Kommentar
06:05 Uhr, 22.07.2022

Droht uns ein globaler, geldpolitischer Unfall?

Geldpolitische Unfälle können Krisen auslösen, die es in sich haben. Die Finanzkrise 2008 ist ein Beispiel. Auch jetzt kann eine Finanzkrise nicht ausgeschlossen werden.

Welche Priorität Notenbanken derzeit haben, ist klar. Die Inflation ist nicht nur zu hoch, auch die Inflationserwartungen drohen zu kippen. Lösen sich die Inflationserwartungen erst, kommt es zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Inflation dann wieder einzufangen, ist schwierig.

Schon jetzt ist deutlich, dass es nicht ohne Schmerz gehen wird. Keiner glaubt mehr ernsthaft an ein Soft Landing, weder in den USA noch in Europa. Die Zeichen stehen auf Rezession. Rezessionen sollten die Inflation zwar senken, doch selbst während der Rezessionen der 70er Jahre wurde kein gesundes Inflationsniveau erreicht.

Erst als die Zinsen bedingungslos erhöht wurden und sogar weiter stiegen, als die Inflationsrate bereits wieder fiel, konnte die Teuerung wieder unter Kontrolle gebracht werden (Grafik 1). Genau dieses Szenario wollen Notenbanken verhindern. Sie wissen jedoch nicht, wie viele Zinsschritte es dafür braucht.


Die Welt ist zudem vernetzt. Fast alle Notenbanken gehen den gleichen Weg. In einigen Ländern kann man bereits von panikartigen Zinserhöhungen sprechen (z.B. Ungarn, Chile). Zinsschritte von zwei Prozentpunkten wie in Ungarn sind nicht behutsam oder freiwillig. Sie sind eine unangenehme Notwendigkeit.

Die Zinswende läuft nicht nur, sie beschleunigt sich zunehmend und dies überall auf der Welt (Grafik 2). Zinsen werden erhöht, unabhängig davon, wie es der Wirtschaft geht. Viele Emerging Markets haben keine Wahl. Sie müssen den Zinserhöhungen in den USA folgen, damit die eigenen Währungen nicht kollabieren.


Zuletzt war die Einigkeit der Notenbanken in Industrieländern Anfang der 80er Jahre so groß wie jetzt. Dabei fällt auf, dass der Umschwung von Lockerung zur Straffung der Geldpolitik schneller erfolgt als damals (Grafik 3).

Emerging Markets machen größtenteils mit. Unter den Ausnahmen befinden sich unter anderem Russland und die Türkei (Grafik 4).

Eine globale Straffung der Geldpolitik ist nicht neu. Das Tempo hingegen ist es. Es besteht so große Angst vor Inflation, dass weder rechts noch links geschaut wird. Das erhöht die Gefahr für Unfälle, zumal die meisten Länder heute in einer ganz anderen Verfassung sind als vor vier Jahrzehnten. Staaten, Haushalte und Unternehmen sind höher verschuldet. Auch die Verschuldung in Emerging Markets ist im Durchschnitt hoch wie nie.

Gleichzeitig werden nicht nur Zinsen angehoben, sondern auch Liquidität wird abgezogen. Die US-Notenbank hat mit der Reduktion ihres Wertpapierbestandes gerade begonnen. Zugleich hält China an seiner Null-Covid-Strategie fest und Europa befindet sich seit einem Jahr in einer Energiekrise.

Das Umfeld ist sehr komplex. Es ist bemerkenswert, dass noch kein Unfall passiert ist. Ein Unfall muss nicht passieren, die Gefahr ist jedoch sehr groß. Obwohl Notenbanken alle in die gleiche Richtung marschieren, sind sie nicht unbedingt koordiniert.

Übertreiben es Notenbanken mit der Straffung der Geldpolitik und kommt es zur Panik, sind ihnen die Hände gebunden. Geldschleusen zu öffnen rettet, wenn Inflation unter Kontrolle ist. Die Gratwanderung muss gelingen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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