigungswachstum knapp 2 %. Es waren also 2 % mehr Menschen beschäftigt als vor einem Jahr.

Im historischen Mittel seit 1948 lag das Beschäftigungswachstum bei 1,4 %. Das zeigt wie gut es der US-Wirtschaft eigentlich geht – eigentlich. Das Wirtschaftswachstum zeigt etwas ganz Anderes an. Es pendelt um die Marke von 2 % und ist damit nur unwesentlich höher als das Beschäftigungswachstum.

Die Differenz zwischen Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum ist in Grafik 2 abgebildet. Hier wird das Jobwachstum vom Wirtschaftswachstum abgezogen. Derzeit wächst die Wirtschaft nur 0,3 Prozentpunkte schneller als die Beschäftigung. Für eine Boomphase ist das ein trauriger Rekord.

Die lange Zeitreihe zeigt, dass sich der Trend von einer immer kleiner werdenden Differenz zwischen Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum seit Jahren etabliert. In der Vergangenheit war eine schrumpfende Differenz ein Vorbote der nächsten Rezession. Das muss dieses Mal nicht so sein, denn die USA leiden – wie viele andere Industrienationen auch – unter mangelndem Produktivitätswachstum.

Wird pro Arbeitnehmer nicht mehr produziert, dann kann die Wirtschaft maximal so schnell wachsen wie neue Stellen aufgebaut werden. Derzeit begrenzt das fehlende Produktivitätswachstum den Aufschwung. Nun kommt noch hinzu, dass die USA nach 7 Jahren Aufschwung eine weitest gehende Normalisierung des Arbeitsmarktes erreicht haben. Das Beschäftigungswachstum dürfte sich abschwächen.

Mit einer Abschwächung des Jobwachstums wird sich auch das Wirtschaftswachstum weiter abschwächen. Davon muss man fest ausgehen. Eine Beschleunigung des Wachstums rückt damit in immer weitere Ferne – und damit auch substantielle Zinserhöhungen. Ein Zinsanstieg auf 1 % oder sogar 1,75 % sind auf Sicht von Jahren denkbar. Das als langfristig als normal angesehene Zinsniveau von 3 % dürfte jedoch für diesen Aufschwung eine Illusion bleiben.

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15 Kommentare

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  • Dr. Kurt Weinknecht
    Dr. Kurt Weinknecht

    Jobwachstum ist nicht gleich Jobwachstum!

    Noch mehr Billigstlöhner bringen kein Wirtschaftswachstum, da diese Gruppe als Konsumenten ausfallen. 40 Millionen Lebensmittelkartenbezieher in der USA werden sicherlich kaum zu einem Wirtschaftswunder führen.

    So einfach ist das.

    13:06 Uhr, 02.06. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Die Zentralplaner werden demnächst den seit langem absehbaren Offenbarungseid leisten. Voraussichtlich trifft es zunächst Japan. Wenn wir die Bereinigungskrise überstanden haben, die seit vielen Jahren mit allen Mitteln verhindert wird, dann gibt niemand mehr auch nur einen Pfifferling für die Zentralbanker dieser Welt und es kann gut möglich sein, das das Zentralbankwesen in dieser Form sein Ende findet.

    P.S.

    Beim US-Jobwunder handelt es sich um ein Potemkinsches Dorf erster Güte, auch diese Fassade wird zusammenbrechen

    08:46 Uhr, 02.06. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Ds mag gelten, WENN diese zahlen stimmen. Ich glaube das aber nicht. hier wurde aus 1 Job 2 gemacht. Man muss die food stamp people beachten.

    08:13 Uhr, 02.06. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • UweZn
    UweZn

    Was aber bedeutet das für die Aktienmärkte? Null-Zinsen gelten als Treiber, geringes Wachstum als Hemmschuh.

    07:44 Uhr, 02.06. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • tschak
    tschak

    Ganz einfach: (VWL-Exkurs) >>> C + I + G und ganz wichtig !! + (X-M), das letzte Klammergeformel ist der Aussenhandelsbeitrag (Exporte minus Importe). Die USA brummen brav intern, aber es geht um Importe & Exporte. Damit meine ich garnicht so die Exporte alleine, also einen möglichen Überschuss (träum USA...), sondern einen globalen Aufschwung. Sehr leicht lässt sich wohl die USA von einer globalen Investitionsoffensive (also vorab EX-USA) wohl angestecken. Ich sehe USA-intern weniger Probleme als 2005, oder 2006. Es fehlt einfach noch der globale Mindset - sprich, Korruptions-Stop in Brasilien, Investitionsoffensive in Europa am Start, Rohstoffboden in 2016, etc.. Ich bin langfristig sehr positiv gestimmt - somit schon fleißig mit dem Depotaufbau für die nächsten Jahre beschäftigt. Natürlich könnte ein heftiger Anstieg der geglätteten 4-Wochen US-"Arbeitssuche"-zahlen über 300.000 einige Börsianer aufschrecken - soweit ist es aber noch nicht !!

    07:39 Uhr, 02.06. 2016
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    In der Tat passen im großen Puzzle ein paar Stücke nicht so richtig ins Bild. Schöner Artikel, immer wieder gut mal einen Blick hinter die Fassade zu wagen

    07:05 Uhr, 02.06. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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